Rüstungsindustrie : Rheinmetall macht Ernst: Autogeschäft wird abgestoßen
Rheinmetall verkauft seine Autosparte
- © RheinmetallDer deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall plant, sich vollständig auf sein Kerngeschäft im Verteidigungsbereich zu konzentrieren und daher das zivile Geschäftsfeld zu veräußern. Wie das Unternehmen am Mittwochabend bekanntgab, laufen derzeit Verkaufsverhandlungen mit zwei potenziellen Käufern. Eine Vertragsunterzeichnung ist für das erste Quartal 2026 vorgesehen. Laut Rheinmetall finden bereits seit April Gespräche mit Interessenten statt.
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Zum Verkauf steht vor allem der Bereich der Autozulieferung sowie Komponenten für die Energiewirtschaft. Die betroffene Sparte „Power Systems“ samt zugehöriger Gesellschaften wird ab sofort bilanziell vom Konzern getrennt und als nicht fortgeführter Geschäftsbereich ausgewiesen. Infolgedessen hat Rheinmetall seine Prognosen angepasst.
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Ausblick auf Rüstungsgeschäft sorgt für Stirnrunzeln
Spekulationen über einen möglichen Verkauf dieses Bereichs gibt es bereits seit einiger Zeit. Die Börsenreaktion auf die Mitteilung fiel entsprechend verhalten aus – die im DAX notierte Aktie zeigte am Donnerstag nur geringe Bewegung. Barclays-Analyst Afonso Osorio sprach von „einem Schritt in die richtige Richtung“. Schon seit längerem bestimmt die Entwicklung der Rüstungssparte maßgeblich die Bewertung des Unternehmens an der Börse. Daher richtete sich die Aufmerksamkeit der Analysten vor allem auf den neuen Ausblick: Dieser liegt laut David H. Perry von JPMorgan beim fortgeführten Rüstungsgeschäft auf Umsatzebene rund fünf Prozent unter den bisherigen Zielen. Chloe Lemarie von Jefferies begründet dies mit „Gegenwind in einem Werk im spanischen Murcia“ sowie weiteren Verzögerungen.
Autozulieferung schwächelt – Rüstungsbereiche wachsen rasant
Die wirtschaftliche Entwicklung des Automobilgeschäfts liefert dem Management weitere Argumente für einen Verkauf. Zwar erwirtschaftet Power Systems mit rund zwei Milliarden Euro noch immer etwa 20 Prozent des Konzernumsatzes, doch das Wachstum stagniert, und die Margen bleiben deutlich hinter dem Verteidigungsgeschäft zurück. Während die operative Marge im Rüstungssegment bei 19 Prozent liegt, kommt die Autosparte lediglich auf 4,2 Prozent.
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Hinzu kommt ein spürbarer Rückgang der Aufträge: 2024 gingen die Bestellungen im Automobilbereich um über zwei Prozent zurück. Gleichzeitig legten die Bereiche Munition, Rüstungselektronik sowie geschützte Fahrzeuge um 30 bis 60 Prozent zu – Tendenz weiter steigend.
Ein möglicher Verkauf der zivilen Sparte würde Rheinmetall nicht nur von einem zunehmend rückläufigen Geschäftsfeld entlasten, sondern auch die Position als reiner Rüstungskonzern – ein sogenannter „Pure Player“ – stärken. Dies dürfte insbesondere für Investoren attraktiv sein, Rdie gezielt in sicherheits- und verteidigungspolitische Märkte investieren wollen. Auch im internationalen Wettbewerb könnte Rheinmetall davon profitieren. In den USA etwa sind spezialisierte Anbieter besser positioniert, um große Militäraufträge zu erhalten. Der Konzern kooperiert dort bereits mit Lockheed Martin und bewirbt sich unter anderem um Lieferaufträge für geschützte Fahrzeuge an die US-Army.
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Was gehört zur Autosparte von Rheinmetall?
Die Autosparte von Rheinmetall, die unter dem Namen „Power Systems“ firmiert, umfasst mehrere Unternehmen und Produktionsbereiche, die auf die Fertigung von Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert sind. Sie richtet sich an die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie sowie teilweise auch an industrielle Anwendungen. Im Einzelnen gehören dazu:
Abgasrückführungssysteme
Rheinmetall ist ein weltweit führender Anbieter in diesem Bereich. Diese Systeme reduzieren Stickoxide (NOx) in Diesel- und Benzinmotoren und sind ein zentraler Bestandteil moderner Abgasnachbehandlung.
Magnetventile und elektrische Pumpen
Diese Komponenten regeln und optimieren den Kraftstoff- und Ölkreislauf in Fahrzeugen. Sie sind notwendig für eine effiziente Motorsteuerung und Emissionsreduktion.
Kolben
Rheinmetall hat eine lange Tradition in der Herstellung von Kolben für Pkw, Nutzfahrzeuge und Industrieanwendungen. Die Kolbensparte wurde allerdings bereits in Teilen verkauft (2022 und 2024), sie gehörte früher zur Gruppe.
Zylinderköpfe (vor allem in China)
Diese komplexen Bauteile sind entscheidend für die Verbrennungseffizienz und Motorleistung.
Öl- und Vakuumpumpen, Thermomanagement-Systeme
Weitere Produkte, die für die Funktionalität, Effizienz und Lebensdauer von Verbrennungsmotoren sorgen.
Gewerkschaft gegen Verkauf – IG Metall setzt auf Konversion statt Trennung
Obwohl die wirtschaftlichen Zahlen für einen Verkauf der Sparte sprechen, regt sich innerhalb des Konzerns auch Widerstand. Die IG Metall sowie Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat plädieren für den Verbleib des Autogeschäfts bei Rheinmetall. Sie favorisieren eine sogenannte Konversion, also die schrittweise Umwandlung von bestehenden Standorten in Fertigungsstätten für Rüstungsgüter.
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Tatsächlich wird dieser Weg bereits teilweise beschritten: Zwei Werke des Bereichs Power Systems in Berlin und Neuss werden derzeit für die Produktion militärischer Güter umgerüstet. Doch eine umfassende Konversion aller Standorte gilt als technisch und wirtschaftlich nur begrenzt realisierbar. Bereits in den Jahren 2022 und 2024 hatte Rheinmetall sich von Unternehmensteilen im Kolbengeschäft getrennt – ein Schritt, der als Vorbereitung auf die nun angestrebte Fokussierung gewertet werden kann.
Rheinmetall plant Umsatzverfünffachung
Wie Perry weiter erläuterte, bleibt der operative Gewinn (EBITA) schwer einzuschätzen, da Rheinmetall bislang keine konkrete Margenprognose für den Verteidigungsbereich veröffentlicht hat. Dagegen erwartet das Unternehmen beim freien Barmittelfluss eine deutlich bessere Entwicklung als bislang angenommen.
Für das laufende Jahr rechnet Rheinmetall bei den fortgeführten Geschäftsbereichen mit einem Umsatzwachstum von 30 bis 35 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Vorjahreswert von 7,7 Milliarden Euro. Die operative Ergebnismarge soll laut CEO Armin Papperger zwischen 18,5 und 19 Prozent liegen – nach 18 Prozent im Vorjahr. Zuvor hatte das Unternehmen für den Gesamtkonzern ein Umsatzplus von 25 bis 30 Prozent und eine Marge von rund 15,5 Prozent in Aussicht gestellt.
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Rheinmetall profitiert stark vom anhaltenden Aufschwung in der Rüstungsindustrie und verfolgt ambitionierte Wachstumspläne: Innerhalb von sechs Jahren soll der Umsatz auf etwa 50 Milliarden Euro steigen – eine Verfünffachung gegenüber dem aktuellen Niveau. Angesichts des Kriegs in der Ukraine verzeichnet der Konzern eine stark gestiegene Nachfrage nach Artillerie, Munition, Luftabwehrsystemen und Panzern. Rheinmetall liefert sowohl direkt an die Ukraine als auch an NATO-Staaten, die ihre Lager auffüllen und ihre Streitkräfte modernisieren, um sich gegen potenzielle Bedrohungen aus Russland zu wappnen. Im Zuge dessen sollen die Produktionskapazitäten deutlich ausgebaut werden.
Was bedeutet das für das Rheinmetall/MAN-Werk in Wien?
Das geplante Ausgliedern und der mögliche Verkauf der zivilen Autosparte von Rheinmetall wirft viele Fragen zur Zukunft einzelner Standorte auf. Für das MAN-Rheinmetall-Werk in Wien sind jedoch keine direkten Auswirkungen zu erwarten. Der Standort ist nicht Teil der zum Verkauf stehenden Sparte „Power Systems“, sondern gehört zur Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV), einem Joint Venture zwischen Rheinmetall und MAN Truck & Bus. Die RMMV in Wien ist integraler Bestandteil des militärischen Kerngeschäfts und fokussiert sich auf die Entwicklung und Produktion militärischer Logistikfahrzeuge, darunter geschützte Lkw-Modelle der HX-Serie, Tankfahrzeuge, Werkstattlösungen sowie Plattformen für mobile Waffensysteme.