VW unter Druck : Volkswagens Sparmaßnahmen: Auswirkungen auf Österreichs Zulieferer-Industrie

Oliver Blume and Hans Dieter Pötsch

Volkswagen muss sparen. Wie wirkt sich das auf Österreichs Zulieferer-Industrie aus?

- © Volkswagen AG

Volkswagen, Europas größter Automobilhersteller, sieht sich laut einem Medienbericht gezwungen, seine Sparmaßnahmen bei der Hauptmarke VW weiter zu verschärfen. Aufgrund schlechterer Geschäftsentwicklungen als ursprünglich erwartet, soll das im Jahr 2023 eingeführte Effizienzprogramm noch einmal verschärft werden. Es bestehe aktuell eine Lücke von 2 bis 3 Milliarden Euro bei den angestrebten Ergebnisverbesserungen.

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Die Führungsspitze von Volkswagen hat bei der Betriebsversammlung in Wolfsburg den verschärften Sparkurs des Unternehmens verteidigt. Konzern-Finanzchef Arno Antlitz machte vor mehr als 10.000 Beschäftigten im VW-Werk deutlich: "Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen." Er betonte, dass die Marke seit längerer Zeit mehr Geld ausgibt, als sie einnimmt: "Das geht nicht gut auf die Dauer!"

Bereits in der Vorwoche hatte Markenchef Thomas Schäfer auf der Managementkonferenz des Konzerns den Fortschritt der Sparmaßnahmen thematisiert. Vor allem das schwächelnde Neugeschäft stellt eine Belastung dar. Um dennoch die geplanten Ergebnisverbesserungen zu erreichen, müssen die Kosten nun stärker gesenkt werden als ursprünglich vorgesehen.

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- © Industriemagazin

Investitionen in "Modellfeuerwerk"

Ziel der Einsparungen sei es, finanzielle Mittel für zukünftige Investitionen in neue Produkte freizusetzen. Markenchef Thomas Schäfer erklärte dazu: "Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren." Schäfer sieht die Chance darin, durch nachhaltige Kostensenkungen und umfassende Investitionen in innovative Modelle die Zukunft des Unternehmens zu sichern: "Wenn wir es jetzt schaffen, unsere Kosten nachhaltig zu reduzieren und in ein Modellfeuerwerk zu investieren, wie es der Wettbewerb und die Kunden noch nicht gesehen haben, dann werden wir es sein, die die Voraussetzungen geschaffen haben, damit auch die nächsten Generationen hier in Deutschland für Volkswagen arbeiten können."

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Der Auftritt des Vorstands wurde von den Beschäftigten mit deutlicher Kritik und Protesten begleitet. Konkrete Informationen zu den am Montag verschärften Sparplänen wurden jedoch nicht gegeben. Eine Schließung von Werken in Deutschland sowie betriebsbedingte Kündigungen werden inzwischen ebenfalls nicht mehr ausgeschlossen. Der Betriebsrat und die IG Metall hatten angekündigt, sich massiv gegen solche Maßnahmen zu wehren. Auch das Land Niedersachsen, das an VW beteiligt ist, forderte, Werksschließungen zu vermeiden.

Antlitz wies darauf hin, dass es in den europäischen Standorten erhebliche Überkapazitäten gebe. Der Markt habe sich seit der Coronapandemie verändert, derzeit würden zwei Millionen Autos weniger pro Jahr in Europa verkauft. Für VW, das etwa ein Viertel des europäischen Marktes abdeckt, bedeute das: "Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unseren Produkten zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da."

Obwohl VW keine Angaben zu möglichen Standorten machte, die von Schließungen betroffen sein könnten, bekräftigte der Konzern, dass eine Schließung von Werken die letzte Option sei, falls andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg brächten. Aktuell betreibt VW Autowerke in Wolfsburg, Emden, Osnabrück, Hannover, Zwickau und Dresden sowie Komponentenfabriken in Kassel, Salzgitter, Braunschweig und Chemnitz.

VW-Motorenwerk im deutschen Chemnitz

Rendite für VW zu niedrig

Schon Anfang August hatte Schäfer erklärt, dass die Sparbemühungen angesichts der schleppenden Geschäftsentwicklung intensiviert werden müssen. "Wir müssen unsere Fixkosten noch weiter senken, um in diesem schwierigen Marktumfeld nachhaltig auf Kurs zu bleiben", sagte Schäfer bei der Präsentation der Halbjahreszahlen. "Der zusätzliche Gegenwind zeigt sich deutlich in unseren Kennzahlen, speziell bei der Marke Volkswagen." Finanzvorstand Patrik Mayer ergänzte damals, dass die bisherigen Sparmaßnahmen nicht ausreichen würden.

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Das 2023 eingeführte Effizienzprogramm zielt darauf ab, die Kosten der renditeschwachen Hauptmarke erheblich zu senken. Es soll das Ergebnis der Hauptmarke in diesem Jahr um 4 Milliarden Euro verbessern und bis 2026 um 10 Milliarden Euro steigern. Die Umsatzrendite soll von zuletzt 2,3 auf 6,5 Prozent erhöht werden. Die größten Einsparungen sollen vor allem bei Material- und Fixkosten erfolgen. Zur Senkung der Personalkosten setzt VW auf Abfindungen und Altersteilzeit, betriebsbedingte Kündigungen schließt das Unternehmen aus.

Wie der Dax-Konzern Anfang August bekanntgab, hat er im ersten Halbjahr dieses Jahres deutlich weniger Gewinn erzielt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das Ergebnis nach Steuern sank auf 7,3 Milliarden Euro, was einem Rückgang von fast 14 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 entspricht. Trotz eines leichten Anstiegs der Umsätze fiel die operative Marge auf 6,3 Prozent, während sie im Vorjahr noch bei 7,3 Prozent lag.

Finanzvorstand Arno Antlitz bezeichnete die Rendite als „für unsere Ansprüche zu wenig“ und kündigte an, dass das Unternehmen „in der zweiten Jahreshälfte und darüber hinaus kostenseitig erhebliche Anstrengungen unternehmen“ müsse. Konzernchef Oliver Blume sprach von einer soliden Grundlage, betonte jedoch: „Ein Großteil der Arbeit liegt aber noch vor uns.“

Diese Halbjahreszahlen sind ein weiteres schlechtes Signal für das Management um CEO Blume, das bereits vor großen Herausforderungen steht. Blume leitet VW durch die größte Transformation in der Geschichte des Konzerns. Allerdings wird zunehmend deutlich, dass sein Vorhaben, das Unternehmen für die Elektrowende profitabler zu machen, nicht wie geplant verläuft.

Tarifrunde steht bei VW an

Ein weiterer Faktor ist der zu erwartende Anstieg der Gehälter bei VW. Im Herbst stehen nicht nur die Investitionsplanungsrunde, sondern auch Tarifverhandlungen mit der IG Metall an. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von sieben Prozent für die Beschäftigten im VW-Haustarifvertrag bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Auch Azubis und dual Studierende sollen mehr verdienen.

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„Wenn das so kommt, wäre es ein harter Schlag für VW, der einen Großteil der bereits gemachten Anstrengungen wieder aufheben dürfte“, kommentiert Metzler-Analyst Skirta in Bezug auf die Sieben-Prozent-Forderung. Bereits 2023 waren die Personalkosten des Konzerns erneut gestiegen, zusammen mit der Mitarbeiterzahl summierten sie sich auf knapp 50 Milliarden Euro, inklusive der Aufwendungen für die Altersvorsorge.

Trotz dieser Herausforderungen ist VW nicht allein: Auch andere Hersteller kämpfen mit sinkenden Gewinnen und Margen. In der vergangenen Woche berichtete Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, von einem Gewinnrückgang von über 40 Prozent. Ähnliche Kurseinbrüche gab es auch bei Renault, Tesla und Ford nach enttäuschenden Halbjahresergebnissen.

Auswirkungen auf österreichische Zulieferer-Industrie

Volkswagen steht unter massivem Druck, seine Kosten zu optimieren und plant deshalb, bis 2030 insgesamt 10 Milliarden Euro einzusparen. Diese Entwicklungen haben potenziell weitreichende Konsequenzen für die Zulieferer-Industrie in Österreich, die stark von VW als Abnehmer abhängt. Zum Beispiel ist Magna Steyr, einer der größten österreichischen Automobilzulieferer, maßgeblich in die Produktion für Volkswagen involviert. Im Jahr 2022 hat Magna Steyr mit über 13.000 Beschäftigten in Österreich einen Umsatz von etwa 7 Milliarden Euro erzielt, wobei ein bedeutender Teil des Umsatzes auf Aufträge von VW entfällt.

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VW plant, seine Fahrzeugproduktion zu straffen, was sich direkt auf die Auftragslage österreichischer Zulieferer auswirken könnte. Im Jahr 2022 lieferte die österreichische Automobilzulieferindustrie insgesamt Waren im Wert von rund 18 Milliarden Euro, wovon ein erheblicher Teil an Volkswagen ging. Eine Reduktion der Bestellungen von VW könnte daher spürbare Einbußen bei den Umsätzen der betroffenen Unternehmen verursachen.

Zudem könnte VW seine Preisverhandlungen verschärfen, um die Margen der Zulieferer zu drücken. Angesichts dessen könnten Unternehmen in Österreich, die im Jahr 2022 rund 75.000 Mitarbeiter in der Automobilzulieferindustrie beschäftigten, gezwungen sein, ihre Produktionskosten weiter zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Besonders betroffen könnten Zulieferer sein, die sich auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert haben. Die österreichische Zulieferindustrie hat in den letzten Jahren rund 30 Prozent ihrer Produktion auf solche Komponenten ausgerichtet. Mit dem Fokus von VW auf Elektromobilität und die Umstellung ihrer Fahrzeugpalette droht diesen Zulieferern ein drastischer Rückgang der Auftragsvolumina.

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- © Volkswagen
Am 20. August präzisierte die EU-Kommission die geplanten E-Auto Strafzölle für in China produzierte und nach Europa importierte E-Autos. Sollte der Zoll im Herbst in Kraft treten, wird Tesla profitieren, während chinesische und deutsche Hersteller wie VW, BMW und Mercedes den Verlierern zählen. Länder wie die USA und Indien haben bereits Strafzölle auf chinesische E-Autos eingeführt, um die einheimische Industrie zu schützen. Die EU will mit Ausgleichszöllen ähnliche Folgen wie in der Solarindustrie verhindern. Die endgültige Entscheidung fällt nach Verhandlungen mit China und einer Abstimmung im Europäischen Rat im Oktober.