Anton Paar : Die Santners: Weltenvermesser

Anton-Paar-Chef Friedrich Santner mit seinen Söhnen Jakob (CTO) und Dominik (COO).
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Anton-Paar-Chef Friedrich Santner mit seinen Söhnen Jakob (CTO) und Dominik (COO).
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Das Headquarter des Maschinenbauuternehmens Anton Paar in Graz. Von seinem Büro im fünften Stock hat Friedrich Santner nicht nur eine tadellose Aussicht. Er hat auch den Witz für sich gepachtet. "Wollen Sie den Firmenjet sehen", fragt er mit einem Augenzwinkern und deutet Richtung Fenster.
Zu welchen Extravaganzen man es als Chef eines Messtechnikmultis bringt, zeigt also ein flüchtiger Blick hinaus: Ein Klettergerüst mit dem Grundriss eines Flugzeugs lässt die Kinder des firmeneigenen Kindergartens herumtollen. Santner, der hier immer noch den Schlag der Pendeluhr hört wie dereinst Gründertochter Margareta, die das Familienerbstück seinerzeit erwarb und liebevoll restaurierte, behält in seinem Betrieb auch jegliche Übersicht.
2021, erzählt Santner, verzeichnete das Unternehmen ein Rekordjahr. In den Büchern steht der höchste Auftragsstand der Firmengeschichte. So kann es, geht es nach ihm, gerne weitergehen: Gerade erst war Santner in Südkorea, als nächste Geschäftsreise steht China auf dem Programm. Sein Amt als CEO bequem vom Rücksitz aus zu lenken, jetzt, nachdem die beiden Söhne Jakob und Dominik in die Geschäftsleitung nachzogen, ist für ihn - das erahnt man - keine Option.
Noch laufen in seiner Hand die Fäden zusammen. Und bis zum Erreichen der unlängst von ihm höchstselbst festgelegten Altersobergrenze fürs Management von 65 Jahren hat Santner, der 1981 in die Unternehmerfamilie einheiratete und wenige Jahre später - 1986 - ins Unternehmen eintrat, noch ein Stück.
Doch der Wandel ist - nach rund zwei Jahrzehnten mit ihm an der Solospitze - eingeleitet. Mit Jakob und Dominik traten Ende 2019 jene zwei Familienmitglieder der fünften Generation in die Geschäftsleitung ein, deren Weg im 1922 gegründeten Schlossereibetrieb vorgezeichnet war.
Nach technischer Ausbildung mit humanistischer Grundierung, die immer dann durchbricht, wenn sich die beiden wieder einmal einen Sport aus dem Deklinieren lateinischer Nomen machen, zog 1999 erst Jakob, drei Jahre später Dominik ins Unternehmen ein. Heute haben sie im Management Rollen auf den Leib geschneidert, die die Filii mit ihrem Vater amalgamisch verbindet.
Dieser Beitrag wurde erstmals März 2022 veröffentlicht.
"Bei mancher Entscheidung in Europa denke ich: Macht die Fenster nach Osten auf, dann hört ihr die Asiaten laut lachen."Friedrich Santner, CEO Anton Paar
Anton Paar: in der dreiköpfigen Geschäftsleitung hängt alles zusammen
"Meine montierenden Einheiten sind von den produzierenden Einheiten Dominiks abhängig - und die Vertriebseinheiten unseres Vaters letztlich von beiden", sagt CTO Jakob Santner. Dem traditionellen Kerngeschäft der industriellen Labor- und Prozessmesstechnik von Großvater Ulrich, ein Business, das Vater Friedrich radikal internationalisierte, fügten sie dabei ganz ungeniert neues hinzu. So wurde die messtechnische Raffinesse von Anton Paar in die B2C-Welt verpflanzt.
Die Idee für die 2020 erfolgte Gründung des hippen, jungen Startups Anton Paar ConsumerTec fußt auf Dominiks Diplomarbeit. Dass es in der Unternehmensgruppe mit der Anton Paar SportsTec eine Unternehmenstochter gibt, in der Simulatoren die Leistungen so prominenter Kicker wie jener von Bayern München vermessen, ist dagegen Jakob Santners Bemühungen geschuldet. Er hat in seinem Leibthema, dem maschinellen Sehen, dissertiert. Und dieses Wissen ins Unternehmen eingebracht.
Zeigen sich die Jungen bei den neuen Geschäftsmodellen exzeptionell, so bleiben doch Konstanten. An der Wertewelt des Unternehmens wird nicht gekratzt. Höchste Ansprüche, kein Ponyhof, so fasst Sohn Jakob den Erziehungsstil von Vater Friedrich zusammen. Ein Leistungsprinzip, das gleichermaßen das Unternehmen, in dem Leiharbeit nicht wohlgelitten ist und in dem es "offene, proaktive Persönlichkeiten" weit bringen, durchdringt. Etwas zu vergurken sei das eine.
"Wer jedoch den Gemeinschaftssinn untergräbt, wird bei uns nicht glücklich", sagt Jakob Santner. Im "fahrradfreundlichsten Großunternehmen Österreichs" die Prämie für die autofreie Anfahrt zu kassieren, ohne dabei in die Pedale zu treten, sind Faxen, bei denen ein Arbeitnehmer nicht auf Pastorenmilde im Vorgesetztenverhalten hoffen darf. Sie führen im wahrscheinlicheren Fall zum - arbeitsrechtlich gedeckten - Trennungsgespräch.
Dabei bleibt Friedrich Santner, ein studierter Psychologe und Pädagoge, der ursprünglich den Beruf Kinderpsychotherapeut anstrebte, selbst in Ausnahmesituationen ruhig wie ein Schreibmönch im Skriptorium. Ein Charakterzug, der dem langjährigen Styria-Aufsichtsratschef, dem man in dieser Funktion schon mal nachsagt, sich "operativ überall einzumischen", behilflich dabei ist, partiell Einfluss und Macht im eigenen Unternehmen abzugeben. In seiner Laufbahn habe er gelernt, "manchmal auch nachzugeben", sagt Santner. Dieses Loslassen wird nicht unwesentlich dadurch erleichtert, dass die beiden Söhne denselben Leistungsanspruch und Perfektionismus mitbringen wie der Vater. "Jedes meiner vier Kinder ist in der Lage, jedes Unternehmen der Gruppe, aber auch das Unternehmen als gesamtes zu führen", sagt Santner.
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"Meine Schwiegermutter drängte darauf, ich möge ins Unternehmen kommen. Und ich gehorchte."Friedrich Santner, CEO Anton Paar
Aktuell ist zweiteres aber ohnehin noch Zukunftsmusik. Man schaut aufs Tagesgeschäft, das den Santners wenig Grund gibt, um die Zukunft bangen zu müssen. Der Erwerb des Standorts des Automobilzulieferers Mahle in Wolfsberg 2019 war aus Kapazitätsgründen notwendig, der in der ShapeTec gebündelte Zulieferbereich, allen voran die Luftfahrt, für die man entwicklungsnahe Kleinserien fertigt, boomt.
Zukäufe wie jene des US-Messtechnikunternehmens Quantachrome 2018 schaffen durch den AntonPaar´schen Matchplan (O-Ton Jakob Santner) Wert, "statt solchen zu vernichten". Vorläufiger Endpunkt: Um das weitere Wachstum zu stemmen, baut das Unternehmen bis 2023 am Hauptsitz in Graz aus.
"Höchste Ansprüche. Kein Ponyhof."
Wie Friedrich Santner und seine Söhne das Wachstum des Messtechnikherstellers managen.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Santner, 2021 verbuchten Sie im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 25 Prozent bei der Auftragssumme. Das ist einmalig in der Firmengeschichte. Waren´s wieder einmal alle anderen - nämlich die Mitarbeiter - oder klopfen Sie sich da auch selbst auf die Schulter?
Friedrich Santner: Ich klopfe mir auch selbst auf die Schulter, weil ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vom Arbeiten abgehalten habe. Das war mein Beitrag.
Um das weitere Wachstum zu stemmen, investieren Sie am Hauptsitz in Graz bis 2023 60 Millionen Euro in ein Technologiezentrum. In einem Interview meinten Sie einmal, Sie seien extrem ungeduldig. Frage an den älteren Sohn Jakob: Kann der Vater die Fertigstellung noch erwarten?
Jakob Santner (lacht): Wir alle hätten die Fertigstellung lieber gestern gehabt als irgendwann einmal morgen. Wir platzen aus allen Nähten. Wir mieten und kaufen Gebäude aus der näheren Umgebung, um Teile der Firma zwischenzeitlich dorthin zu siedeln. Das gefällt mir natürlich nicht, weil ich im Sinne des Zusammenhaltes und der Zusammenarbeit lieber alle in der Nähe hätte. Also: je früher die Fertigstellung erfolgt, desto besser.
Der auffälligste Umgang mit Traditionen ist vielleicht jener, dass das Unternehmen mit dem Schwiegersohn-Trick bricht: Nicht wie zuvor ein Schwiegersohn, sondern Sie und Ihr jüngerer Bruder Dominik zogen 2020 in die Geschäftsleitung nach. Hätte es auch anders kommen können?
Dominik Santner: Ich wusste schon vor der Matura, dass ich einmal hier arbeiten möchte. Der Plan war immer, dass ich ein technisches Studium absolviere. Der Eintritt ins Unternehmen war nur eine Frage der Zeit.
Und bei Ihnen?
Jakob Santner: Mein Plan nach dem Studium war ursprünglich jener, zunächst außerhalb des Unternehmens Erfahrung zu sammeln. Aber dem Angebot, in die Firma einzusteigen und ein spannendes Krisenprojekt in der Automatisierungstechnik zu übernehmen. Nach einer kurzen Unterredung mit dem Vater folgte ein Email, in dem das Antrittsdatum vermerkt war. Damit waren die Weichen gestellt.
Der jüngere von Ihnen beiden, Dominik, ist im konventionelleren Business, jenem des Blech- und Metallzulieferers Anton Paar ShapeTec, Johannes Bernsteiner als zweiter eingetragener Geschäftsführer zur Seite gestellt. Doch eigentlich finden Sie zur Anton Paar ConsumerTec, dem hippen, jungen Startup von Anton Paar, mehr Anknüpfungspunkte, habe ich mir sagen lassen.
Dominik Santner: In der ShapeTec habe ich nur eine untergeordnete Rolle, 99 Prozent der Geschäftsführertätigkeiten entfallen auf Johannes Bernsteiner. Die Idee, auf dem das Geschäft der ConsumerTec aufbaut, stammt tatsächlich aus meiner Diplomarbeit.
Der Gründer, Anton Paar, bildete seine Tochter Margareta zur Facharbeiterin aus - in den 1920er Jahren eine Sensation. Wie erlebten Sie denn Ihren eigenen Vater Friedrich als Ausbildner?
Jakob Santner: Streng. Extrem fordernd. Höchste Ansprüche stellend. Ich würde sagen, eine sehr gute Schule fürs Leben. Kein Ponyhof.
Sie unterschreiben das?
Dominik Santner: In den Entscheidungen, wie wir unsere beruflichen Wege weiter beschreiten wollten, waren wir frei. Bei schulischen Misserfolgen wurde uns klar, dass wir selbst die Verantwortung dafür übernehmen müssen..
Und ich wollte gerade fragen, welche Erziehung Sie als studierter Pädagoge Ihren Söhnen zuteil werden ließen - Montessori oder eher Waldorf.
Friedrich Santner: Beide beinhalten interessante Aspekte. Die Lebensrealität sieht aber ein Stück anders aus.
Manche sagen schon im Alter von 39, eigentlich das Arbeiten sein lassen zu wollen. Ihr Großvater Ulrich Santner arbeitete dagegen 39 Jahre als Geschäftsführer. Welche Lebensentwürfe verfolgen denn Sie als Vertreter der Generation Y?
Jakob Santner: Das Leistungsprinzip beschreibt mein Lebenskonzept sehr gut. Mein Ziel lautet sicher nicht, mit 39 in Pension zu gehen. Leben und Arbeiten gehört in Balance: Ohne zuvor erbrachter Leistung kann ich nicht den ganzen Tag Radfahren gehen.
Und bei Ihnen?
Dominik Santner: Die Frage stellt sich mir kurz nach meinem 15-jährigen Firmenjubiläum gar nicht. Solange ich einen vernünftigen Beitrag leisten kann, möchte ich auch arbeiten.
Anton Paar, 78+, und seine Tochter Margareta
In der Grazer Heinrichstraße gründet der in der Oststeiermark aufgewachsene Anton Paar seine Schlosserwerkstatt als Ein-Mann-Unternehmen. Bald tatkräftig von seinen Töchtern Hermine und Margareta unterstützt, legt er das Fundament des Unternehmens.
Die Gründertochter Margareta Platzer, in den 1920er Jahren als erste Schlossermeisterin der Steiermark ausgebildet, tritt 1932 in die Fußstapfen ihres Vaters und führt das Unternehmen fort. In ihre Zeit fällt die Produktion des ersten wissenschaftlichen Analyseinstruments - der Kratky-Röntgen-Kleinwinkelkamera.
Ulrich Santner, 87+
Der Schwiegersohn von Margareta Platzer übernimmt 1963 die Geschäftsführung. Mit seinem Innovationsstreben legt er das Fundament für die spätere Expansion auf dem Gebiet der Messtechnik. Er intensiviert den Austausch mit Unis und systematisiert den Transfer von Technologien in die Industrie. Im Laufe seiner Karriere als Geschäftsführer (1962 bis 2002) wuchs das Unternehmen von rund 20 auf etwa 460 Mitarbeiter und von rund 300.000 Euro Umsatz auf über 36 Millionen.
Wie sehr matchen Sie sich denn insgesamt im Job? Ist das ein ständiger Wettkampf unter Brüdern?
Jakob Santner: Wir sind in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis, ohne gutes Miteinander geht es nicht. Kommen die produzierenden Einheiten von Dominik mit der Teileversorgung nicht nach, dann haben meine montierenden Einheiten ein Problem. Und letztlich die Vetriebseinheiten unseres Vaters.
Herr Santner, Sie nahmen bei der Heirat 1981 den Namen Ihrer Frau Maria an und traten zwölf Jahre später in die Geschäftsführung ein. Eigentlich wollten Sie ja Kinderpsychotherapeut werden. Aber Ihre Schwiegermutter soll Ihnen wenig Wahl gelassen haben. Ist das zutreffend?
Friedrich Santner: Das ist richtig. Sie war diejenige, die gedrängt hat, dass ich ins Unternehmen kommen möge.
Und sich durchgesetzt hat?
Friedrich Santner: Ich war gehorsam.
Ihr Schwiegervater Ulrich Santner, 2020 verstorben, war noch jahrelang Aufsichtsrat und Stiftungsvorstand des Unternehmens. Frage an die Enkel: Wie erlebten Sie Ihren Großvater denn privat und beruflich?
Dominik Santner: Sein Leben gehörte der Firma und als eines von 20 Enkelkindern war die Zeit zusammen sehr überschaubar.
Jakob Santner: Er war ein extrem interessierter Mensch. Hatte ich auch nur peripher mit einem Projekt zu tun, schrillte schon das Telefon und mein Großvater wollte ganz genau wissen, wie die Dinge stehen. In der Rückschau waren das sehr schöne gemeinsame Momente. Damals, unter Zeitdruck stehend und mit vollem Terminkalender, dachte ich mir oft: Muss das jetzt sein?
Herr Santner, Sie legten dann mit einer Verfünffachung des Umsatzes in zehn Jahren nach. Sie bauten Anton Paar Deutschland auf, 2006 ging es mit einem Standbein nach China. Wie macht sich denn aktuell der asiatische Markt, ohne dass man ihm zuletzt groß Besuche abstatten konnte?
Friedrich Santner: Der asiatische Markt war schon in der Vergangenheit die Lokomotive. Und er ist nach wie vor der dynamischste Markt. Einer, dem wir Europäer viel zu leichtfertig das Feld überlassen. Bei mancher Entscheidung in Europa denke ich: Macht die Fenster nach Osten auf, dann hört ihr die Asiaten laut lachen.
Wo macht Europa es den Asiaten im Systemkampf zu leicht?
Friedrich Santner: In Asien gibt es Leistungsbereitschaft und Zusammenhalt. In Westeuropa grassiert ein Individualismus, zu dem sich ein immer unwirklicher werdender Zugang zum Thema Arbeit gesellt. Das sollte uns zu denken geben.
Friedrich Santner (3. von rechts) erobert neue Märkte: Eröffnungszeremonie zum Start der Anton Paar Shanghai im Jahr 2006.
- © Anton PaarVom Softdrinkproduzenten bis zum Pharma- oder Handydisplayhersteller setzt man auf Messtechnik aus Graz. Sitzen Sie bei Elektronikbauteilen nicht aktuell auf dem Trockenen?
Dominik Santner: Dem ist so. Wir konnten uns mit Blick auf Mitbewerber zuletzt noch einigermaßen glimpflich darüberretten. Zu Jahresbeginn spürten wir jedoch heftig, was es heißt, nicht an Teile zu gelangen. Wir hoffen auf baldige Besserung, sonst geht uns tatsächlich die Arbeit aus und es wird richtig mühsam Sonst wird es mühsam.
Die Einkaufstour des Unternehmens hält an: 2018 erwarben Sie den US-Analysespezialisten Quantachrome aus Florida. Wie läuft es dort?
Jakob Santner: Mittlerweile sehr gut, unser üblicher Matchplan kommt gerade in die erfreuliche PhaseDie ersten Jahre sind hart. Unsere Vorstellungen, wie ein produzierendes Messtechnikunternehmen qualitativ auszusehen hat, lassen keine Spielräume. Typischerweise fahren wir die F&E massiv in die Höhe und überarbeiten die Produkte, bis sie Anton-Paar-Level erreichen. Nach Blut, Schweiß und Tränen folgt dann der Wendepunkt. An einem solchen sind wir mit Quantachrome – mittlerweile Anton Paar QuantaTec Inc. Die Umsätze legten zu. Mitte Februar ging die zweitwichtigste Produktlinie überarbeitet - und auf Anton Paar-Qualitätslevel gebracht - an den Start. Das wird sich im Umsatz un der Marge deutlich niederschlagen.
Mit der ConsumerTec hat Anton Paar Ideen aus der B2B-Welt in die B2C-Welt transferiert. Sie vertreiben nun vorwiegend online preiswertere Dichte- und Extraktmessgeräte für Amateure, die immer schon mit einem Anton Paar-Messgerät liebäugelten. Warum lösten Sie die neue Sparte aus dem Kerngeschäft?
Jakob Santner: Dem Versuch, das Produkt in der Anton Paar-Marketingschiene und im Prozessgerüst unseres 3.600-Mann Konzerns zum Laufen zu bringen, war wenig erfolgreich. Wir zogen dann die Reißleine. Und mit der Ausgründung des Unternehmens an einem eigenen Standort anderthalb Kilometer südlich von der Zentrale kamen die Freiheiten. Aber auch die Pflichten. Etwa die, sich auch die Gehälter selbst auszuzahlen. Aber das Unternehmen entwickelt sich extrem gut.
Wann wird der Umsatz dieser Sparte an jenem des Blechbereichs vorbeiziehen?
Friedrich Santner: Die ShapeTec, die im letzten Jahrzehnt das gruppenweit größte Wachstum verzeichnete, erwirtschaftet rund 50 Millionen Euro Umsatz. Und ist damit eine deutlich größere Nummer. Aber wir haben in der ConsumerTec auch weitere Produkte in der Pipeline. Und wenn man berücksichtigt, wie schwer die Facharbeitersuche fällt, kann man unmöglich ausschließen, dass die ConsumerTec in einem Jahrzehnt nicht der größere Player von beiden ist.
Geht es bei der ConsumerTec auch darum, die Marke Anton Paar mit Emotion aufzuladen? Muss ein Messgerät cool sein?
Friedrich Santner: Natürlich ist die ConsumerTec das hippere Unternehmen als unsere Herzensschlosserei hier in Straßgang. Aber unsere Produkte von Anton Paar sind emotional genug. Sehr viel mehr gefällt mir der Zugang, jedem Menschen die Chance zu bieten, ein Anton Paar-Gerät zu besitzen. Das ist ein schöner Gedanke.
2019 war für die ShapeTec das Jahr der Zukäufe. Man übernahm den ungarischen Kunststoffteile-Zulieferer Terra-Net. Wie sieht es dort mit Auslastung aus?
Dominik Santner: Wir kommen mit dem Produzieren - auch für die Anton Paar GmbH - nicht nach. Wir könnten deutlich mehr produzieren, wenn wir denn die Leute dazu hätten.
Ebenfalls 2019 wurde ein Firmengebäude des Autozulieferers Mahle in Wolfsberg übernommen. Wird man dort mittelfristig um 300 zusätzliche Mitarbeiter aufstocken können, wie das ursprünglich geplant war?
Friedrich Santner: Wenn man sie bekommt, gerne. Einer der Gründe, nach Wolfsberg zu gehen, war ja der, einen zusätzlichen Markt für Arbeitskräfte zu erschließen. Was nicht leichter geworden ist.
2020 hatte Anton Paar 17 Produktbereiche, zehn Jahre davor war es ein Bruchteil. Wird soviel neues nicht unsteuerbar?
Friedrich Santner: Ja. Und deshalb nehmen wir uns wieder eine Phase der Rediversifikation vor. Wie seinerzeit bei meinem Eintritt in die Geschäftsleitung, als wir nach Jahren der Segmentverbreiterung auf fünf Produktbereiche zurückschraubten.
Ihre Vorgabe im Styria-Aufsichtsrat, dem Sie seit 2011 vorsitzen, war einmal, dass jede Unternehmenseinheit nachhaltig positiv sein muss. Gilt dieser Imperativ auch im eigenen Unternehmen?
Friedrich Santner: Eindeutig ja. Jede Einheit muss in der Lage sein, sich selbst zu erhalten. Wenngleich innovative Felder, die bei Null starten, schon ihre Zeit bekommen. Das Geschäftsfeld Partikelcharakterisierung, dessen Portfolio wir gerade aufbauen, schreibt aktuell keine Gewinne - aus dem einfachen Grund, weil die weiteren F&E-Aufwendungen für den Ausbau des Produktportfolios höher ausfallen.
In Ihrer früheren, bis 2013 ausgeübten Funktion als SK Sturm-Aufsichtsratsvorsitzender sagten Sie einmal: „Im Fußball kann man alles richtig machen und trotzdem erfolglos bleiben.“ Gilt das für Industrieunternehmen gleichermaßen?
Friedrich Santner: Ich denke nicht. Befindet sich ein Fußball im Umkreis von fünf Metern, setzen 40 Prozent der rationalen Denkleistung eines Menschen aus. So emotional besetzt ist dieser Sport. Ganz so emotional geht es in der Industrie im Regelfall nicht zu. Und wer sein Handwerk beherrscht, ist auch weniger vom Glück abhängig.
Welche standortpolitischen Weichenstellungen braucht es denn in Österreich jetzt, um schnell und gut die Krise zu meistern?
Friedrich Santner: Wir sollten uns überlegen, ob wie hier noch gut forschen und produzieren kkönnen. Wenn ich Österreich eine Impfung verabreichen dürfte, dann wären das drei Mutinjektionen. Plus einem viertem Mutbooster."
Sie hielten sich bei den Kurzarbeitszuwendungen zurück. Ärgern Sie sich über Unternehmen, die da jetzt voll hinlangen?
Friedrich Santner: Ihr Handeln haben die anderen für sich zu verantworten. Uns war wichtig, uns nicht in die Abhängigkeit dieser Beihilfen zu bringen. Wir sparen in der Zeit. Und können uns in der Not selbst helfen.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Flüchtlinge - eine Chance für die Wirtschaft" wünschten Sie sich 2016 rechtlich abgesicherte Schnupper-Tage. Ist daraus eigentlich etwas geworden?
Friedrich Santner: Das Thema verfolge ich ungläubig. Wir diskutieren ständig unter falschen Vorzeichen über die Migration. Für Österreich rege ich ein ganz einfaches Experiment an: Es sollen einmal alle mit Migrationshintergrund einen Tag nicht arbeiten. Und dann bewerten wir das Thema Zuwanderung neu.
2003 wurden die Anteile des Familienunternehmens in die gemeinnützige Santner Privatstiftung eingebracht. Ist das operativ eine Sorge weniger, sich in die Haare zu kriegen?
Dominik Santner: Definitiv, dieses Thema hat ganz wenig Raum im Tagesgeschäft. Und das ist gut so.
Man hört in der jüngeren Generation unter 50 häufig den Stoßseufzer: Wäre das Stiftungsrecht bloß durchlässiger, dann könnte die Nachfolgegeneration Kapital für Innovation und Startups aus dem Stiftungsvermögen generieren. Ihre Meinung?
Friedrich Santner: Dass in Österreich viel Stiftungskapital tot herumliegt und nichts gemacht wird, ist offensichtlich. Es gibt eine Reihe von Stiftungsvorständen, die Ambitionen hätten, dieses Stiftungskapital wieder besser in den Wirtschaftskreislauf einzubringen. Unternehmerisches Denken war mit Blick auf das Stiftungsrecht noch nie die große österreichische Stärke. Wir sind doch eher Bewahrer.
Eine 2019 an Bayern München gelieferter Spielfeldsimulator kann die Leistung einzelner Spieler erfassen. Wie messen Sie eigentlich die Leistung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Jakob Santner: Nicht ausschließlich über Kennzahlen. Denn deren Interpretation - etwa bei kostenmäßig überzogenen Projekten - kann schnell zu Fehlurteilen führen. Da muss man schon genauer hinschauen.
In einem Interview meinten Sie einmal, es gibt sinnlose Ausgaben wie goldene Wände in der Garage. Frage an die Söhne: Welche Extravaganzen gönnt sich der Vater dann doch mal?
Jakob Santner: Also je mehr ich darüber nachdenke: Mir fällt nichts ein.
Dominik Santner: Eine zusätzliche Klimaanlage im Büro, für sehr heiße Sommertage.
Friedrich Santner: Für heiße Besprechungen (lacht).
Zu Ihrer Einstellung zur Jobwelt sagten Sie einmal sinngemäß: Wenn´s ein anderer macht, ist es auch ok. Sie werden der Firma operativ aber noch eine Weile erhalten bleiben, oder?
Friedrich Santner: Ich bin jetzt 62. Vor zwei Jahren führte ich für das Unternehmen und alle Gremien eine Altersobergrenze für die Neubestellung - die im Falle der Geschäftsführung bei 65 Jahren liegt - ein. Um sicherzustellen, dass ich selbst nicht den Zeitpunkt verpasse, einen oder zwei Schritte zurückzutreten. Bis dahin arbeite ich mit Leidenschaft.
2021 kletterte der Gruppenumsatz auf 471 Millionen Euro. In welchem Jahr knackt Anton Paar die Umsatzmilliarde?
Friedrich Santner: Wir verdoppeln uns alle fünf Jahre. Gute Zukäufe vorausgesetzt, halten wir den Kurs.
Eine 2019 an Bayern München gelieferter Spielfeldsimulator kann die Leistung einzelner Spieler erfassen. Wie messen Sie eigentlich die Leistung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Jakob Santner: Nicht ausschließlich über Kennzahlen. Denn deren Interpretation - etwa bei kostenmäßig überzogenen Projekten - kann schnell zu Fehlurteilen führen. Da muss man schon genauer hinschauen.
In einem Interview meinten Sie einmal, es gibt sinnlose Ausgaben wie goldene Wände in der Garage. Frage an die Söhne: Welche Extravaganzen gönnt sich der Vater dann doch mal?
Jakob Santner: Also je mehr ich darüber nachdenke: Mir fällt nichts ein.
Dominik Santner: Eine zusätzliche Klimaanlage im Büro, für sehr heiße Sommertage.
Friedrich Santner: Für heiße Besprechungen (lacht).
Zu Ihrer Einstellung zur Jobwelt sagten Sie einmal sinngemäß: Wenn´s ein anderer macht, ist es auch ok. Sie werden der Firma operativ aber noch eine Weile erhalten bleiben, oder?
Friedrich Santner: Ich bin jetzt 62. Vor zwei Jahren führte ich für das Unternehmen und alle Gremien eine Altersobergrenze für die Neubestellung - die im Falle der Geschäftsführung bei 65 Jahren liegt - ein. Um sicherzustellen, dass ich selbst nicht den Zeitpunkt verpasse, einen oder zwei Schritte zurückzutreten. Bis dahin arbeite ich mit Leidenschaft.
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Friedrich Santner: Wir verdoppeln uns alle fünf Jahre. Gute Zukäufe vorausgesetzt, halten wir den Kurs.