Temu & Shein : Wird dieser 4-Punkte-Plan zur Zoll-Waffe gegen Chinas Billig-Importe?

Ham Laakdal, Belgium - September 08, 2024: Sea Shipping Containers of TEMU a giant new Chinese mail order company.

Der Handelsverband und Greenpeace fordern von der Bundesregierung und der EU-Kommission Maßnahmen gegen die chinesischen Onlinehandel-Plattformen Temu, Shein und AliExpress.

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Der österreichische Handelsverband und Greenpeace richten einen dringenden Appell an die Bundesregierung sowie die EU-Kommission: Es braucht rasche Maßnahmen gegen die zunehmende Paketflut durch chinesische Online-Plattformen wie Temu, Shein und AliExpress. Diese Anbieter setzen laut Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will nicht nur europäische Händler unter Druck, sondern belasten auch Umwelt und Konsumenten. „Shein und Temu fluten Europa mit Billigprodukten, die oft gefährliche Chemikalien enthalten“, warnt Greenpeace-Vertreterin Ursula Bittner.

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Obwohl Amazon in Österreich weiterhin der dominierende Onlinehändler ist, haben sich Temu und Shein laut aktuellen Zahlen von Nielsen IQ bereits auf Rang 4 und 9 der umsatzstärksten Onlineplattformen vorgearbeitet. Allein im Jahr 2024 gelangten rund 4,6 Milliarden Pakete mit Waren unter 150 Euro aus Fernost nach Europa, wie der Handelsverband unter Berufung auf EU-Kommissionsdaten mitteilt. Besonders brisant: Rund zwei Drittel dieser Sendungen seien falsch deklariert. Mit den hohen Zöllen in den USA richtet sich der Fokus dieser Plattformen nun verstärkt auf Europa. „Frächter haben uns informiert, dass der Umlenkungseffekt da ist“, so Will weiter.

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4-Punkte-Plan gegen Billigplattformen aus Drittstaaten

Der Handelsverband und Greenpeace fordern einen klaren politischen Kurswechsel. Ihr gemeinsamer 4-Punkte-Plan sieht folgende Maßnahmen vor:

  • Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze – Ziel: Jeder Import unterliegt einer fairen Besteuerung.
  • Stärkere personelle Ausstattung der Zollbehörden zur effektiven Kontrolle der Wareneingänge.
  • Einführung einer Paketabgabe auf unverzollte B2C-Sendungen von Drittstaaten-Plattformen.
  • Temporäre Sperren für Plattformen bei wiederholtem Bruch von EU-Vorgaben.
     

Frankreich ist bereits aktiv geworden: Haushaltsministerin Amélie de Montchalin schlug vor, kleine Warensendungen aus Nicht-EU-Staaten mit einer Abgabe von „mehreren Euro pro Päckchen“ zu belegen – jedoch zulasten der Importeure oder Plattformen, nicht der Verbraucher.

Billigprodukte oft mit gefährlichen Inhaltsstoffen

Die Kritik von Umwelt- und Verbraucherschützern richtet sich nicht nur gegen unfaire Marktbedingungen, sondern auch gegen massive Gesundheitsrisiken. Greenpeace hat diverse Artikel von Temu und Shein analysieren lassen. Das Ergebnis: Viele der Produkte enthalten gefährliche Chemikalien, die EU-Grenzwerte überschreiten. „Dieses Geschäftsmodell ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern basiert auf unfairen Arbeitsbedingungen und gefährdet die Umwelt“, so Bittner.

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Auch unabhängige Prüfungen zeigen alarmierende Ergebnisse. Der Schweizer Fernsehsender SRF ließ sieben Sonnencremes von Temu im Labor untersuchen – mit dem Ergebnis: „desaströs“. Die deutsche Stiftung Warentest wiederum untersuchte sieben Onlineportale mit Billigware aus Fernost und stellte fest: „Das Risiko, für ein vermeintliches Schnäppchen Elektroschrott um die halbe Welt transportieren zu lassen, ist hoch.“

Bundesregierung reagiert auf zunehmenden Druck

Der Handelsverband betont, dass österreichische Unternehmen im Vergleich zu Direktkäufen über Fernostplattformen erheblich benachteiligt seien. Sie müssten sich an alle gesetzlichen Vorgaben halten und „voll Zoll zahlen“. Der Einkauf erfolge über zertifizierte Bezugsquellen, die konforme Produkte anbieten. „Man kann Schrott importieren. Man kann auch Produkte importieren, die den europäischen Vorschriften genügen“, so Will.

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Auch auf politischer Ebene wächst das Problembewusstsein. Sozial- und Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) erklärte: Die Lieferungen von Temu, Shein & Co. seien „ein unglaubliches Problem“, das nur auf EU-Ebene lösbar sei. Beim Handelskolloquium des Handelsverbandes sagte sie: „Das ist einer der großen Gefahren für unseren Handel.“ Auch der Konsumentenschutz müsse gestärkt werden, um gesundheitsschädliche Produkte vom Markt fernzuhalten.

Der Handelsverband hat das Thema inzwischen an Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) herangetragen. Laut Tourismus-Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) befinde sich dieser bereits in Gesprächen mit der Europäischen Kommission. Zehetner betonte: „Das müssen wir im gemeinsamen Schulterschluss mit der Europäischen Union machen“. Ein nationaler Alleingang sei nicht zielführend, zumal viele Sendungen indirekt über andere EU-Staaten nach Österreich gelangen.