Temu Logistik Österreich : Temu-Lager in Wien: Ermittler enthüllen massiven Sozialbetrug bei Subunternehmen

Orange Temu Package close up - Delligsen, Germany, January 15, 2024
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Große Online-Billigplattformen aus China nutzen in den Empfängerländern ihrer Waren lokale Dienstleister, um ihre Aufträge abzuwickeln – dabei halten sich diese Firmen nicht immer an geltende gesetzliche Vorgaben. Wie das Finanzministerium am Dienstag mitteilte, hat die Finanzpolizei bei einer Kontrolle im August in einer Lagerhalle in Wien-Floridsdorf umfangreiche Verstöße gegen arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften festgestellt.

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Bei der kontrollierten Lagerhalle handelt es sich um eine Betriebsstätte der Clevy Ltd., wie die Tageszeitung Der Standard bereits am Montag berichtete. Das Unternehmen mit Sitz im britischen Farnham unterhält darüber hinaus Holdings auf den Cayman Islands und in Hongkong und ist in mehreren Ländern tätig – darunter Frankreich, die Schweiz und Slowenien.

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Prekäre Jobs für schnellen Versand: Kritik an Logistikmodellen von Temu & Co.

Die Clevy Ltd. ist Teil eines global agierenden Logistiknetzwerks, das insbesondere für chinesische Online-Plattformen wie Temu, Shein oder AliExpress arbeitet. Diese Unternehmen setzen auf extrem günstige Preise und hohe Versandvolumina, was sie auf kosteneffiziente Logistikpartner in Europa angewiesen macht. Dabei geraten zunehmend Anbieter in den Fokus, die mit prekären Arbeitsverhältnissen operieren und gesetzliche Grauzonen ausnutzen. Kritiker bemängeln, dass dieses Geschäftsmodell langfristig lokale Arbeitsmärkte und faire Wettbewerbsbedingungen untergräbt.

Scheinselbstständigkeit vermutet: Nur zwei von elf Arbeitern waren korrekt angemeldet

Laut Finanzministerium treten vergleichbare Firmen in der gesamten EU immer wieder mit ähnlichen Verstößen in Erscheinung. Bei der Kontrolle wurden insgesamt 14 Personen angetroffen. Von diesen standen lediglich drei in einem direkten Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmen – allerdings war eine dieser Personen nicht ordnungsgemäß sozialversichert. Als Begründung gab Clevy an, es habe sich um einen Probetag gehandelt.

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Die übrigen elf angetroffenen Personen waren über das Grazer Subunternehmen Wherhouse Eleni beschäftigt, von denen wiederum nur zwei korrekt angemeldet waren. Der Großteil der Arbeiterinnen und Arbeiter erklärte, als Freelancer tätig zu sein und einen Stundenlohn zwischen 9 und 10 Euro zu erhalten. Diese Arbeitsverhältnisse wurden von den Behörden jedoch als Scheinselbstständigkeit gewertet.

Da alle kontrollierten Beschäftigten lediglich über Aufenthaltstitel anderer EU-Staaten verfügten, wurde auch die Polizei eingeschaltet. Neben fremdenpolizeilichen Maßnahmen wurde gegen das Hauptunternehmen sowie das Subunternehmen ein Strafantrag nach dem Sozialversicherungsgesetz eingebracht. Zusätzlich muss sich Wherhouse Eleni wegen Verstößen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verantworten. Bereits im Sommer hatte das Arbeitsinspektorat bei einer Überprüfung des Lagers mehrere Verletzungen der Arbeitsschutzvorschriften festgestellt.

Für heimische Unternehmen, die sich an alle arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften halten, entstehen durch solche Praktiken klare Wettbewerbsnachteile. Während Billig-Anbieter Personalkosten durch fragwürdige Konstruktionen massiv senken, sehen sich regulär arbeitende Betriebe mit hohen Lohn- und Abgabenlasten konfrontiert. Branchenvertreter fordern daher nicht nur schärfere Kontrollen, sondern auch Maßnahmen gegen Dumpingpreise im Onlinehandel. „Wenn der Preis nur über Ausbeutung zustande kommt, zahlen letztlich alle drauf“, warnt ein Sprecher der Wirtschaftskammer.

Die Arbeiter im Warehouse der Firma Clevy Ltd in Wien-Floridsdorf berichteten von schonungsloser Ausbeutung (Symbolbild)

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Schärfere Töne gegen Steuerbetrug: Regierung will faire Wettbewerbsbedingungen sichern

Die Aufdeckung der Missstände in Wien verdeutlicht ein strukturelles Problem: Die Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Behörden – von der Finanzpolizei über das Arbeitsinspektorat bis hin zur Fremdenpolizei – erschweren koordinierte Kontrollen. Zudem sind viele der betroffenen Firmen über komplexe internationale Firmenkonstrukte organisiert, was die Verfolgung von Verstößen zusätzlich erschwert. „Die Globalisierung darf kein Freibrief für Rechtsbruch sein“, heißt es aus dem Umfeld der Kontrollbehörden. Forderungen nach strengeren EU-weiten Regelungen werden deshalb lauter.

Die aktuelle Kontrolle könnte politische Folgen haben. Im Parlament wird bereits über gesetzliche Nachschärfungen diskutiert, etwa bei der Kontrolle von Subunternehmen oder bei der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften. Auch ein verstärkter Fokus auf Scheinselbstständigkeit wird angestrebt. Arbeitsministerin Schumann kündigte an, das Thema beim nächsten EU-Arbeitsministertreffen auf die Agenda zu setzen. „Wir brauchen klare, verbindliche Standards für faire Arbeit – auch im Onlinehandel.“

„Toleranz gegenüber Steuerbetrug können wir uns nicht leisten“, erklärte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) im Zuge der Veröffentlichung. „Betrug darf sich nicht lohnen, das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Auch Arbeitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) betonte die Bedeutung fairer Bedingungen: Nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Unternehmen seien Leidtragende, „sondern auch jene Betriebe, die sich an die Regeln halten“.

Finanzminister Markus Marterbauer: "Betrug darf sich nicht lohnen, das ist eine Frage der Gerechtigkeit."

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Serie Junge Führungskräfte