Neuer Semperit-Chef über Transformation : Manfred Stanek: "Wir sind alle Opfer unserer Vorlieben und Vorurteile"

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„Ich bin ein starker Verfechter eines Nachfolgekomitees." Manfred Stanek

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9 Jahre arbeitete Manfred Stanek im oberösterreichischen Familienunternehmen Greiner AG. 2016 wurde er als CEO des Verpackungsunternehmens Greiner Packaging ins Unternehmen geholt, um es zukunftsfit zu machen, Umsätze und Profitabilität zu steigern. Unter seiner Leitung entwickelte sich die gesamte Sparte in Richtung Kreislaufwirtschaft. Er vollzog eine kulturelle Transformation, um Mitarbeiter ins Boot zu holen und als Verpackungsunternehmen von dem ungeliebten Plastikproduzenten zum „Teil der Lösung" und beliebten Arbeitgeber zu werden. Als er 2023 Vorstandsmitglied und COO der Greiner AG wurde, übernahm er zusätzlich das Interimsmanagement des Medizintechnikproduzenten Greiner Bio-One.

INDUSTRIEMAGAZIN:
Sie beschreiben ihren Führungsstil als transformativ, wie hat sich ihre eigene Entwicklung vollzogen?

Manfred Stanek: Ich habe meine Berufslaufbahn 1995, vor 29 Jahren, begonnen. Im ersten Jahrzehnt war die Führungskultur von direktiver Führung geprägt. Es gab eine Person, die ganz oben gesessen ist und alleEntscheidungen getroffen hat. Doch die Welt ist exponentiell komplexer geworden. Die Illusion, dass ein einzelner alles besser weiß und alle anderen anleitet, funktionierte nicht mehr. Und damit hat sich natürlich auch meine Führungsmethode zu einem verstärkt partizipativen Ansatz und letztlich zu einem transformativenFührungsstil geändert. Heute geht es nicht mehr allein darum, den Wert und die Profitabilität zu steigern. Zu den Wachstumszielen haben sich gesellschaftliche Ziele eingereiht.

Es geht auch darum, Industrien und Unternehmen zu transformieren, um den Menschen einen Purpose zu geben, an Zielen wie der CO₂-Neutralität zu arbeiten und die ESG-Gesetzgebung und Reportingpflichten einzuhalten. Das war in der Vergangenheit nicht so. Früher waren Unternehmensziele auf reines Umsatzwachstum und Gewinnmaximierung ausgerichtet. Heute gibt es zusätzlich einen gemeinsamen gesellschaftlichen Purpose in Unternehmen. Das bedeutet, dass Unternehmen und Geschäftsmodelle sich ändern und gesellschaftliche Ziele in die Strategie einbezogen werden müssen.

Sie waren 7 Jahre CEO von Greiner Packaging und zusätzlich zu ihrer Rolle als COO der Greiner AG auch ein Jahr Interims CEO von Greiner Bio-One. Welche Spuren haben Sie hinterlassen, welche Parallelen gibt es?

Stanek:
Ich kann zwei Dinge herausstreichen, die in meiner strategischen Arbeit parallel sind. Das Erste ist in der Organisation volle Transparenz walten zu lassen. Nicht nur mein Team und ich wissen, was eigentlich los ist, sondern ich habe es auch allen Mitarbeitern kommuniziert. Und das wieder und wieder. Bei Greiner Packaging haben wir eine extreme Umstellung Richtung Kreislaufwirtschaft vollzogen. Sie betraf jeden Bereich des Unternehmens, vom Einkauf, über die Produktion bis zum Vertrieb in einem 4.892 Personen Unternehmen mit weltweit 30 Niederlassungen. Das bedeutete, dass die „innerbetriebliche Lieferkette“ wirklich gut zusammenarbeiten und die Mitarbeiter diese Veränderung mittragen mussten. Die Lösung und das Erfolgskonzept waren Kommunikation, Transparenz und Aufnahme dieser Ziele in die persönlichen Zielvereinbarungen. Diese Maßnahmen waren für die Mitarbeiter das Signal, dass wir es ernst meinten und es sich nicht um eine vorübergehende Purpose-Modeerscheinung handelte.

Bei Bio-One (2.659 Mitarbeiter und 29 Standorte weltweit) arbeiteten wir ebenfalls an dieser innerbetrieblichen Lieferkette. Das Unternehmen war systemisch durch die Extremanforderungen und Schwankungen eines Medizintechnikunternehmens während und nach der Pandemie aus dem Lot geraten. Es ging nicht um Schuldzuweisung, sondern um gemeinsames Verständnis der Situation und darum, systemische Gründe transparent zu machen. In diesem Fall waren die Forecasts inakkurat, das ergab sich teilweise aus den Forecasts unserer Lieferanten, die auch mit Nachfrageschwankungen zu kämpfen hatten. In dem Moment, indem wir diese Diagnose stellten, konnten wir zielgerichtet einen starken Hebel ansetzen und so die Profitabilität des Unternehmens in kurzer Zeit verdoppeln. Die zweite Parallele, an der ich immer von Anfang an arbeite, ist: Vertrauen zu schaffen. Den nur in einer vertrauensvollen Kultur können auch schwierige Diskussionen geführt werden. Und wenn man sich in einer schwierigen Situation befindet, sind die Diskussionen auch schwierig. In Diskussionen, die auf Vertrauen basieren, involvieren sich alle und übernehmen im nächsten Schritt Verantwortung. Und wenn Menschen Verantwortung übernehmen, liefern sie von ganz allein wünschenswerte Ergebnisse, die sich wie bei einem Puzzle ineinanderfügen.

Sie mussten sich zweimal auf die Nachfolgesuche nach CEOs von federführenden Industrieunternehmen machen, was sind die besten Tipps?

Stanek: Wir sind alle Opfer unserer Vorlieben und Vorurteile. Ein Rapidfan etwa wird sich einem anderen Rapidfan immer näher fühlen. Ich bin daher ein starker Verfechter eines Nachfolgekomitees und beziehe auch Tools wie Assessments und verschiedene Persönlichkeitstests – wenn diese auch mit Vorsicht zu genießen sind – in das Recruiting ein. Der Blick von Vielen bringt eine gute Perspektive in die Auswahl des geeignetsten Nachfolgenden. Persönliche Vorlieben – inklusive vielleicht meiner eigenen – werden durch die vielen Augen und Meinungen relativiert, so können ausgewogene Entscheidungen getroffen werden. Als Letztes ist es mir wichtig, darauf zu achten, ein diverses Kandidatenprofil zu bekommen. Damit meine ich jetzt gar nicht klassisch Genderdiversity, sondern Diversität im Denken.

Sie haben von Purpose gesprochen, welcher Purpose treibt Sie persönlich an?


Stanek:
Mein Ziel ist es eigentlich immer gemeinsam mit und in meinem Umfeld etwas zu erreichen. Die Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen und Transparenz, denn so zu arbeiten macht mir persönlich am meisten Spass und ist auch am effektivsten. Diesen Purpose nehme ich in jedes Unternehmen mit.

ZUR PERSON

Manfred Stanek scheidet mit Ende 2024 als COO und Vorstandsmitglied der Greiner AG aus und übernimmt im Frühjahr 2025 den Vorstandsvorsitz der Semperit AG Holding. Er verfügt über mehr als 25 Jahre internationale Führungserfahrung (u. a. in den USA und Brasilien) mit Fokus auf Sales, Operations und strategischer Geschäftsentwicklung. Vor seinem Wechsel zu Greiner AG arbeitete Manfred in verschiedenen Führungspositionen beim US-amerikanischen Aluminiumkonzern Novelis und leitete als CEO den Zinkproduzenten U.S. Zinc.

Greiner Packaging Spatenleiter Manfred Stanek
Manfred Stanek - © Greiner Holding AG