Industriegase : Spezialgase für die Analytik: Reinstgase und Gasgemische für präzise Messergebnisse in der Industrie

Während Standardgemische für viele Routineanwendungen ausreichend sind, erfordern spezifische analytische Aufgaben individuell abgestimmte Gasgemische
- © www.frank-widmann.deAnalytik unter Druck: Warum industrielle Präzision auf Gase angewiesen ist
In der Industrieanalytik entscheidet nicht allein die eingesetzte Messtechnik über die Qualität der Ergebnisse, sondern ebenso das Medium, mit dem diese Systeme betrieben und kalibriert werden: Gase. Ob bei der Abgasmessung in der Automobilindustrie, der Prozessüberwachung in der chemischen Produktion oder der Rückstandsanalytik in der Pharmaindustrie – Reinstgase und präzise definierte Gasgemische sind Voraussetzung für reproduzierbare, rückführbare und normkonforme Ergebnisse.
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Die eingesetzten Gase beeinflussen unter anderem die Nachweisgrenzen, die Stabilität der Messung und die Lebensdauer empfindlicher Detektoren. In vielen Anwendungen ist die Gasqualität somit kein Detail, sondern ein kritischer Erfolgsfaktor.
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Spezialgase: Technische Basis für exakte Messergebnisse
Spezialgase sind hochreine Gase oder definierte Gasgemische, die spezifisch für analytische oder technische Anwendungen aufbereitet werden. Im Unterschied zu technischen Gasen unterliegen sie höheren Anforderungen hinsichtlich Reinheit, Stabilität und Verunreinigungsfreiheit.
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Je nach Anwendung werden Gase mit einer Mindestreinheit von 5.0 (99,999 Vol-%) oder besser – bis zu 7.0 – eingesetzt. Bei empfindlichen Verfahren wie der Elektronenstoßionisation in der Massenspektrometrie oder der ECD-Detektion in der Gaschromatografie – beides etablierte Methoden zur Analyse niedrigster Stoffkonzentrationen – kann bereits ein Spurenanteil an Feuchtigkeit oder Halogenverbindungen die Messergebnisse signifikant verfälschen.
Für die Kalibrierung analytischer Geräte kommen zertifizierte Kalibriergase oder Nullgase zum Einsatz. Letztere dienen zur Festlegung der Nulllinie in der Messung und müssen frei von den Zielsubstanzen sowie störenden Verunreinigungen sein. Eine Rolle spielt auch die Gasnachreinigung – also die Entfernung letzter Spuren von Feuchtigkeit, Sauerstoff oder Kohlenwasserstoffen direkt am Point-of-Use.
Wo in der Industrie Spezialgase eingesetzt werden
Spezialgase werden in einer Vielzahl industrieller Analyseverfahren eingesetzt. Die Auswahl und Qualität der eingesetzten Gase hängt unmittelbar vom Messverfahren ab, die sich je nach Branche deutlich unterscheiden.
- Automobilindustrie: Bei der Abgasanalyse liefern Flammenionisationsdetektoren (FID) in Kombination mit NDIR-Sensorik exakte Messwerte zu Kohlenwasserstoffen oder CO₂-Emissionen. Reine Wasserstoff-/Helium-Gemische sowie CO-freie Luft sind hier unerlässlich.
- Pharma- und Biotech-Produktion: Kalibriergase mit exakt definierten Gehalten an Lösemitteln oder Wirkstoffvorstufen kommen bei der Validierung chromatografischer Methoden zum Einsatz. Neben Reinstgasen ist die Rückverfolgbarkeit bis zur Chargennummer entscheidend.
- Metallurgie: Die Analyse von Legierungsbestandteilen mittels Funken-Erosions- oder ICP-Spektroskopie erfordert hochreines Argon. Sauerstoff oder Feuchtigkeit im ppm-Bereich führen zu fehlerhaften Konzentrationswerten.
- Halbleiterfertigung: In Reinräumen kommen ultrareine Reinstgase wie Stickstoff 6.0 sowie Gasnachreinigungseinheiten am Point-of-Use zum Einsatz – insbesondere zur Vermeidung organischer Rückstände auf Wafern.
- Umweltanalytik: Die Erfassung von NO/NOx oder CO in Luftproben erfolgt über FTIR- oder NDIR-Verfahren, die regelmäßig mit zertifizierten Kalibriergasen justiert werden müssen. Auch hier ist die Gaskomposition auf die jeweiligen Zielsubstanzen abgestimmt.
Auch in der Probenaufbereitung – etwa bei der Extraktion mit überkritischem CO₂ – wird spezifisches Equipment mit geeigneten Gasqualitäten betrieben. Fehlerquellen durch falsche Gaswahl lassen sich hier frühzeitig vermeiden.
Unabhängig vom Verfahren gilt: Jede analytische Messung ist ein Vergleich mit einer bekannten Referenz. Diese wird durch Kalibriergase mit exakt definierter Zusammensetzung bereitgestellt – individuell angepasst an das Verfahren, die Zielkonzentration und das Matrixgas.
Vom Rohgas zum Kalibriergemisch: Herstellung, Kontrolle, Sicherheit
Die Herstellung von Spezialgasen erfolgt in spezialisierten Werken. Reinstgase werden aus Rohgasen durch Adsorption, Destillation oder katalytische Verfahren gewonnen. Gasgemische entstehen durch präzise Dosierung der Komponenten – gravimetrisch oder volumetrisch – und werden unter strengen Qualitätskontrollen abgefüllt.
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Zertifikate nach ISO 6141 oder ISO/IEC 17025 belegen die Zusammensetzung und Messunsicherheit. Für industrielle Nutzer:innen bedeutet das: maximale Rückverfolgbarkeit und rechtliche Absicherung, etwa gegenüber Behörden oder bei der Validierung von Produktionsprozessen.
In der Anwendung spielt die Sicherheit eine zentrale Rolle – insbesondere bei toxischen oder entzündlichen Gasen. Viele Betriebe setzen daher auf zentrale Gasversorgungssysteme, bei denen die Druckgasflaschen außerhalb der Laborbereiche installiert und über Edelstahlleitungen ins Gebäude geführt werden. Dies erhöht die Betriebssicherheit und schützt zugleich die Gasqualität auf dem Weg zum Analysesystem.
Maßgeschneidert oder Standard? Gasgemische nach Bedarf
Während Standardgemische für viele Routineanwendungen ausreichend sind, erfordern spezifische analytische Aufgaben individuell abgestimmte Gasgemische. Dabei zählen Faktoren wie die Zielkonzentration, Toleranzgrenzen, Matrixgas, chemische Stabilität und Lagerfähigkeit.
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Anbieter von Spezialgasen wie Messer Austria entwickeln solche maßgeschneiderten Lösungen auf Basis praxisnaher Beratung, etwa für die Abgasanalytik in der Fahrzeugprüfung oder für emissionsrelevante Komponenten in der Prozessindustrie.
Auch Prüfstellen und Kalibrierlabore setzen auf solche Gemische, etwa zur Erzeugung hochgenauer Konzentrationen im sub-ppm-Bereich. In vielen Anwendungen steht die Verfügbarkeit qualitätsgesicherter, zertifizierter Gemische im Vordergrund. Insbesondere dann, wenn keine eigenen Mischungskapazitäten vorhanden sind oder die Anforderungen an Genauigkeit und Dokumentation besonders hoch sind.
Trends und Perspektiven in der Gasanalytik
Analytik und Anforderungen an Betriebsgase entwickeln sich kontinuierlich weiter. Messsysteme werden zunehmend kompakter und automatisiert in Prozesse integriert, etwa zur Inline-Überwachung von Produktionslinien. Das verändert auch die Anforderungen an die Gasversorgung, etwa hinsichtlich Stabilität, Umschaltlogik und Wartungsfreiheit.
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Ein weiteres Thema ist die Nachhaltigkeit: Rückgewinnungssysteme für Trägergase oder die Substitution besonders energieintensiver Gase gewinnen an Bedeutung. Auch EU-Vorgaben zu Rückführbarkeit und Prüfnormenkonformität steigen, insbesondere für Emissionsmessungen oder pharmazeutische Qualitätssicherung.
Fazit: Unsichtbar, aber entscheidend – Spezialgase als Erfolgsfaktor
Spezialgase sind zentrale Komponenten in analytischen Systemen. Ihre Bedeutung wird jedoch oft erst sichtbar, wenn Messergebnisse instabil werden oder Normvorgaben nicht eingehalten werden können. Für industrielle Anwendungen lohnt sich daher der präzise Blick auf Spezifikationen, Gasqualität, Versorgungskonzepte und Kalibrierstrategien.
Ob Standard- oder maßgeschneidertes Gemisch: Die Qualität der Gase entscheidet über die Aussagekraft der Analytik und damit letztlich über die Steuerbarkeit industrieller Prozesse, die Produktsicherheit und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben.