Panzerproduktion Österreich : EU-Rüstungsfonds "Safe": Was das Milliardenprogramm für Österreichs Verteidigung und Industrie bedeutet

Bundesheer Österreich

Die EU-Staaten haben sich auf den Start eines neuen Finanzierungsinstruments für die gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern geeinigt.

- © Bundesheer Österreich

Die EU-Staaten haben sich auf ein neues Finanzierungsinstrument zur Stärkung der gemeinsamen Verteidigung geeinigt: Über das Programm „Safe“ (Security and Action for Europe) sollen durch das EU-Budget abgesicherte Darlehen in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Diese Mittel sollen den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, Luftverteidigungssysteme, Munition und andere Rüstungsgüter gemeinsam zu beschaffen.

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Das Programm „Safe“ ist Teil der laufenden Aufrüstungsstrategie Europas als Reaktion auf die zunehmende Bedrohung durch Russland. Es soll eine militärische Abschreckung schaffen und verhindern, dass Russland nach der Ukraine auch EU-Staaten angreift. Geheimdienste warnen, dass Russland spätestens 2030 in der Lage sein könnte, einen weiteren Krieg zu beginnen.

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Verteidigungsausgaben könnten von Schuldenregeln ausgenommen werden

Ein weiterer Aspekt der EU-Pläne betrifft die Finanzierung: Künftig könnten Verteidigungsausgaben von den strengen EU-Schuldenregeln ausgenommen werden. Länder wie Deutschland haben bereits entsprechende Anträge gestellt.

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Die Einigung über „Safe“ wurde im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten erzielt und muss nun noch vom EU-Ministerrat bestätigt werden. Die Zustimmung gilt als Formsache. Anders als umstrittene Eurobonds stoßen die über den EU-Haushalt abgesicherten Darlehen auf vergleichsweise breite Akzeptanz, da die Haftung einzelner Länder begrenzt ist.

Die Initiative für das neue Finanzierungsinstrument stammt von der EU-Kommission. Bereits im März forderte sie ein Umdenken in der europäischen Sicherheitspolitik und mahnte, sich auf einen möglichen Großkrieg mit Russland vorzubereiten. In einem aktuellen Strategiepapier warnt die Kommission unter Ursula von der Leyen: „Die Geschichte wird uns Untätigkeit nicht verzeihen.“

Zunehmender Handlungsdruck entsteht auch durch Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der die bedingungslose Sicherheitsgarantie der USA für Europa infrage gestellt hatte. Angesichts einer möglichen Schwächung des transatlantischen Bündnisses wird der Aufbau einer eigenständigen europäischen Verteidigungskapazität als dringlich angesehen.

Österreichs Rolle im Rahmen von "Safe"

Als EU-Mitglied kann Österreich von den bis zu 150 Milliarden Euro profitieren, die im Rahmen von "Safe" als langfristige, durch den EU-Haushalt abgesicherte Darlehen bereitgestellt werden. Diese Mittel sind für gemeinsame Beschaffungen von Verteidigungsgütern vorgesehen, darunter Luftverteidigungssysteme, Munition, Drohnentechnologie und Cyberabwehr. Die Teilnahme an "Safe" erfordert jedoch, dass mindestens zwei Länder an einem Projekt beteiligt sind, wobei mindestens eines ein "Safe"-Darlehen in Anspruch nimmt.

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Österreichs Beteiligung an solchen Projekten könnte sowohl die nationale Verteidigungsfähigkeit stärken als auch die europäische Rüstungsindustrie unterstützen. Allerdings muss dies im Einklang mit der österreichischen Neutralitätspolitik stehen, die militärische Bündnisse und die Stationierung fremder Truppen auf österreichischem Boden ausschließt.

Österreichs immerwährende Neutralität ist seit 1955 ein zentraler Bestandteil seiner Außenpolitik. Dennoch beteiligt sich das Land an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU und unterstützt friedenssichernde Maßnahmen. Die Teilnahme an "Safe" kann als Erweiterung dieser Politik betrachtet werden, sofern sie nicht im Widerspruch zur Neutralität steht. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen der Wahrung der Neutralität und der aktiven Mitgestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur zu finden. 

„SAFE. For 'Security Action for Europe.' Up to €150 billion to scale up our defence industry, and fast. Exactly what we need right now.“
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission auf X

Perspektiven für die österreichische Rüstungsindustrie

Österreichs Rüstungsindustrie zählt derzeit etwa 11.000 Beschäftigte und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von rund 3 Milliarden Euro. Diese Branche ist geprägt von hochspezialisierten Mittel- und Kleinbetrieben, die in Bereichen wie Präzisionstechnik, Munitionsherstellung, Optik, Sensorik und Fahrzeugbau tätig sind. Zu den bekanntesten Unternehmen zählen Glock (Handfeuerwaffen), Steyr Arms (Gewehre), Hirtenberger Defence Systems (Mörsersysteme und Munition) und ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH Austria (Systemintegration). Die europäische Bevorzugung bei Auftragsvergaben („Buy European Act“) stärkt ihre Marktstellung gegenüber außereuropäischer Konkurrenz, etwa aus den USA oder Israel.

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Ein konkreter Wachstumstreiber ist der verstärkte Bedarf an Landfahrzeugen und Panzerkomponenten. So beliefert das oberösterreichische Unternehmen Maschinenfabrik Liezen und Gießerei (MFL) den deutsch-französischen Konzern KNDS mit Panzerteilen in einem Auftragsvolumen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Gleichzeitig produziert General Dynamics European Land Systems in Wien-Simmering derzeit 225 Radpanzer „Pandur Evolution“ für das österreichische Bundesheer – mit einem signifikanten Anteil österreichischer Wertschöpfung.

Darüber hinaus ergeben sich Chancen im Bereich Forschung und Entwicklung, etwa bei Drohnenabwehr, cyberresilienten Systemen oder KI-gestützter Gefechtsfeldtechnologie. Unternehmen, die auf dual-use-Technologien setzen – also Anwendungen sowohl für zivile als auch für militärische Nutzung entwickeln – können von Förderprogrammen der EU zusätzlich profitieren. So könnte SAFE indirekt auch die Hightech-Zulieferindustrie stärken, etwa in den Bereichen Sensorik, Elektronikfertigung oder 3D-Druck für Ersatzteile.

Die Maschinenfabrik Liezen und Gießerei (MFL) beliefert den deutsch-französischen Konzern KNDS mit Panzerteilen in einem Auftragsvolumen im mittleren zweistelligen Millionenbereich

- © www.photoinstyle.at/ Maschinenfabrik Liezen und Gießerei (MFL)

Kooperation als Schlüssel: Wie Industrie, Politik und zivile Wirtschaft Europas Verteidigung stärken können

Um die strategischen Ziele des EU-Finanzierungsprogramms "Safe" langfristig zu sichern, braucht es mehr als Geld allein: Die europäische Verteidigungsfähigkeit hängt entscheidend von einer koordinierten Zusammenarbeit zwischen Politik, Militär, Verteidigungsindustrie und zivilem Sektor ab. Im Abschlussbericht einer Analyse von Roland Berger werden für diese drei Hauptakteure klare Handlungsempfehlungen formuliert – mit dem Ziel, Kapazitätslücken zu schließen, Abschreckungsfähigkeit aufzubauen und die Resilienz der europäischen Verteidigungsstruktur zu stärken.

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Die europäische Verteidigungsindustrie ist aufgefordert, bestehende Produktionsanlagen zu modernisieren, um flexibel auf steigende Bedarfe reagieren zu können. Dabei spielt die Zusammenarbeit mit zivilen Industrien eine zentrale Rolle – etwa mit der Automobilbranche, der Elektronikindustrie oder dem Maschinenbau. Diese Sektoren verfügen über skalierbare Fertigungskapazitäten, die helfen können, Lieferengpässe zu überwinden und eine hochvolumige, verlässliche Produktion sicherzustellen.

Zivile Unternehmen wiederum profitieren von neuen Wachstumsperspektiven: Viele von ihnen kämpfen in ihren traditionellen Märkten mit strukturellem Wandel oder internationalem Wettbewerbsdruck. Der Einstieg in sicherheitsrelevante Wertschöpfungsketten – besonders über Dual-Use-Technologien – kann sowohl Innovationen fördern als auch eine nachhaltige Diversifizierung der Geschäftsmodelle ermöglichen.

„Europas Verteidigungsökosystem muss sich an die 'neue Welt' der Kriegsführung anpassen und einen radikalen Wandel vollziehen“, betont Manfred Hader, Partner bei Roland Berger. „Die europäische Verteidigungstechnologie und ihre industrielle Basis stehen vor einer neuen Ära, in der sie sich gegen die vielschichtigen Bedrohungen der modernen Kriegsführung wappnen müssen. Zivile Akteure werden entscheidende Partner sein, um die notwendige Agilität und Kosteneffizienz zu erreichen.“

Für Österreich ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag: Wenn das Land vom "Safe"-Programm profitieren und seine Industrie langfristig als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur etablieren will, müssen öffentliche Stellen, Militär und Wirtschaft enger zusammenarbeiten – mit einem gemeinsamen Ziel: Sicherheit durch Innovation und Kooperation.