Sorgen um den Wirtschaftsstandort : Beschlägeproduzent Blum: "Rahmenbedingungen tun uns weh"

Als "Hidden Champion" betreibt Blum acht Produktionswerke in Vorarlberg, beschäftigt im Bundesland über 6.600 Mitarbeitende (weltweit etwa 9.300) und hat auch Produktionsstätten in Polen, Brasilien, China und den USA. Die Zahl der Mitarbeitenden ist in der jüngsten Vergangenheit aber über natürliche Fluktuation verringert worden. Man glaube weiterhin an den Standort, mit einer Exportquote von 97 Prozent stehe man jedoch im internationalen Wettbewerb und müsse "nach dem Möglichen" greifen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, so Humpeler. Die Tendenz sei gegeben, dass der Wirtschaftsstandort in Rückstand gerate. Er glaube nicht an einen "Big Bang", nämlich dass die Produktion mancher Produkte von heute auf morgen irgendwo anders erfolgen werde. Allerdings könne eine Verlagerung durchaus passieren. "Das wird vielmehr eine schleichende Entwicklung sein", so Humpeler.

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Was braucht der Standort Österreich, um für den internationalen Wettbewerb fit zu sein? Wie anderen Industrieunternehmen in Österreich sind Blum die Lohnnebenkosten ein Dorn im Auge, vielmehr einige Bestandteile davon. Humpeler will etwa die Zahlungen für Kranken-, Pensions- oder Unfallversicherung keinesfalls infrage stellen. Wohl aber sieht er beispielsweise den Wohnbauförderungsbeitrag oder die Zahlungen für Freifahrten für Schüler und Lehrlinge bei den Lohnnebenkosten falsch angesiedelt. "Manches hat mit Lohn- und Versicherungskosten einfach nichts zu tun, diese Leistungen sollte der Staat aus Steuermitteln bestreiten", postulierte Humpeler.

Gerhard Humpeler, Mitglied der Geschäftsführung bei Blum
Blum-Finanzchef Gerhard Humpeler kritisiert die Lohnnebenkosten in Österreich. - © DarkoTodorovic
Unsere indexierten Personalkosten sind seit 2018/19 um 33 Prozent gestiegen, der Umsatz aber nur leicht.

Er sah ein Einsparungspotenzial von bis zu zehn Prozentpunkten - bei einem monatlichen Lohn von 4.000 Euro brutto machen die Lohnnebenkosten über 29 Prozent der Gesamtbelastung für den Arbeitgeber aus. Davon kommen letztlich rund 53 Prozent beim Arbeitnehmer an. "Unsere indexierten Personalkosten sind seit 2018/19 um 33 Prozent gestiegen, der Umsatz aber nur leicht", stellt Humpeler fest. Und dennoch bleibe den Arbeitnehmern aufgrund der gestiegenen Mietkosten, etc. nicht mehr Geld "über". Leistung müsse sich wieder lohnen, betont Humpeler - unabhängig davon, ob man Vollzeit arbeite oder die Teilzeitquote erhöhe.

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Weitere Kritikpunkte Humpelers betrafen etwa die Bildungskarenz oder das Arbeitslosengeld. Die Bildungskarenz koste die Arbeitslosenversicherung 500 Mio. Euro, schaffe es aber nicht, treffsicher höher zu qualifizieren. Vielmehr werde dieses Instrument mittlerweile - laut Humpeler überspitzt formuliert - für Weltreisen und als Babypausen-Verlängerung verwendet. In Humpelers Augen sollte außerdem darüber nachgedacht werden, das Arbeitslosengeld degressiv zu gestalten, wie das in vielen anderen Ländern der Fall sei. Verbleibe dort jemand länger in der Arbeitslosigkeit, würden die Zahlungen an die Person aus anderen Töpfen - nicht über das Arbeitslosengeld - erfolgen. Wer in Österreich als Arbeitsloser im Rahmen des Erlaubten dazuverdiene, komme auf denselben Netto-Verdienst wie ein Arbeitender. "Das kann es nicht sein", bringt Humpeler dafür kein Verständnis auf.

Muss der Gesetzgeber alles bis ins Detail regeln ohne Freiheit für die Beamten?

In Sachen Bürokratie machte Humpeler ein "überbordendes Steuerrecht mit vielen Bagatellsteuern" aus. Die Administration habe stark zugenommen, die Vorgaben in Bescheiden erinnerten ihn oft an "Selbstbeschäftigung", wie Humpeler sagt. Teilweise würden Graubereiche geschaffen, die für Verzögerungen und mitunter empfindliche Geldstrafen sorgten. Gegenüber den Unternehmen legten die Behörden mittlerweile eine "Schuldvermutung" an den Tag, dabei seien Firmen auch Kunden. Bauverfahren und Gewerbeverfahren dauerten von Jahr zu Jahr länger, und auch die Bescheide würden umfangreicher und komplizierter. "Muss der Gesetzgeber alles bis ins Detail regeln ohne Freiheit für die Beamten?", fragt Humpeler. Standortqualität habe auch sehr damit zu tun, wie gut die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere, wie lange das Ausstellen von Bescheiden dauere und wie schnell und wie oft Strafen drohten.

"Wir stehen zum Standort, wir finden ihn in Summe gut", unterstrich der Blum-Finanzchef. Manche Parameter würde man sich aber anders wünschen, um Leistung erbringen und Wohlstand sichern zu können. Dass derzeit viele Industrie-Unternehmen jammern, nimmt Humpeler als gutes Zeichen. Solange gejammert werde, passiere noch nichts. Viel bedrohlicher sei in dem Zusammenhang Stille - dann sei die Auslagerung der Produktion und von Arbeitsplätzen nämlich schon im Gang.

Vorarlberger expanieren nach Niederösterreich: Der Beschlägehersteller Blum sichert sich in St. Pölten ein Grundstück im südlichen Teil des geschichtsträchtigen innerstädtischen Industrieareals von Voith. Ziel des österreichischen Beschlagspezialisten ist die Revitalisierung des über 100.000 Quadratmeter großen Areals - und die Errichtung eines neuen Werkes außerhalb Vorarlbergs.