Interview : FACC-Chef Machtlinger: "Natürlich können wir aus fossiler Energie aussteigen“

Facc-Chef Robert Machtlinger: "Wir haben das durchgerechnet"
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Facc-Chef Robert Machtlinger: "Wir haben das durchgerechnet"
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Ganz leicht ist es nicht, einen freien Slot für das Gespräch mit Robert Machtlinger zu finden. Wie bei vielen anderen CEOs ist sein Terminkalender dieser Tage besonders eng getaktet. Denn Putins Ukraine-Feldzug sorgt auch im Headquarter des Flugzeugkomponentenhersteller FACC für einige dringende Fragen. Werden die Lieferketten halten? Wird genug Energie für die Produktion zur Verfügung stehen? Und wie könnten Notfallpläne aussehen?
Es ist nicht die erste Krise, durch die Machtlinger die FACC navigieren muss. CEO geworden ist der frühere Technikvorstand Machtliner 2017, als es galt, das Unternehmen nach dem Fake-President-Fraud um Firmengründer Walter Stephan wieder in ruhige Gewässer zu bringen. Machtlinger löste die Aufgabe mit einer Mischung aus Ruhe, Zuversicht und positiver Kommunikation – die FACC-Aktie stieg in lichte Höhen. Dann kam die Corona-Pandemie. Und jetzt sieht sich die Branche mit dem Krieg in der Ukraine konfrontiert, der eine Ungewissheit mit sich brachte, wie sie die globale Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat.
Machtlinger bleibt von alldem natürlich nicht unberührt. Und er kommentiert die Lage auch überaus pointiert. Ein mögliches europäisches Gasembargo bezeichnet er im Gespräch mit dem INDUSTRIEMAGAZIN zum Beispiel als einen „Schuss ins Knie, der für Europa einen immensen wirtschaftlichen Schaden bedeuten würde.“
Minuziös rechnet Machtlinger auch vor, was die FACC im Fall eines Lieferstopps tun könnte, um dennoch weiter zu produzieren. Doch schon zwei Sätze später ist er wieder mit Zukunftschancen beschäftigt, damit zum Beispiel wie ein Mix aus Geothermie, Photovoltaik, Biogas, Biomasse und entsprechenden Speichertechnologien sein Unternehmen energieautark machen kann. Vielleicht wirkt Machtlinger, so der paradoxe Gedanke am Ende des Gesprächs, ja gerade deshalb so visionär, weil er ein ziemlich kühl rechnender Techniker ist.
Herr Machtlinger, beginnen wir mit einer Frage, die derzeit fast alle CEOs umtreibt: Ist Ihr Unternehmen autark genug, um auch ohne russisches Erdgas weiterproduzieren zu können?
Robert Machtlinger: Autark sind wir nicht, aber wir könnten das fehlende Gas ersetzen. Das liegt auch daran, dass wir nicht übermäßig energieintensiv sind. Um es an den aktuellen Zahlen festzumachen: Bei 500 Millionen Euro Umsatz hatten wir einen Gesamtenergieverbrauch von 77 GW/h. Davon ist ungefähr die Hälfte elektrische Energie, die wir für CNC-Anlagen, die Beleuchtung, die IT und so weiter brauchen. Die andere Hälfte ist Prozesswärme. Rund 16 GW/h dieser Wärme gewinnen wir aus Geothermie, noch einmal die gleiche Menge aus Gas.
Und dieses Gas könnten Sie ersetzen?
Machtlinger: Ja, wir könnten auf Ölbrenneranlagen zurückgreifen. Wir müssten unserer Anlagen etwas umrüsten und investieren, aber es wäre möglich. Wir haben das durchgerechnet, wir hätten dann einen Ölbedarf von rund 7.700 Liter Öl pro Tag. Das sind Mengen, die am Markt auch zu beschaffen sind. Natürlich ist das kein Szenario, das wir uns wünschen, denn es entspricht ganz und gar nicht unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Letztlich bleibt aber auch hier die Frage offen, wie der Energielenkungsprozess im Notfall funktioniert und ob wir durch diesen nicht gezwungen werden würden, unseren Betrieb trotz eines Gas Backup Systems einzustellen.
Womit Sie sich wohl als ein Gegner eines Gas-Embargos positionieren. Weil Gas für die Industrie schlicht und einfach unverzichtbar ist?
Machtlinger: Ich formuliere es drastisch: ein Gas-Embargo wäre ein Schuss ins Knie. Ich weiß nicht, ob ein Embargo den Krieg auch nur um einen Tag verkürzen würde, ich weiß aber, dass es einen immensen wirtschaftlichen Schaden für Europa anrichten würde. Dass Gas für die Industrie langfristig unverzichtbar wäre, das meine ich allerdings nicht. Im Gegenteil. Es wird nicht von heute auf morgen gehen, ich bin aber absolut sicher, dass ein Ausstieg aus fossiler Energie natürlich möglich ist und damit auch ein Ende der Abhängigkeit von Russland oder anderen Ländern.
Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Machtlinger: Aus der Geschichte. Der Mensch hat es bislang immer geschafft, sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Wir brauchen da gar nicht weit zurückgehen. Denken Sie an den sauren Regen und die toten Flüsse in den siebziger und achtziger Jahren, an die immense Luftverschmutzung damals. Das war katastrophal. Ich kann mich noch gut daran erinnern, weil mich das als Jugendlichen sehr betroffen gemacht hat. Heute sind unsere Gewässer, die Luft, die Wälder im Wesentlichen wieder in Ordnung – dank technischer Weiterentwicklungen wie zum Beispiel Klär- und Filteranlagen. Warum sollte technischer Fortschritt nicht auch beim Kampf gegen Klimawandel funktionieren? Wie gesagt: Es wird nicht von heute auf morgen gehen, aber es wird gehen. Ich bin davon überzeugt, weil ich als Techniker einfach an den Fortschritt glaube.
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Die FACC hat ja schon früh begonnen, Geothermie als Energiequelle für die Produktion zu nutzen. Das klingt eher nach Island denn Österreich.
Machtlinger: Wir haben das Glück, dass wir in einem Gebiet angesiedelt sind, wo in über tausend Meter Tiefe ein riesiger Heißwassersee vorhanden ist. Die oberösterreichischen Thermen Geinberg und Schallerbach verwenden übrigens dieses Wasser. Wir haben bereits 2006, beim Bau unseres Werks IV geprüft, ob wir diese Ressource ebenfalls nutzen könnten und hatten Erfolg – es funktioniert und wurde auch, übrigens sehr zügig, von der Behörde erlaubt. Das Wasser kommt mit einem Überdruck und einer Temperatur von rund 100 Grad Celsius aus der Erde. 100 Prozent der Raumwärme und der Klimatisierung unsere Betriebstätten decken wir mit dieser Energiequelle. Bei der Prozesswärme müssen wir es zwar noch immer aufheizen, weil wir als Prozesstemperatur etwa 200 Grad brauchen, aber wir sparen so jede Menge Energie. Wir haben in den letzten Jahren auch die anderen Werke in Österreich auf Geothermie umgestellt. Besonders stolz sind wir auf die im Jahr 2015 fertiggestellte Umrüstung unseres Werk 1 in Ried und des FACC Headquarters.
Um auf die nötige Temperatur zu kommen, brauchen Sie am Ende aber eben doch Gas.
Machtlinger: Ja, im Moment schon noch. Bis 2040 werden wir aber CO2-neutral sein. Das ist technisch machbar, wenn man langfristig auf einen Mix verschiedener Technologien setzt. Da werden Photovoltaik, Wasserstoff, Biogas und Biomasse eine Rolle spielen. Wie dieser Mix konkret aussehen wird, ist in Ausarbeitung und wird in Stufen umgesetzt. Wir haben 2015 ein Entwicklungszentrum eröffnet, das übrigens schon jetzt zu hundert Prozent energieautark ist. Dort arbeiten rund 400 Forscherinnen und Forscher unter anderem auch daran, wie die Luftfahrtindustrie zukünftig C02 neutral funktionieren wird.
Weil Sie Photovoltaik sagen: So viele Dächer können Sie gar nicht haben, um auf diese Weise Ihren Energiebedarf zu decken.
Machtlinger: Es stimmt, mit Dachflächen allein wird es nicht gehen. Wobei: Ganz unerheblich ist die Menge, die auf diese Weise erreichbar ist, nicht. Wir sind derzeit dabei, alle für PV geeigneten Dachflächen mit Paneelen zu bestücken und werden so immerhin auf eine Leistung von bis zu 2 GW/h kommen. Längerfristig, zum Beispiel wenn wir unsere Parkplätze überdachen, könnten wir rund zehn Prozent unseres Strombedarfs aus Photovoltaik decken. Soll es mehr sein, muss es in Richtung Freiflächen gehen. Die hat nicht jedes Unternehmen. Deshalb werden Unternehmen in Zukunft verstärkt Energiegemeinschaften gründen. Wir haben auch da schon seit einigen Jahren Initiativen gestartet.
Der Klimanutzen von PV-Gemeinschaften und Geothermie ist unbestritten, der ökonomische war bis vor Kurzem, bis die Strompreise massiv anzogen, aber nicht unbedingt offensichtlich.
Machtlinger: Das würde ich nicht sagen. Wir haben zwischen 2012 und 2019 unsere Produktionsleistung verdoppelt, die Energiekosten sind aber mit rund acht bis zehn Millionen Euro konstant geblieben. Das ging, weil wir in der Produktion energieeffizienter geworden sind, aber auch, weil wir selber nichtfossile Energie gewinnen. Auf der anderen Seite sind wir schon bereit, auch gewisse Mehrkosten in Kauf zu nehmen, um CO2-neutral zu werden. Wir kaufen zum Beispiel nur grünen Strom zu, obwohl das etwas teurer ist.
Um auf die aktuelle Krise zurückzukommen. Die FACC kann notfalls ohne russisches Erdgas auskommen. Werden aber auch Ihre Zulieferer im Ernstfall weiterproduzieren können?
Machtlinger: Wir gehen davon aus. Das wichtigste Material, das wir verarbeiten sind Carbonfasern. Diese kommen mehrheitlich aus Ländern, die von einem Lieferstopp für russisches Erdgas nicht so stark betroffen wären: aus den USA, aus Japan, Frankreich und Großbritannien. Bei der Lieferkettenfrage kommt uns außerdem zugute, dass andere Industrien zwar auch Carbonfasern verwenden, aber in einer anderen Zusammensetzung als wir. Das heißt: Es gibt hier nicht so eine starke Konkurrenz der Abnehmer untereinander wie etwa in der Autoindustrie.
Klingt fast so, als ob die Krise Ihre Produktion gar nicht betreffen würde.
Machtlinger: Das stimmt natürlich nicht. Geht man in den Lieferketten weit genug herunter, zu den Rohmaterialien, dann betrifft es natürlich auch uns, wenn sich die Materialströme bei Bauxit und Aluminium verschieben. Nicht minder wichtig ist aber auch ein anderer Punkt: In der Flugzeugbranche gibt es normalerweise für jede Komponente nur einen Zulieferer. Kann nur ein einziger von ihnen nicht liefern, kann das Flugzeug nicht fertig gebaut werden. Je nachdem, was fehlt, steht dann die Produktion still und auch unsere Teile können nicht eingebaut werden. In den USA ist diese Gefahr im Moment geringer, in Europa können wir das letztlich nicht ausschließen.
Wie stark würde das die FACC treffen?
Machtlinger: Wir machen rund 55 Prozent unseres Umsatzes in Europa, Airbus ist unser wichtigster Einzelkunde, besonders stark sind wir an der Produktion des Modells A 320 beteiligt. Zulieferungen für den Airbus 320 machen 37 Prozent unseres Umsatzes aus. Kommt es hier zu Stau oder Produktionsausfällen, würde uns das treffen. Auf der anderen Seite haben wir mit dem Umsatz in Nordamerika, der die verbleibenden 45 Prozent ausmacht, auch eine wichtige regionale Diversifizierung.
ZUR PERSON
Robert Machtlinger (54) ist seit Februar 2017 Vorstandsvorsitzender der FACC AG. Er war zuvor bereits in verschiedensten Bereichen im Unternehmen tätig, bis er 2011 als Mitglied des Vorstands bestellt wurde.
ZUM UNTERNEHMEN
Die FACC AG zählt zu den weltweit führenden Aerospace Unternehmen und entwickelt, designt und fertigt fortschrittliche Leichtbausysteme für die Luft- und Raumfahrt.