Autozulieferer Gebauer & Griller : GG Group-CEO und CTO Fastabend: "Bauen neue Geschäftsfelder auf"

GG Group CEO Holger Fastabend Haeusler 0880 A

Holger Fastabend, CEO und CTO GG Group: "Solide finanzielle Basis und eine Organisation, die heute deutlich resilienter ist als vor drei Jahren"

- © www.christinahaeusler.at

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Fastabend, wenn Sie auf das aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Umfeld blicken – wo liegen die größten Herausforderungen für GG Group?

Holger Fastabend: Die Märkte sind in Bewegung wie selten zuvor. Auf der Kundenseite beobachten wir enorme Schwankungen. Nicht nur aufgrund geopolitischer Faktoren, sondern vor allem, weil unsere OEM-Kunden selbst kaum noch planen können. Das Kaufverhalten der Endkunden ist unberechenbarer geworden: Viele überlegen, ihr Fahrzeug länger zu behalten, und die Frage, welcher Antrieb sich durchsetzen wird, ist offener denn je. Diese Unsicherheit überträgt sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Hinzu kommt die Situation in den USA und Mexiko, wo Zollpolitik und regulatorische Unsicherheiten für zusätzliche Komplexität sorgen. Strafzölle, fehlende industrielle Basis, geringe Lokalisierungsgrade, das alles macht die Planung schwer. Wir müssen in dieser Gemengelage extrem flexibel bleiben und uns darauf einstellen, dass Stabilität immer seltener zur Normalität gehört.

 

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GG hat gerade eine umfassende Transformation abgeschlossen. Was war der Kern dieses Prozesses?

Fastabend: Wir haben Ende 2022 aus eigenem Antrieb unsere Transformation gestartet mit dem Ziel, das Unternehmen strukturell zu verschlanken, strategisch zu fokussieren und finanziell zu stabilisieren. Wir haben unsere Organisation neu ausgerichtet, Prozesse vereinfacht und klare Verantwortlichkeiten geschaffen. Das Resultat: eine solide finanzielle Basis und eine Organisation, die heute deutlich resilienter ist als vor drei Jahren. Unsere kontinuierliche Verbesserung ist inzwischen Teil der DNA geworden. Deshalb konnte ich mein zusätzliches CRO-Mandat im Sommer 2025 niederlegen. Damit ist die formale Transformationsphase abgeschlossen. Dass unser Weg auch extern Anerkennung findet, zeigt die Auszeichnung mit dem Automotive Lean Production Award 2025 in der Kategorie „Rapid Transformation“. Das war ein starkes Signal für das ganze Team.

Bedeutet der Abschluss der Transformation, dass nun wieder mehr Wachstum möglich ist?

Fastabend: Ja, und zwar auf zwei Ebenen. Einerseits wollen wir im angestammten Automotive-Geschäft weiterwachsen, andererseits bauen wir gezielt neue industrielle Geschäftsfelder auf. Dafür haben wir gemeinsam mit Oliver Wyman ein Strategieprojekt durchgeführt, bei dem wir symbolisch von „offenen Türen“ gesprochen haben, also Märkte, in die wir gehen können. Wir haben dabei sehr genau geprüft, wo wir technologisch anschlussfähig sind und gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal bieten können. Herausgekommen sind mehrere Felder – von industrieller Automation über Energielösungen bis hin zu Medizintechnik –, die für uns hochattraktiv sind. Schon jetzt kommt aus diesen Märkten sehr positives Feedback. Für unser Stammwerk in Poysdorf ist das ein wichtiger Impuls. Mittelfristig streben wir an, den Anteil des Industriegeschäfts auf 20 bis 25 Prozent zu erhöhen.

Gleichzeitig bleibt das Automotive-Geschäft Ihr Rückgrat. Wie sehen Sie die Entwicklung der Mobilität?

Fastabend: Wir erleben derzeit eine Neuverteilung der Prioritäten. Lange Zeit schien der Weg klar in Richtung Elektromobilität zu führen. Inzwischen differenziert sich das wieder. Manche OEMs fahren ihre E-Ambitionen zurück, andere setzen auf Plug-in-Hybride oder Brennstoffzellen. Diese Vielfalt bedeutet für uns: Wir müssen in allen Teichen fischen können. Unser Ziel ist es, technologisch breit aufgestellt zu bleiben. Wir bedienen heute die gesamte Bandbreite von klassischen 12V-Systemen bis hin zu Hochvolt-Komponenten. Damit schaffen wir uns Flexibilität, unabhängig davon, welche Technologie sich am Ende durchsetzt.

Kabelproduktion in Poysdorf

- © GG Group

GG hat kürzlich eine Innovation präsentiert, die in der Branche für Aufsehen sorgt...

Fastabend: Das stimmt. Power2Flow® ist ein gekühlter Hochvolt-Ladeleitungssatz, mit dem Elektrofahrzeuge in unter fünf Minuten geladen werden können, mit bis zu einem Megawatt Ladeleistung. Damit nähern wir uns erstmals dem Komfort konventioneller Betankung. Dieses Produkt ist das Ergebnis einer engen Partnerschaft mit VOSS Automotive und Amphenol-Tuchel Electronics. Kooperationen wie diese sind essenziell, weil die Komplexität solcher Systeme allein kaum zu bewältigen wäre. Wir übernehmen dabei meist die Rolle des Systemlieferanten und koordinieren das Zusammenspiel der Partner. Das funktioniert nur mit gegenseitigem Vertrauen und einer hohen organisatorischen Reife. Und genau das ist eine unserer Stärken.

Inwiefern verändert die Erweiterung ins Industriegeschäft auch Ihre Organisation?

Fastabend: Deutlich. Wir trennen bestimmte Funktionen künftig klarer – etwa Vertrieb und Einkauf – zwischen Automotive und Industrie. Nur so können wir die unterschiedlichen Marktmechanismen und Reaktionsgeschwindigkeiten abbilden. Der Industriebereich ist kurzfristiger getaktet, verlangt höhere Lieferbereitschaft und Lagerhaltung. Das ist eine Umstellung, aber sie lohnt sich. Für Poysdorf ist diese Diversifikation ein Stabilitätsfaktor: Dort produzieren wir heute vor allem Batterieleitungen, Airbag- und Antennenleitungen. Um die Profitabilität langfristig zu sichern, braucht es zusätzliche Märkte. Und genau daran arbeiten wir.

GG hat in den vergangenen Jahren stark auf Prozesseffizienz und Kennzahlensteuerung gesetzt. Wie stellen Sie sicher, dass das System lebendig bleibt?

Fastabend: Indem wir es mit Ideen füttern. Wir haben gerade erst ein gruppenweites Ideenmanagementtool namens „GG ThinkTank“ ausgerollt, in dem Mitarbeitende weltweit Verbesserungsvorschläge einbringen können. Diese Ideen werden bewertet, priorisiert und umgesetzt. Das ist nicht nur ein Prozess, sondern eine Haltung: Jeder soll wissen, dass er das Unternehmen aktiv mitgestalten kann. Gleichzeitig messen wir klar, wo wir stehen: Bei finanziellen Kennzahlen, bei Nachhaltigkeit oder bei Resilienz. Das schafft Transparenz und Motivation. Ein Beispiel: Beim Thema Nachhaltigkeit bekennen wir uns klar zu den Zielen des Pariser Abkommens. Wir arbeiten an einem höheren Recyclinganteil und an der Materialsubstitution, etwa um kritische Stoffe zu ersetzen. Das geht bis auf die Ebene einzelner Compounds und zeigt, dass Verbesserungen nie aufhören.

Gekühlter Hochvolt-Ladeleitungssatz Power2Flow 

- © GG Group

Sie haben betont, dass der Mensch bei GG im Zentrum steht. Wie äußert sich das?

Fastabend: Wir haben 2024 unsere globale Employer Brand „The Power of Network“ entwickelt. Sie beschreibt, was uns stark macht: die Vielfalt unserer Belegschaft und die Fähigkeit, diese Heterogenität produktiv zu nutzen. Wir haben dazu eine weltweite Umfrage durchgeführt und festgestellt, dass gerade die Unterschiede zwischen Standorten, Kulturen, Fachbereichen unsere größte Stärke sind. Diese Diversität wollen wir bewusst fördern. Parallel läuft ein Kulturprojekt, das sich mit der Frage beschäftigt: Wie wollen wir miteinander arbeiten? Ziel ist eine Kultur der konstruktiven Zusammenarbeit geprägt von Offenheit, Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung. Denn am Ende ist Kultur nichts anderes als Verhalten, und das entscheidet über Erfolg oder Stillstand.

"Für Poysdorf ist die Diversifikation ein Stabilitätsfaktor."
Holger Fastabend

 

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Die GG Group ist ein Familienunternehmen. Wie gestaltet sich heute die Rolle der Eigentümer?

Fastabend: Die Eigentümer sind stark eingebunden, aber auf strategischer Ebene. Im Strategieprojekt hat sich Niki Griller operativ engagiert und wichtige Impulse eingebracht, etwa bei der Diskussion neuer Geschäftsfelder. Mittlerweile konzentriert er sich auf seine neue Aufgabe im Bildungsbereich und bleibt dem Unternehmen als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats sowie als stellvertretender Vorsitzender des Gesellschafterausschusses verbunden. Diese Struktur funktioniert sehr gut: klare operative Verantwortung im Management, klare strategische Leitlinien durch die Eigentümer. Das schafft Verlässlichkeit, gerade in turbulenten Zeiten.

Wenn Sie nach vorne blicken: Was wird GG Group in den kommenden Jahren prägen?

Fastabend: Drei Dinge: Flexibilität, Kooperation und Menschlichkeit. Flexibilität, um auf Marktumbrüche reagieren zu können. Kooperation, um Innovationen schneller zur Marktreife zu bringen. Und Menschlichkeit, um das Team langfristig zu binden und zu motivieren. Wir sind überzeugt: Nur wer Wandel als Dauerzustand akzeptiert und dabei die Menschen nicht aus dem Blick verliert, wird resilient bleiben. Für uns ist das kein Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Tag für Tag, an allen Standorten.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit GG Group.