Nachhaltigkeit und Ökodesign : Digitaler Produktpass: "Doppel- und Dreifachstrukturen vermeiden"

Maschine mit Mitarbeiter DMG Mori

Die Idee für einen Digitalen Produktpass zirkuliert schon länger - bereits 2019 wurde der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft verabschiedet.

- © DMG Mori

Es ist ein sensibles Thema: der digitale Produktpass. Die Idee: Leistungs- und Produktanforderungen transparent und rückverfolgbar für Märkte darzustellen. Immerhin besteht eine Herausforderung der Kreislaufwirtschaft darin, das Informationsgefälle und daraus resultierende, hochschießende Transaktionskosten zu überwinden.
Noch gebe es aus Brüssel dazu aber nichts "endgültig fassbares", sagt Ulrike Witz. Sie ist beim Fachverband Metalltechnische Industrie für die Themenpalette Umweltpolitik und Nachhaltigkeit zuständig. Bereiche, in denen die großen Fragen dieser Zeit auf Antworten harren.

Und damit den Arbeitsgruppen der Kommission wenig Spielraum bieten, mal ein, zwei Gänge runter zu schalten. Da wäre die Kommissionspräsidentin. Van der Leyen macht Druck. Dann kurbeln die Policy Officers. Einer ist Michele Galatola. Er wurde dazu auserkoren, den Digitalen Produktpass voranzutreiben.

Die Kommission arbeite an den letzten Feinheiten, so Witz. Im Vorfeld hätten Stakeholder wie auch die Metalltechnische Industrie "Anforderungen, aber auch Bedenken zusammengetragen". Ihrer Einschätzung nach könne es nun ziemlich schnell gehen: Einen Gesetzesvorschlag aus Brüssel erwarte sie für das "dritte oder vierte Quartal".
Sorge vor Bürokratiewust

Die Idee für einen solchen Produktpass zirkuliert freilich schon länger - bereits 2019 wurde der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft verabschiedet. Nun will die Kommission Nägel mit Köpfen machen, ohne an den Brancheninteressen vorbei das Regelwerk zu stricken. Die Idee, Produktanforderungen mit einem Digitalen Produktpass transparent und rückverfolgbar zu machen, "bietet Chancen", sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann im März. Freilich nur, wenn "er richtig ausgestaltet" sei. "Ein weiteres Bürokratiemonster, das mit wesentlichem Aufwand und Kostenbelastungen verbunden wäre, gilt es dabei zu vermeiden", mahnte Brodtmann.

Vielmehr sei ein für mittelständische Betriebe handhabbares Instrument "mit geringem Datenmanagement" anzustreben. "Die Ausrichtung an Anwenderbedürfnissen, eine gute Datenqualität und keine Doppel- oder Mehrfachstrukturen" benennt FMTI-Expertin Witz als Muss-Anforderungen. Denn die Automobilindustrie - und die daran angebundende Metallware - etwa hätte eine derartige Dokumentation entlang ihrer Wertschöpfungsketten bereits aufgesetzt.

Ulrike Witz, Nachhaltikeitsspezialistin Fachverband Metalltechnische Industrie
"Inhalte aus REACH sollten nicht zwanghaft anderswo mit verbaut werden." Ulrike Witz, Spezialistin Umweltpolitik und Nachhaltigkeit, Fachverband Metalltechnische Industrie - © jCCoste Lens <every day life photography>

Richtlinie wird zur Verordnung

Ebenso im Gang ist die Ummodellierung der Ökodesign-Richtlinie in eine Verordnung. Deren Rahmen wurde Ende März von der Kommission vorgelegt. Anfang August ging unter dem tschechischen EU-Ratsvorsitz eine Konsultation der Mitgliedsstaaten über die Bühne, bis zum Herbst werden Verbandsvertreter sich in Brüssel mit Input einbringen. Dem Faktum, dass die Verordnung darauf abziele, die Produktkonformität und den Informationstransfer über die gesamte Wertschöpfungskette zu verbessern sowie die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken, kann Witz vom FMTI einiges abgewinnen.

REACH durch die Hintertür?


Inhaltlich wird die Verordnung zudem weiter gefasst. Nachhaltigkeit rückt neben der reinen Energieeffizienz von Produkten - so der Plan - in den Fokus. Etwa über Produktdatenblätter, die nach Überlegungen der Kommission dazu dienen könnten, Informationspflichten hinsichtlich bedenklicher Stoffe nachzukommen. Als relevante Kriterien benennt der Verordnungsvorschlag der Kommission neben der Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Umweltauswirkungen von Produkten so auch deren "enthaltene Stoffe". Letzteres findet bei Branchenvertretern nicht ungeteilte Zustimmung. Für die Regulierung besorgniserregender Stoffe gebe es nunmal REACH, dessen Inhalte sollten nicht zwanghaft anderswo mit verbaut werden, meint FMTI-Expertin Witz.

Zudem sei eine Klassifizierung mitunter zweischneidig, etwa dort, wo solcherart als bedenklich gelistete Stoffe doch eigentlich mehr Nutzen als Ärger stiften. Witz denke an "Katalysatoren, die emissionsarme Mobilität erst ermöglichen würden oder Oberflächenbeschichtungen, die dauerhaft Korrosionsschutz böten. Stakeholder - auch aus der Industrie - sollen nun über ein Ökodesign-Forum eingebunden werden. "Es gilt, die Regelungen mizudesignen", so Witz. Wozu sie in den Unternehmen Österreichs große Bereitschaft ortet. "Die steigenden Energiekosten und eine Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsthemen auch vor allem der jüngeren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen" würde für Tempo sorgen.

Taxonomie: Teufel im Detail

Noch einiges im Fluss sei laut Witz zudem bei der Frage, welche Aktivitäten der Industrie als taxonomiekonform gelten sollen und welche nicht. Und damit verbunden die Frage, welche Branchen und Unternehmen künftig überhaupt auf Finanzierung hoffen dürften. So gebe es Technologien und Prozesse, die sich eben nicht auf den ersten Blick als "enabling activities", auf die die Kommission den Schwerpunkt legt, zu erkennen geben. Bis September arbeite "eine Arbeitsgruppe der Plattform für nachhaltige Finanzierung, in der auch die Industrie vertreten ist, der Kommission in dem Punkt zu", so Witz.

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer VDMA
"Es gilt ein weiteres Bürokratiemonster zu vermeiden." Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer VDMA - © VDMA

EVENTTIPP für Nachhaltigkeit

Webinar FMTI Wissenstransfer "Nachhaltigkeitsberichterstattung"

Die Richtlinie zur nachhaltigen Berichterstattung von Unternehmen (CSRD) wird detailliertere Berichtspflichten für Unternehmen einführen und festlegen, dass diese über Nachhaltigkeitsthemen wie Umweltrechte, soziale Rechte, Menschenrechte und Governance-Faktoren berichten müssen. Die CSRD führt auch eine Prüfungspflicht für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein und verbessert die Zugänglichkeit der Informationen, indem sie deren Veröffentlichung in einem digitalen und maschinenlesbaren Format im Lagebericht vorschreibt.

Beantwortet werden folgende Fragen: Was wird sich für die Unternehmen ändern, wer ist von den Änderungen betroffen und wie kann man sich möglichst gut auf die bevorstehenden Änderungen vorbereiten?

Datum:
Mitte Oktober, online
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