Industriekongress 2025 : IV-Präsident Knill: „Dass sich alle lieb haben, ist eine Illusion"

Knill Industriekongress

IV-Präsident Georg Knill: "Wenn es uns nicht gelingt, starke Wirtschaftsräume wie Mercosur zu etablieren, wird Europa zunehmend ins Hintertreffen geraten“

- © Matthias Heschl

Die Weltordnung verändert sich, wir bewegen uns weg von einer regelbasierten hin zu einer machtbasierten Welt. "Eine Deglobalisierung sieht IV-Präsident Georg Knill aber nicht – vielmehr entstehen neue wirtschaftliche Allianzen. Weltweit gebe es mittlerweile rund 374 Freihandelsabkommen, das jüngste und größte davon: das RCEP-Abkommen, das einen Drittel des globalen Handels umfasst – von China über Japan bis Australien.

Europa droht bei diesen Entwicklungen den Anschluss zu verlieren. „Wenn es uns nicht gelingt, starke Wirtschaftsräume wie Mercosur zu etablieren, wird Europa zunehmend ins Hintertreffen geraten“, sagt Knill am Industriekongress 2025 auf Schloss Pichlarn. Hinzu kommen geopolitische Konflikte wie im Nahen Osten, die den internationalen Handel weiter verteuern.

Globales Wachstum – Österreich nur Zuschauer

Die weltwirtschaftliche Perspektive bleibt grundsätzlich positiv: Laut Prognosen wird die Weltwirtschaft 2025 um rund drei Prozent wachsen. In 72 Ländern, darunter viele in Asien und Afrika, wird sogar ein Wachstum von über vier Prozent erwartet. Jedoch: Europa droht zurückzufallen. „Aktuell wächst in Europa nur Serbien dynamisch. Österreich befindet sich im internationalen Vergleich in einer bedenklichen Position“, so Knill.

Er verweist auf jüngste Prognosen des IWF: Österreich findet sich mittlerweile in einer Wachstumsgruppe wieder, die unter anderem Haiti, Botswana, Mexiko oder den Südsudan umfasst. „Das ist eine klare Warnung". Man befinde sich nicht nur in einer temporären Schwächephase – der Rückgang ist strukturell und hausgemacht". Der Wohlstandsverlust sei real und "die Deindustrialisierung bereits spürbar“, sagt Knill. Auch ein mögliches Anspringen der deutschen Konjunktur werde Österreich nicht automatisch mitziehen.

Wettbewerbsfähigkeit unter Druck

Ein besonderes Problem sieht Knill in den hohen Standortkosten: „Die Lohnstückkosten in Österreich sind im europäischen Vergleich deutlich gestiegen. Wir sind mittlerweile eines der teuersten Länder in der OECD.“ Im Gegensatz zu Deutschland sei Österreich bei internationalen Investitionsentscheidungen nicht mehr automatisch gesetzt. Besonders die Energiepreise belasten massiv.

Neben den hohen Kosten hemmen auch Bürokratie und Überregulierung die Entwicklung. „Das europäische Regulierungssystem hat sich seit 2010 verdoppelt“, so Knill. Für die Industrie sei das eine immer größere Belastung.

„Was wir jetzt brauchen, sind Strukturreformen“, fordert der IV-Präsident. Voraussetzung dafür sei ein budgetärer Spielraum, der wiederum durch eine Entlastung auf der Abgabenseite geschaffen werden müsse. Die Politik müsse zudem energisch an der Diversifizierung der Energieversorgung arbeiten, die Abhängigkeit reduzieren und die Standortkosten senken. Ebenfalls zentral: Reziprozität gegenüber China und anderen globalen Wettbewerbern. 

Chancen in der Ukraine

Eine zentrale Rolle sieht Knill auch im Wiederaufbau der Ukraine. „Das wird ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte sein – hier kann die österreichische Industrie mit ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag leisten.“ 

Dass sich alle liebhaben, sei "eine Illusion“. Österreich müsse aus der Rolle des bloßen Trittbrettfahrers herauswachsen und sich proaktiv in Europa einbringen. „Es braucht jetzt mehr Pragmatismus und die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen“, sagt Knill. 

Auch der Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sei aus seiner Sicht unumgänglich. „Hier könnte Österreich mit seiner Industrie aktiv mitgestalten.“ Österreich allein sei in der geopolitischen Gemengelage zu klein. „Wir brauchen die europäische Stärke – nicht zuletzt in Schlüsselindustrien wie der Halbleiterindustrie.

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