Shein und Temu EU : Temu im Visier der EU: Kommt die Zwei-Euro-Paketabgabe für Billigimporte?

Angesichts einer rasant steigenden Zahl von Paketen aus Drittstaaten erwägt die EU-Kommission eine Pauschalabgabe von bis zu zwei Euro auf entsprechende Bestellungen.
- © AA+W - stock.adobe.comAngesichts der rasant zunehmenden Anzahl von Paketen aus Nicht-EU-Ländern erwägt die EU-Kommission die Einführung einer pauschalen Abgabe von bis zu zwei Euro auf Online-Bestellungen aus Drittstaaten. Ziel der geplanten Maßnahme ist es, laut einem internen Papier der EU-Behörde, die „erhöhten Überwachungskosten“ zu decken, die durch die enorme Paketflut entstehen. 2024 wurden laut Kommission täglich rund zwölf Millionen Sendungen in der Europäischen Union registriert – ein signifikanter Anstieg gegenüber den Vorjahren. Die Finanzbehörden der EU-Staaten sind mit 4,6 Milliarden Paketen überfordert, die von außerhalb der EU direkt an Haushalte geliefert werden.
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Besonders im Fokus stehen dabei große E-Commerce-Plattformen wie Temu und Shein. Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, erklärt: „Das Phänomen der Einzelpakete mit niedrigstem Wert ist jung und wächst durch Billigst-Marktplätze wie Shein und Temu unaufhörlich.“ Das bestehende europäische System für Zoll- und Marktüberwachung sei laut der Grünen-Politikerin nie auf diese Entwicklung vorbereitet gewesen.
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Temu und Shein im Visier der Regulierung
Temu, ein chinesischer Online-Marktplatz, ist seit Frühjahr 2023 in Europa aktiv. Die Plattform, auf der zahlreiche Händler Produkte direkt an Konsumenten verkaufen, sorgt regelmäßig mit extrem günstigen Preisen und Rabattaktionen für Aufsehen. Die Artikel werden meist direkt vom Produzenten zum Endkunden geliefert – ein Modell, das Zwischenhändler umgeht und die Preise niedrig hält.
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Shein, ursprünglich in China gegründet und heute in Singapur ansässig, kombiniert Hersteller-, Händler- und Plattformfunktion. Das ermöglicht es dem Konzern, besonders schnell auf neue Modetrends zu reagieren. Dank Direktvertrieb, globaler Versandstruktur und nahezu vollständigem Verzicht auf stationäre Läden oder große Lagerbestände, kann Shein seine Produkte zu sehr niedrigen Preisen anbieten.
In Österreich stößt die geplante Abgabe auf Zustimmung von Branchenvertretern. Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bezeichnet die Maßnahme als „sinnvollen Ansatz“. Martin Sonntag, Branchenvertreter der WKÖ, betont: „Wir freuen uns daher, dass die Kommission unseren Forderungen folgt und endlich gezielte Maßnahmen setzen will.“ Auch der Handelsverband sieht in dem Vorschlag ein positives Signal. Geschäftsführer Rainer Will erklärt in einer Aussendung: „Die Botschaft ist auf oberster Ebene angekommen, das ist positiv.“
China kritisiert geplante EU-Abgabe als Handelshemmnis
Die chinesische Regierung reagierte kritisch auf die Überlegungen der EU-Kommission. In einer Stellungnahme des Handelsministeriums in Peking heißt es, die geplante Pauschalabgabe könne als „diskriminierende Maßnahme“ gegen chinesische Onlinehändler gewertet werden. Man sehe darin ein potenzielles Handelshemmnis, das den freien Warenverkehr beeinträchtige und die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen belaste. Peking forderte die EU auf, „offene Märkte und fairen Wettbewerb nicht durch protektionistische Maßnahmen zu gefährden“ und kündigte an, die Entwicklungen genau zu beobachten und nötigenfalls Gegenmaßnahmen zu prüfen.
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Shein erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Wir teilen das Ziel des CPC-Netzwerks, sicherzustellen, dass europäische Verbraucher mit gutem Gewissen online einkaufen können, und beabsichtigen, eng mit dem CPC-Netzwerk und der Kommission zusammenzuarbeiten, um etwaige Bedenken auszuräumen.“ Das CPC-Netzwerk ist ein Zusammenschluss der nationalen Verbraucherschutzbehörden aller EU-Mitgliedstaaten sowie einiger weiterer Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Es wurde eingerichtet, um sicherzustellen, dass Verbraucherschutzgesetze EU-weit einheitlich durchgesetzt werden – insbesondere im grenzüberschreitenden Online-Handel.
EU untersucht Temu wegen Verstößen gegen Digital Services Act (DSA)
Am 31. Oktober 2024 hat die Europäische Kommission ein formelles Verfahren gegen die chinesische Online-Plattform Temu im Rahmen des Digital Services Act (DSA) eingeleitet. Die Untersuchung konzentriert sich auf mehrere potenzielle Verstöße gegen das DSA, darunter den Verkauf illegaler Produkte, die möglicherweise suchterzeugende Gestaltung der Plattform, die Transparenz der Empfehlungssysteme sowie den Zugang zu Daten für Forschende.
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Die Kommission äußerte Bedenken, dass Temu nicht ausreichend gegen den Verkauf von nicht konformen Produkten vorgeht und dass gesperrte Händler möglicherweise unter neuen Identitäten erneut auf der Plattform aktiv werden. Zudem wird untersucht, ob die Gestaltung der Plattform, einschließlich spielähnlicher Belohnungsprogramme, Nutzer zu übermäßigem Konsumverhalten verleitet. Ein weiterer Fokus liegt auf der Transparenz der Algorithmen, die Nutzern Produkte empfehlen, sowie auf dem Zugang zu Daten für wissenschaftliche Forschung.
Temu wurde im Mai 2024 als „sehr große Online-Plattform“ (Very Large Online Platform, VLOP) gemäß dem DSA eingestuft, da die Plattform mehr als 45 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU verzeichnete. Damit unterliegt Temu den strengsten Verpflichtungen des DSA, einschließlich der Bewertung und Minderung systemischer Risiken. Die Kommission betonte, dass die Dauer des Verfahrens von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die Komplexität des Falls und die Kooperation des Unternehmens.
Temu hat erklärt, die Verpflichtungen des DSA ernst zu nehmen und eng mit den Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um ein sicheres und vertrauenswürdiges Marktplatzumfeld für Verbraucher zu gewährleisten. Bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen kann die EU-Kommission Geldstrafen in Höhe von bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens verhängen. Bei einem Konzern wie Temu, der zum chinesischen Mutterkonzern PDD Holdings gehört, könnten solche Strafen in die hunderten Millionen Euro gehen.
Falls Temu bestimmten Anordnungen der Kommission nicht nachkommt, können auch Zwangsgelder verhängt werden – meist in Form täglicher Strafzahlungen, bis die beanstandeten Maßnahmen umgesetzt werden. In extremen Fällen kann die Kommission sogar verlangen, dass bestimmte Dienste vorübergehend eingeschränkt oder ausgesetzt werden – z. B. der Zugang für EU-Nutzer oder bestimmte Funktionen wie Empfehlungsalgorithmen.