Zollstreit : Trumps Ära der konstanten Unsicherheit – Zollpause bis August

The crack between the flags of the United States and the European Union. The concept of problems in the relations of countries, trade tariffs and disagreements.

EU und USA – eine zerrissene Partnerschaft: Unter Trumps Handelskurs droht dem transatlantischen Verhältnis der endgültige Zerfall.

- © Eugene_Photo - stock.adobe.com

Das erneute Einlenken von US-Präsident Donald Trump im Zollkonflikt wirkt vertraut – fast schon routiniert. Nach der 90-tägigen Pause folgt nun der nächste Aufschub: Die geplanten Strafzölle werden erneut verschoben, diesmal bis August.

An den Börsen bleibt Panik aus – denn inzwischen gilt das Prinzip TACO: Trump Always Chickens Out. Erst wird gedroht, dann gebremst. Die Märkte haben sich an das Muster gewöhnt – lautstarke Ankündigungen, gefolgt von Aufschub oder Rückzug. Der Überraschungseffekt ist verpufft, die Reaktion entsprechend gelassen.

Zwar bleiben bestehende Zölle auf Stahl, Aluminium und Autoimporte bestehen, doch viele Investoren rechnen auch diesmal mit viel Rhetorik und wenig Umsetzung. 

Zollstreit, Handelskonflikte, neue Märkte: Bleiben Sie informiert. Abonnieren Sie unser Daily Briefing – mit den wichtigsten Nachrichten für Österreichs Industrie. Kompakt, aktuell und jeden Morgen um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Trumps Zoll-Drohung: Kommen 30 Prozent Aufschlag für Europas Industrie?

Trumps Zickzackkurs in der Handelspolitik nimmt neue Fahrt auf: Jetzt droht er der EU mit Zöllen von bis zu 30 Prozent auf sämtliche Importe – darunter zentrale Branchen wie Autos, Maschinen, Pharmazeutika und Lebensmittel. Was nach einem drastischen Schritt klingt, passt ins bekannte Muster: Erst maximal drohen, dann optional zurückrudern.

Sein ständiges Hin und Her bei Zöllen und Sonderregelungen hat längst System – oder eben keines. Heute gelten Ausnahmen, morgen wieder nicht. Ob produkt- oder länderbezogen, die Regeln ändern sich schneller als manche Zollbescheide eintreffen. Ein klarer wirtschaftspolitischer Kurs? Fehlanzeige.

Die erratische Handelspolitik und die damit einhergehenden Kursbewegungen bei betroffenen Unternehmen werfen immer wieder Fragen nach möglichem Insiderhandel auf.

Der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, bringt es auf den Punkt: „Das ist Chaos.“ Und weiter: „Trump ändert die Dinge von Tag zu Tag. Mit so einer Unberechenbarkeit lässt sich kein Land regieren.“

Trumps aktuelle Zölle und was auf Europas Industrie zukommen könnte

US-Präsident Donald Trump verlängerte die zuvor angekündigte 90-tägige Zollpause erneut – die höheren Strafzölle treten nun erst ab dem 1. August in Kraft. Gleichzeitig droht er der EU mit massiven 30 % Zöllen auf alle Importe – egal ob Autos, Maschinen, Pharma oder Lebensmittel.

Damit bleibt das Zollpaket in zwei Stufen gegliedert:

  1. Ein einheitlicher Basistarif von 10 % auf nahezu alle Waren – der bleibt bestehen.
  2. Zusätzliche, hohe Strafzölle, die variabel bis zu 30 % (EU), 35 % (Kanada) oder sogar 50 % (Kupfer) betragen können – deren Umsetzung ist aber bis August ausgesetzt.

In den kommenden Wochen sollen Verhandlungen mit den wichtigsten Handelspartnern (EU, Mexiko, Kanada etc.) stattfinden – die EU hat bereits angekündigt, bis zum 1. August mit einer Antwort auf Trump zu warten und im Gegenzug Gegenmaßnahmen vorzubereiten

Der nächste Aufschub: Gründe, Risiken und mögliche Folgen

Im Frühjahr kündigte US-Präsident Donald Trump großspurig an, binnen 90 Tagen mit 90 Ländern neue Handelsabkommen auszuhandeln – ein zentrales Versprechen seines neuen Zollkurses. Ziel war es, aus seiner Sicht „unfaire“ Handelspraktiken zu beenden und die USA besser zu positionieren. Doch drei Monate später zeigt sich: Von den angekündigten Deals ist kaum einer zustande gekommen.

>>> Fünf Konjunkturindikatoren zeigen, wie stark Trumps Zollpolitik die Weltwirtschaft belastet.

Mit Vietnam wurde zwar mehrfach betont, dass ein Abkommen „kurz bevorstehe“ – doch bisher liegt nichts Schriftliches vor, weder Eckpunkte noch Vertragsentwürfe. Kanada kündigte an, „Gesprächsbereitschaft“ zu zeigen, mehr als vage Absichtserklärungen gibt es nicht. Auch mit Mexiko wird über mögliche Quoten bei Stahl und Maschinen gesprochen – konkrete Rahmenbedingungen fehlen. In Japan herrscht Stillstand, besonders bei Autos und Agrarprodukten. Trump spricht öffentlich weiter von Fortschritten, doch aus Tokio kommen zunehmend frustrierte Töne, aus dem Verhandlungsteam hieß es zuletzt: Es ist bis heute unklar, was die USA eigentlich genau fordern.

Selbst mit China, dem strategisch wichtigsten Gegenspieler, wurde lediglich ein „technisches Zwischenpapier“ abgestimmt – ohne rechtlich bindende Wirkung. Und bei der EU? Hier bleibt es bei diplomatischen Gesprächen ohne Ergebnis. Ein umfassendes Handelsabkommen, das Trumps Strafzölle verhindern könnte, ist weder ausverhandelt noch politisch abgestimmt.

Unterm Strich: Nach 90 Tagen stehen keine Deals, sondern nur Ankündigungen. Deshalb der erneute Aufschub – denn ohne vertragliche Grundlage lassen sich die angekündigten Strafzölle juristisch und politisch kaum durchsetzen. Jetzt wird der 1. August als neue Frist gesetzt – erneut mit der Hoffnung, dass „bald etwas kommt“. Doch bislang: nichts Handfestes.

Exporte der EU27-Staaten in die USA (nach Warengruppen in Mrd. Euro)


 


 

- © Dominique Otto

Trump-Zölle: In diesen Bereichen würde es Europas Industrie am härtesten treffen

Welche europäischen Produkte sind für die USA besonders relevant – und wie leicht ersetzbar? Ein Blick auf die Export-Statistik von Eurostat zeigt:

1. Maschinen und Fahrzeuge machen mit 44 % den größten Anteil aller EU-Ausfuhren in die USA aus – rund 208 Milliarden Euro im Jahr 2023. Neben Konzernen wie Volkswagen, BMW oder Renault sind auch zahlreiche mittelständische Zulieferer stark betroffen, darunter viele mit Standorten in Mexiko, die für den US-Markt produzieren – etwa Voestalpine, KTM oder Pollmann.

2. Chemie und Pharma folgen mit 29 % Anteil139 Milliarden Euro Exportvolumen. Besonders exponiert: Deutschland mit rund 36 Milliarden Euro, Frankreich mit Kosmetikkonzernen wie L’Oréal, und Irland, wo Pharmafirmen wie Pfizer ganze Produktionsketten für den US-Export betreiben.

3. Sonstige Industrieprodukte wie Möbel, Kleidung, Uhren und Bauteile machten 2023 etwa 104 Milliarden Euro aus. Hier wären Zölle technisch komplex, aber wirtschaftlich spürbar.

Lebensmittel, Getränke und Tabakwaren spielen mit unter 5 % nur eine untergeordnete Rolle – die großen Schwachstellen liegen eindeutig in der Industrie.

>>> Bourbon, Kaugummis, Toilettenpapier – die EU schlägt zurück

  • trump paris agreement climate change iswa waste
    The European Union, which was formed for the primary purpose of taking advantage of the United States on trade, has been very difficult to deal with.

    Donald Trump über die Europäische Union

Donald Trump und Elon Musk – einst enge Verbündete, heute politische Rivalen.

- © Brandon Bell / AP / picturedesk.com

Zoll-Insiderhandel? Kursgewinne bei Trump-Aktien nach Zollaussage werfen Fragen auf

Für zusätzlichen Zündstoff sorgt ein Detail am Rande: Nur wenige Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe des ersten Zollaufschubs veröffentlichte Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social die Aussage, jetzt sei „eine großartige Zeit, zu kaufen“ – unterzeichnet mit „DJT“, dem Börsenticker seines eigenen Unternehmens Trump Media & Technology. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die Aktie schloss den Handelstag mit einem Plus von 21,67 Prozent.

Auch andere Werte legten auffällig stark zu – darunter Tesla, das Unternehmen vom damaligen Trump-Verbündetem Elon Musk, das um 22,7 Prozent zulegte. Wenige Tage zuvor hatte Handelsminister Lutnick öffentlich erklärt, Tesla-Aktien seien „nie wieder so günstig“ – ein Kommentar, der nun als potenzielles Signal gewertet wird. Musk hatte sich im Vorfeld öffentlich für die Aussetzung der Zölle ausgesprochen und ist zwischenzeitlich bei der Trump-Administration in Ungnade gefallen. 

Der demokratische Senator Adam Schiff äußerte sich dazu kritisch auf X: Trumps Kurswechsel und die damit verbundenen Kurssprünge „eröffnen gefährliche Möglichkeiten für Insiderhandel“. Seine Frage: „Wer wusste wann Bescheid – und wer hat davon profitiert?“

EU-Gegenmaßnahmen: Wie Brüssel reagieren kann – und wo die USA verwundbar sind

So laut Trumps Rhetorik auch sein mag – seine Möglichkeiten, das US-Handelsdefizit mit Zöllen auszugleichen, sind begrenzt. In der Praxis nutzt er sie vor allem als politisches Druckmittel, um der EU Zugeständnisse abzuringen, die über Handel weit hinausgehen. Zwei zentrale Forderungen stehen im Raum: mehr Flüssiggas und mehr US-Waffen für Europa.

Beim Energiehandel ist die Abhängigkeit längst groß: 2023 importierte die EU Brennstoffe im Wert von 85,7 Milliarden Euro aus den USA – über 330 % mehr als 2020. Dennoch stammen laut EU-Rat weiterhin rund 15 % der EU-Gasimporte aus Russland. Trump will, dass dieser Anteil weiter sinkt – zugunsten amerikanischer Exporte.

Zudem drängt Washington verstärkt auf Rüstungsgeschäfte. Die USA wollen, dass europäische Staaten mehr Waffen und Verteidigungstechnik von US-Herstellern kaufen – vor allem im Rahmen der NATO-Aufrüstung. Auch hier dienen Zolldrohungen als Hebel, um wirtschaftliche Interessen mit sicherheitspolitischem Einfluss zu verbinden.

Trump verfolgt dabei ein übergeordnetes Ziel: Die Verlagerung industrieller Wertschöpfung zurück in die USA. Doch ob Zölle das leisten können, bleibt zweifelhaft. Hohe Lohnkosten, Fachkräftemangel und fehlende industrielle Infrastruktur machen die USA nur bedingt attraktiv für Produktion. Selbst wenn Unternehmen an eine dauerhafte Zollpolitik glauben – die Rückverlagerung dauert Jahre. Und bis dahin zahlen vor allem US-Konsumenten die Rechnung.

>>> Ford-Chef warnt: Trumps 25-Prozent-Zölle könnten US-Autoindustrie Milliarden kosten und Jobs vernichten.

  • trump paris agreement climate change iswa waste
    „I told the European Union that they must make up their tremendous deficit with the United States by the large‑scale purchase of our oil and gas. Otherwise, it is TARIFFS all the way!!!“

    Donald Trump auf Truth Social

Welche Zölle aktuell gelten

Seit Jahresbeginn 2025 hat US-Präsident Donald Trump eine Reihe teils drastischer Zölle angekündigt. Während einige bereits umgesetzt wurden, sind andere aktuell ausgesetzt oder in Verhandlung. Hier die aktuelle Übersicht:

🔧 Allgemeiner Importzoll
Zollsatz: 10 % auf fast alle Warenimporte weltweit (mit Ausnahmen für Kanada/Mexiko)
Inkrafttreten: 5. April 2025
Aktueller Stand: In Kraft. Gilt als Basiszollsatz für alle Länder.

🚗 Zölle auf Autoimporte
Ankündigung: 2. April 2025
Zollsatz: 25 % auf Pkw-Importe weltweit
Inkrafttreten: 3. April 2025
Aktueller Stand: In Kraft. Geprüft wird aktuell eine Ausweitung auf Autoteile und E-Fahrzeuge, insbesondere aus der EU und Japan.

🏗️ Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte
Ankündigung: 10. Februar 2025
Zollsatz: Bis zu 25 %
Inkrafttreten: 12. März 2025
Aktueller Stand: In Kraft. Betroffen sind auch EU-Produkte; Ausnahmen für bestimmte Rüstungsgüter in Diskussion.

🇲🇽🇨🇦 Zölle auf Importe aus Mexiko und Kanada
Ankündigung: 1. Februar 2025
Zollsatz: Bis zu 25 % auf alle Warengruppen, 10 % auf Energieexporte
Inkrafttreten: Teilweise ab 4. März 2025
Aktueller Stand: Teils ausgesetzt. Verhandlungen über neue Quotenregelungen laufen; umfassendes USMCA-Update angekündigt, aber bisher ohne Ergebnis.

🇨🇳 Zölle auf chinesische Importe
Angekündigt: Februar 2025 – mehrfach angepasst
Aktueller Stand: In Kraft. Der Basiszoll für chinesische Produkte liegt derzeit bei 30 %, für besonders sensible Warengruppen (z. B. Elektronik, Pharma, E-Mobilität) gelten zusätzliche Strafzölle von bis zu 25 %. In der Spitze ergibt sich so eine Gesamtbelastung von bis zu 55 %.
Ein im Juni erzieltes Zwischenabkommen brachte keine Entlastung – die ursprünglich angedrohten 125 % wurden zwar nicht umgesetzt, aber auch nicht offiziell zurückgenommen. Weitere Eskalationen bleiben möglich.

🇪🇺 Zölle auf europäische Produkte
Ankündigung: 2. Februar 2025
Geplante Zollsätze: Bis zu 30 % auf alle Warengruppen – Autos, Maschinen, Pharma, Lebensmittel
Aktueller Stand: Derzeit ausgesetzt bis 1. August. Hintergrund: Keine Handelsdeals im Rahmen von Trumps „90 Deals in 90 Days“-Strategie abgeschlossen. Verhandlungen laufen schleppend. Die EU bereitet Gegenmaßnahmen vor.

🛢️ Zölle auf russische Ölimporte
Ankündigung: 2. April 2025
Geplanter Satz: 25 %
Aktueller Stand: Noch nicht in Kraft. Ziel: Sanktionierung russischer Energieexporte über Drittstaaten. Aktivierung jederzeit möglich.

🛢️ Zölle auf venezolanische Ölimporte
Ankündigung: März 2025
Zollsatz: 25 %
Inkrafttreten: 24. März 2025
Aktueller Stand: In Kraft. Trifft vor allem chinesische und indische Importeure, auch über Drittrouten.

Ein Stahlarbeiter überwacht den glühenden Hochofen – Trumps Zölle bringen Europas Metallindustrie unter Druck.

- © Laurentiu Iordache - stock.adobe.com

US-Zölle gegen Stahl- und Aluminium

Seit dem 12. März 2025 gelten in den USA Importzölle in Höhe von 25 Prozent auf sämtliche Stahl- und Aluminiumprodukte. Anfang Juni wurden diese Zölle auf 50 Prozent erhöht – ein drastischer Schritt, der weltweit für wirtschaftliche und diplomatische Spannungen sorgte. Rund die Hälfte des in den USA verarbeiteten Stahls und Aluminiums stammt aus dem Ausland. Die wichtigsten Lieferländer sind nach wie vor Kanada, Brasilien und die Europäische Union.

Kanada hatte zunächst mit Gegenmaßnahmen gedroht, unter anderem mit 25-Prozent-Zöllen auf US-Produkte und regionalen Aufschlägen auf Stromexporte in US-Bundesstaaten. Doch im Juli nahm die Regierung in Ottawa Abstand von einem direkten Gegenschlag – behält sich aber Gegenmaßnahmen ausdrücklich vor, sollte es bis Ende des Monats zu keiner Einigung kommen.

Auch die Europäische Union reagierte vorsichtig. Die ursprünglich für April geplanten Vergeltungszölle – etwa auf US-Whiskey, Jeans und Motorräder – wurden um 90 Tage verschoben, um Raum für weitere Verhandlungen zu schaffen. Eine Ausweitung der Zölle bleibt ausdrücklich möglich. Brüssel hält zudem eigene Strafmaßnahmen in der Hinterhand, sollte Washington seine Linie verschärfen. Nach dem erneuten Aufschub von weiteren Zöllen von Seiten der USA verlängerte auch die EU die Zolldrohung bis Anfang August.

Ein weiterer Eskalationspunkt ist Trumps Drohung, Importzölle von bis zu 200 Prozent auf europäische alkoholische Getränke wie Wein und Champagner zu verhängen. Für manche Unternehmen in der EU wäre das wirtschaftlich gravierend: Allein 2023 exportierte sie entsprechende Produkte im Wert von knapp 5,2 Milliarden Euro in die USA.

>>> Trumps Stahlzölle treffen Europas Industrie – wie Unternehmen in Deutschland und Österreich jetzt reagieren.

 

EU-Exporte 2023: Die USA sind mit 503,8 Mrd. Euro der wichtigste und am schnellsten wachsende Handelspartner

- © Dominique Otto

USA bleibt wichtigster und dynamischster Exportmarkt der EU – trotz Handelsrisiken

Die USA sind mit Abstand der bedeutendste Handelspartner der Europäischen Union. Laut Eurostat exportierten die EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2023 Waren im Wert von 503,8 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten – deutlich mehr als in jedes andere Land. An zweiter Stelle folgt das Vereinigte Königreich mit 336,2 Milliarden Euro, danach China mit 223,4 Milliarden, die Schweiz mit 188,9 Milliarden, die Türkei mit 111,4 Milliarden und Japan mit 64,0 Milliarden Euro.

Auch beim Exportwachstum liegen die USA an der Spitze: Seit 2010 haben sich die EU-Ausfuhren in die Vereinigten Staaten mehr als verdoppelt – ein Anstieg um 148,3 Prozent. Zum Vergleich: Die Exporte nach China legten im selben Zeitraum „nur“ um 112,5 Prozent zu.

Die USA sind damit nicht nur der größte, sondern auch der wachstumsstärkste Absatzmarkt für europäische Produkte. Dass solche Zahlen in Washington nicht überall auf Begeisterung stoßen – unabhängig vom Präsidenten – dürfte kaum überraschen.

>>> Trump verschärft den Handelsstreit mit China – und Europa gerät zwischen die Fronten.

Importe und Exporte der EU27-Staaten mit den USA (in Mrd. Euro)

- © Dominique Otto

Trump wollte schon einmal das US-Handelsdefizit senken – und ist damit gescheitert

Bereits während Trumps erster Amtszeit versuchte seine Regierung, das Handelsdefizit mit der EU zu verringern – unter anderem durch Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Der gewünschte Effekt blieb jedoch aus. Im Gegenteil: Die Exporte der EU in die USA stiegen trotz Handelsbarrieren und Pandemie deutlich an – von 324,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 399,5 Milliarden Euro im Jahr 2021, ein Plus von 23,2 Prozent.

Im selben Zeitraum legten die US-Exporte nach Europa nur um 14,3 Prozent zu – von 203,5 auf 232,6 Milliarden Euro. Unter Präsident Biden wuchs der transatlantische Handel zunächst stark, normalisierte sich dann jedoch wieder mit der konjunkturellen Abkühlung. Trumps Ziel, das Handelsdefizit mit Europa nachhaltig zu senken, blieb also klar verfehlt.

Zölle belasten US-Wirtschaft: Wachstum schwächt sich ab, Inflation steigt

Die Federal Reserve hat ihre Wirtschaftsprognosen zuletzt deutlich nach unten korrigiert – auch mit Blick auf die wachsenden Unsicherheiten durch Trumps Zollpolitik. Für das laufende Jahr 2025 rechnet die Notenbank nur noch mit einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent, nach zuvor prognostizierten 1,7 Prozent. Gleichzeitig steigt die Inflation weiter: Die Fed erwartet für 2025 eine Gesamtinflation von 3,0 Prozent und eine Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) von 3,1 Prozent – beide Werte liegen deutlich über dem langfristigen Ziel von 2 Prozent. Die Arbeitslosenquote soll bis Jahresende auf 4,5 Prozent ansteigen.

In ihrer Juni-Sitzung betonte Fed-Chef Jerome Powell, dass die Zollpolitik der Regierung ein nicht zu unterschätzendes Inflationsrisiko darstelle – vor allem durch die Verteuerung von Importen und gestörte Lieferketten. Zinssenkungen hält die Notenbank zwar für möglich, plant diese aber vorsichtig und eher in der zweiten Jahreshälfte – abhängig von der Inflationsentwicklung. Damit bleibt der geldpolitische Kurs restriktiv – trotz wachsender Belastungen für Verbraucher und Unternehmen.

>>> Kanada reagiert auf Trumps Metallzölle – Milliarden-Gegenzölle auf US-Produkte treten in Kraft.

Trumps Machtspiel mit Brasilien: Droht Bolsonaro ein 50 %-Strafzoll?

Ein zentrales Argument, mit dem Donald Trump seine aggressive Zollpolitik rechtfertigt, ist der angebliche Kampf gegen den Fentanyl-Schmuggel in die USA. Er behauptet, Länder wie China und Mexiko würden nicht genug gegen die Produktion oder den illegalen Export der synthetischen Droge unternehmen – und droht mit Zöllen als „Druckmittel“ zur Kooperation. Auch Kanada wurde dabei in den Kontext gezogen, obwohl laut US-Zollbehörden nur ein winziges Promille an Fentanylimporten aus Kanada stammt. Der Vorwurf bleibt faktisch unhaltbar.

Zwar ist Fentanyl in der Tat eine große Gefahr: 2023 starben in den USA mehr als 70.000 Menschen durch Überdosierung mit synthetischen Opioiden wie Fentanyl. Doch die Ursachen liegen in globalen Schmuggelrouten, kriminellen Netzwerken in Mexiko und chinesischen Chemievorstufen. Experten warnen, dass Handelszölle auf legale Waren wie Autos oder Pharmaprodukte das Drogenproblem nicht lösen, sondern lediglich als Alibi dienen – während das tatsächliche Problem bestehen bleibt.

Bei der EU fehlt inzwischen jede nachvollziehbare Begründung für Trumps Drohkulisse. Statt realer Argumente heißt es nur noch, die EU sei „gemein“ oder „unfair“. Der Fall Brasilien verdeutlicht das politische Kalkül: Trump verhängte ohne wirtschaftliche Begründung 50 % Zölle auf alle Waren, offenbar als Reaktion auf das Gerichtsverfahren gegen Ex‑Präsident Bolsonaro, den er politisch unterstützt. 

Trumps jüngste Maßnahmen zeigen deutlich: Zölle dienen ihm längst nicht mehr als wirtschaftliches Instrument – sondern als politisches Druckmittel, das er nach Belieben einsetzt.

Zollstreit als politisches Theater: Europa erfüllt längst Trumps Forderungen

Die von Trump verhängte Zollpause läuft am 1. August aus – bis dahin erwartet die US-Regierung ein Entgegenkommen der EU. Doch ein belastbares Abkommen liegt nicht auf dem Tisch. Statt konstruktiver Verhandlungen dominiert politische Rhetorik. Europa steht damit vor einer unangenehmen Wahl: Entweder es akzeptiert symbolische Zugeständnisse, oder es riskiert flächendeckende Strafzölle auf Autos, Maschinen, Pharma und Lebensmittel.

Doch vielleicht ist die Entscheidung längst gefallen – nur nicht offen ausgesprochen. Die EU importiert bereits so viel US-Flüssiggas wie nie zuvor, und durch die sicherheitspolitische Neuausrichtung infolge des Ukrainekriegs rüstet sie zunehmend bei US-Rüstungsfirmen auf. Was Trump öffentlich einfordert, passiert hinter den Kulissen ohnehin – aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, sicherheitspolitischer Abhängigkeit oder politischem Kalkül. Insofern wirkt der Zollstreit mehr und mehr wie ein inszeniertes Schauspiel, dessen Ergebnis längst feststeht: Die EU tut, was die USA wollen – und Trumps Zölle bleiben Drohkulisse mit Ablaufdatum.

Video: Drohkulisse oder Strategie? Welche Rolle Europa im US-Handelskonflikt spielt

Die transatlantischen Handelsbeziehungen stehen erneut unter Druck: Donald Trump droht der EU mit flächendeckenden Zöllen – auf Autos, Maschinen, Lebensmittel und Pharma-Produkte. In diesem Video analysiert das INDUSTRIEMAGAZIN, wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA in den vergangenen Jahren entwickelt haben, warum Trump seine Zollpolitik zunehmend politisch begründet und welche Rolle Energieimporte, Rüstungsgeschäfte und geopolitische Interessen dabei spielen. Ist das nur ein erneuter Showdown – oder steckt mehr dahinter? Ein Blick hinter die Kulissen des transatlantischen Handelskonflikts.