Miba E-Mobility baut in China und Mexiko : F. Peter Mitterbauer: Der Selbstlenker
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Wer verstehen will, warum Miba mit Diversifizierung immer gut gefahren ist, sucht am besten zehn Kilometer vor der tschechischen Grenze nach Antworten. Ab vom Schuss, inmitten von Wiesen und Weihern am Rande eines Mühlviertler Gewerbegebiets, befindet sich jenes Batteriestartup das für Miba-Vorstandschef Franz Peter Mitterbauer nicht weniger als eine Herzensangelegenheit ist. Man produzierte hier bisher in Kleinserie Batteriepacks für die Nische - von der Miningindustrie bis zur Flurförderfahrzeugindustrie. Mitte September wird in Bad Leonfelden jene Anlage angeliefert, die das Herzstück eines gerade gelandeten Deals ist: Mehrere Tausend Einheiten pro Jahr sollen für einen großen Motorradhersteller, der seinen Namen noch nicht in der Zeitung lesen will, hier ab 2025 vom Band gehen.
Wie der Miba-Chef sein Startup so findet? "Cool", sagt er wie aus der Pistole geschossen. Wohl auch deshalb, weil die Dynamiken im Geschäftssegment Batteriesysteme um einiges größer sind als im angestammten automobilen Zuliefergeschäft, dessen Umsatz-Anteil durch die weitere Diversifizierung von Miba wohl weiter sinken wird. Heute sind es noch etwas mehr als 40 Prozent. Mit der Energiewende überschlagen sich die Ereignisse: Dass Miba einmal Windräder in China mit Gleitlagern und Reibbelägen ausstatten würde, hätte man früher wohl nicht gedacht. Mittlerweile werden zwölf Prozent des Miba-Umsatzes mit Produkten für die Energiegewinnung und Energieübertragung erwirtschaftet.
Verdoppelt
Wohl auch niemand auf der Karte hatte, wie rasant die Umsatzverdoppelung - und zwar binnen eines Jahrzehnts - nach der Hofübergabe 2013 gelungen ist. Mit dem selben Expansionshunger, den schon sein Vater an den Tag legte, treibt "FPM", wie ihn Mitarbeiter zuweilen nennen, das internationale Geschäft voran. Beispiel China. 2018 wurde dort in zwei Werke nahe Shanghai und Shengzhen investiert. Jetzt, in Zeiten einer sich eintrübenden chinesischen Automobilkonjunktur (O-Ton Mitterbauer: "Diese ist relativ zu sehen") macht man in der Tonart weiter.
So ist das 2019 eröffnete EBG-Werk mit 300 Mitarbeitern in Qingxi schon wieder voll ausgelastet. Ein weiteres Werk nur einen Kilometer Luftlinie entfernt soll Abhilfe schaffen, Produktionsstart ist 2024. Das EBG-Werk in Kirchbach, das noch Vater Peter Mitterbauer in das Firmenreich eingliederte, wird ebenfalls erweitert. Auch nach Mexiko, genauer nach Ramos Arizpe im Bundesstaat Coahuila, zieht es Miba mit einem Produktionsstandort. Den Beginn machen 2024 Reibbeläge für nordamerikanische Kunden. "Wie man sieht, bauen wir gar nicht so wenig", sagt Mitterbauer.
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"Meilenstein"
Nach zehn Jahren ist seine Handschrift im Unternehmen stark zu spüren, hört man aus der Belegschaft. Er setzt auf langfristige Beziehungen, das sieht man an den Eigengewächsen, die es bis zur Divisionsverantwortung oder in den Vorstand schaffen. Gerade deswegen tun ihm laut einem Weggefährten Abgänge (wie zuletzt etwa Bernd Badureks Wechsel von Miba Sinter zur TroGroup, Anm.) natürlich leid. Mit dem Einstieg in das Industriegleitlager-Geschäft ist ihm nach eigener Darstellung eine große Weiterentwicklung der Miba gelungen. Nach dem Kauf von vier Werken von John Crane in den USA und Deutschland war vor allem das Gleitlager-Joint Venture mit Zollern, an dem man 74,9 Prozent hält, "ein Meilenstein", sagt Mitterbauer.
Dieses mache in Summe einfach Sinn. Es gelte, Kräfte für Innovationen für die Energiewende zu bündeln. Kühlen Kopf behält er, wenn dieses Gleitlager-Joint Venture medial hochbrandet. Für Kritik sorgte etwa die Schließung des Motorengleitlagerwerks in Braunschweig. Wir mussten den Realitäten ins Auge schauen", sagt Mitterbauer.Die Schließung sei notwendig gewesen, weil sich trotz Optimierungsmaßnahmen die Lage des schon länger an sinkender Nachfrage am Markt leidenden vormaligen Zollern-Werks durch die Pandemie und die Beschleunigung der Energiewende noch verschärft habe, sagt Mitterbauer. "Wir mussten schauen, was ist verantwortungsvoll, langfristig gut und richtig", so Mitterbauer. Das habe man nach bestem Wissen und Gewissen getan.
Der Zusammenschluss war - nach einer Ministererlaubnis durch den damaligen deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier - nur unter Auflagen möglich. Darunter jener, 50 Millionen Euro zu investieren, die das "Know-how und Innovationspotenzial für die Energiewende und Nachhaltigkeit“ absichern sollten. Recherchen der SZ zeigen, dass dabei offenbar Unternehmen des eigenen Miba-Firmenkonglomerats vom Joint Venture gekauft und als Investition verbucht worden sind. Clever gespielt? Linken-Politiker Victor Perli ortete einen "finanziellen Taschenspielertrick". Mitterbauer: "Es wurden alle Ministerauflagen erfüllt und der Treuhänder hat alles laufend penibel überprüft". So habe man etwa mit der Zusammenlegung der beiden Industriegleitlager-Werke in Göttingen und Osterode einen "großen und starken Standort" geschaffen, der als Innovationszentrum für Nachhaltige Energie positioniert werden soll, sagt Mitterbauer. Was man in der Branche jedenfalls auch hört: Die Vermutung, dass das Zollern Gleitlagergeschäft eigenständig wohl nicht überlebensfähig gewesen wäre.
"Zuschlagen"
Von Mehrheitsverhältnissen und Beteiligungen ist F. Peter Mitterbauer jedenfalls nicht geheilt - im Gegenteil. Man wolle über weitere Akquisitionen wachsen. Heißt: Wenn es von der Unternehmenskultur her passt, wolle man "zuschlagen". Die Härten des Tagesgeschäfts bewältigt der vierfache Vater mit Familie ("die kann Berge versetzen"), Sport und "wenig Politik". Und der Freude an Innovationsgeist. So kann er der chinesischen Mentalität, schneller sein zu wollen als die anderen, ebenso etwas abgewinnen wie der von Miba entwickelten Flüssigkeitskühlung für EV-Batterien. Eine Technologie, deren Entwicklung wiederum im ländlichen Raum, dem Salzkammergut, angestoßen wurde.
"Abgänge sind unterkritisch"
Nach einem Jahrzehnt an der Miba-Spitze zieht Vorstandschef Franz Peter Mitterbauer Bilanz: Über ein wasserdichtes Geschäftsmodell, Abgänge im Topmanagement und die Logik eines nicht unumstrittenen Gleitlager-Joint Ventures.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Mitterbauer, unter Ihrer Führung - also binnen zehn Jahren - hat sich der Umsatz von Miba nahezu verdoppelt. Trauern Sie vergebenen Chancen nach oder stehen Sie auf dem Standpunkt, alles richtig gemacht zu haben?
F. Peter Mitterbauer: Das man immer alles richtig macht, ist 'wishful thinking'. Aber im großen Bild bin ich über die Entscheidungen, die wir im Unternehmen getroffen haben, nicht unzufrieden.
Ein paar Besprechungsräume weiter findet sich ein Gemälde der Malerin Xenia Hausner an der Wand. Darauf: Ihr Vater mit einem resoluten, dem Betrachter zugewandten Blick. Was meint er, wie Sie sich machen?
Mitterbauer: Wenn er so von der Seite zuschaut und das Treiben im Unternehmen beobachtet, ist er damit, wie sich das Unternehmen weiterentwickelt hat und welche strategische Richtung eingeschlagen worden ist, wohl doch sehr zufrieden.
Welchen Reifungsprozess machen Sie an sich selbst fest?
Mitterbauer: Ich glaube, die Annahme, einen fast 50-jährigen Menschen groß zu verändern, ist naiv. Das man kraft der Erfahrung Dinge abgeklärter und differenzierter sieht und zusätzliche Perspektiven gewinnt, liegt in Natur der Sache. Glauben Sie mir: Die letzten Jahre durch die Pandemie zu steuern war nicht trivial. Wie es uns in der Miba gemeinsam gelungen ist, das erfüllt mich mit Stolz.
Miba erwirtschaftet 60 Prozent seines Umsatzes außerhalb des Automobilgeschäfts. Was ist vom Geschäftsmodell Ihres Vaters noch übrig?
Mitterbauer: Eine ganze Menge. Dass in unserer breit aufgestellten Technologiegruppe ein großer Teil des Umsatzes außerhalb des Automobilgeschäfts erwirtschaftet wird, war vor zehn oder 25 Jahren nicht anders. Die Überzeugung, dass wir in dieser Breite und Diversität weiter wachsen können, ist also gar nicht neu für uns.
Die Eingliederung der auf Energielösungen spezialisierten Unternehmen EBG und DAU erfolgte in der Ära Ihres Vaters. Das war wohl ein Glücksgriff.
Mitterbauer: Nennen wir es strukturierten Zufall.
Die automobile Zuliefererindustrie ist einem ruinösen Preiskampf ausgesetzt. Interessanterweise rührten Sie und Ihr Vater niemals das automobile Gleitlagergeschäft an. War das Intuition?
Mitterbauer: Dass es hier ausreichend viele Kapazitäten und Wettbewerber gibt, die das gut genug anbieten, lag ja früh auf der Hand. Als dritter oder vierter oder fünfter auf Märkte zu stoßen, ist nicht unser Zugang. Wir bewegen uns lieber auf Märkten, in denen wir mit unserer Innovationskraft Technologieführerschaft aufbauen können. Etwa mit Gleitlagern für Kompressoren, die maßgeblich für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in Anwendung kommen werden. Oder: In sehr großen Windturbinen jenseits der sechs Megawatt Leistung kommen die traditionell eingesetzten Wälzlager an ihre technischen Grenzen und werden oft durch unsere Gleitlager-Technologie ersetzt.
Ein unglaublicher Transformationsweg also. Veränderungen gab es kürzlich auch im Top-Management. Gleitlager-Chef Christoph Ederer ist in den Vorstand gekommen, Bernd Badurek ist von der Miba Sinter Group zur TroGroup gewechselt. Wie geht es Ihnen damit?
Mitterbauer: Mit Christoph Ederer ist ein langjähriger Mitarbeiter mit einem beeindruckenden Karriereweg innerhalb der Miba in den Vorstand gekommen. Die zweite interne Nachbesetzung in Folge nach Martin Liebl übrigens. Beide zeigen: Wer hungrig ist und Gas geben will, kann es bei der Miba bis ganz nach oben in den Vorstand schaffen. Und ja, natürlich ist es schade, wenn jemand aus der Führungsmannschaft ein externes Angebot als CEO bekommt und daher die Miba verlässt. Aber ich sehe das unterkritisch, so etwas kommt in jedem Unternehmen vor.
Die Umsatzmilliarde wurde 2022/23 überschritten, sie schrieben 15 Prozent Plus. Bis 2027 wollen Sie auf 1,5 Milliarden zulegen. Wo kommt das Wachstum her?
Mitterbauer: Wir streben in allen Regionen und Divisionen an zu wachsen. Und einige Sparten werden Sprungbretter in neue Märkte sein wie unsere Miba Battery Systems.
Sie meinen Ihr Batteriewerk in Bad Leonfelden. Wie fühlt sich das an, ein Startup im Unternehmen zu haben?
Mitterbauer: Cool. Das ist eine Truppe, die will, die tut, die kann. Und als Unternehmen ist es erfolgreich. Wir geben ihm einiges an Freiraum. Wo es Unterstützung braucht, bekommt es sie. Aber es wird auch nicht zwangsbeglückt.
Im optimistischsten Szenario: Welche Skalierung ist im Batteriegeschäft möglich?
Mitterbauer: Wir werden auch weiterhin technologisch anspruchsvolle Nischen besetzen. Kunden, die auf kleinstmöglichen Bauraum und Anpassungsfähigkeit an ihre konkreten Anforderungen achtgeben, sind bei uns richtig. Von Motorradherstellern über die Bauindustrie, die Energiespeicher für co2-neutrale Baustellen suchen, haben wir schon Aufträge gewonnen.
Zur "Erreichung der Energiewende" wurde auch das Joint Venture mit Zollern abgesegnet. War das immer Ihr Traum, ein solches Gleitlagerkonglomerat auf die Beine zu stellen?
Mitterbauer: Das Joint Venture, in dem wir die industrielle Führerschaft besitzen, macht in Summe logisch Sinn. Auch, weil wir zu dem Zeitpunkt vier Werke des Industriegleitlagerherstellers John Crane übernommen hatten. Die Idee, neben Motorengleitlagern im angrenzenden Bereich der Industriegleitlager Fuß zu fassen, war die Vision. Und die Kräfte mit Blick auf die Energiewende zu bündeln die Logik dahinter.
Ohne größere Umstrukturierung ging es jedoch nicht: Das Zollern-Werk Braunschweig wurde geschlossen, die Werke in Göttingen und Osterode zusammengelegt.
Mitterbauer: Man muss das differenziert sehen. Auf der einen Seite hatte die Energiewende noch deutlicher an Fahrt aufgenommen als erwartet. Diese Chance wollten wir nutzen. Daher haben wir aus zwei kleineren Industriegleitlager-Werken – dem ehemaligen Miba Werk in Göttingen und dem ehemaligen Zollern Werk in Osterode – einen gemeinsamen, starken Standort geformt. Diesen wollen wir als Innovationszentrum für Nachhaltige Energie positionieren. Auf der anderen Seite litt der Markt des von Zollern ins Joint Venture eingebrachten Motorengleitlager-Werks in Braunschweig schon seit Jahren an sinkender Nachfrage. Trotz Optimierungsmaßnahmen konnte das Werk nicht nachhaltig wirtschaftlich betrieben werden, denn die Pandemie und der deutlich schnellere Umstieg auf alternative Technologien hatten die Lage weiter verschärft.
Wie läuft die Zusammenarbeit in Osterode nach der Zusammenlegung mit Göttingen?
Mitterbauer: Der Miba-Funke ist übergesprungen. Die Leute, die dort heute arbeiten, sind zufrieden und dankbar. Wir investieren und wollen weiter ausbauen.
2018 investierten Sie in neue Werke nahe Shanghai und Shengzhen. Geht das in China jetzt in der Tonart weiter?
Mitterbauer: Wenn Sie sich die eintrübende Automobilkonjunktur in China anschauen: Das ist relativ.Batterieelektrische Fahrzeuge liegen im Trend und beschleunigen unser Kerngeschäft in China. BYD ist einer der ganz großen Kunden. Unser 2019 eröffnetes EBG-Werk mit 300 Mitarbeitern in Qingxi ist schon wieder voll ausgelastet. Wir errichten ein weiteres Werk einen Kilometer entfernt. Produktionsstart ist 2024.
Auch nach Mexiko, genauer nach Ramos Arizpe im Bundesstaat Coahuila, zieht es Sie mit einem Produktionsstandort. Mit welchen Produkten starten Sie?
Mitterbauer: Wir werden 2024 mit Reibbelägen für nordamerikanische Kunden der Automobil - und Off-Highway-Industrie beginnen. Wie man sieht, bauen wir gar nicht so wenig. Und wir wollen über weitere Akquisitionen wachsen. Wenn es von der Unternehmenskultur her passt, schlagen wir zu.