Stahlindustrie : Stahl: WTO-Beitritt Russlands macht Druck auf Europa

Europas Stahlindustrie lebt mit strukturellen Überkapazitäten. Der Präsident des europäischen Stahlverbands Eurofer und voestalpine-Chef Wolfgang Eder beziffert diese mit rund 50 bis 60 Millionen Tonnen. Der im Herbst anstehende Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO) werde den Druck mittelfristig noch stark erhöhen, sagte der Stahl-Boss laut "Neue Zürcher Zeitung" (Dienstagsausgabe). Seit 2009 liege der europäische Stahlverbrauch bei 115 bis 150 Millionen Tonnen jährlich."Auf Dauer nicht zu halten" Kurzfristig werde sich durch den WTO-Beitritt Russlands wenig ändern. In den nächsten 20 Jahren dürften aber Russland, die Ukraine und die Türkei zu den Hauptversorgern Europas bei einfachen Stählen werden. Westeuropa könne hier bei den Kosten nicht mithalten. Das europäische Gesellschafts- (und nicht nur das Sozial-)System ist laut Eder einfach zu teuer. "Auf Dauer ist die Erzeugung einfacher Stahlqualitäten in Europa nicht zu halten." Massenstahl macht in der Branche rund 70 Prozent der Gesamtproduktion aus. Hier gehts weiter

2012 dürfte der Stahlverbrauch in Europa höchstens 140 Millionen Tonnen ausmachen, verwies Eder auf die jüngste Prognose von Eurofer von Mittel Juli. Darin sind auch Importe im Volumen von 8 bis 10 Millionen Tonnen enthalten. In einem durchschnittlichen Stahljahr betrage der nachhaltige Bedarf in Europa höchstens 150 Millionen Tonnen.Ängste auf beiden Seiten Nach 17 Jahren Verhandlungen wird Russland Teil der WTO. Der Beitritt zu der Organisation, welche die internationalen Handelsbeziehungen regelt, schürt Ängste auf beiden Seiten: Die EU befürchtet mit dem Auslaufen der Quotenregelung eine Flut von Stahl tieferer Qualität, und die russischen Hersteller sorgen sich um ihre Positionen bei der Autoindustrie des Landes. Im oberen Preissegment sei das Gefälle zwischen europäischen und russischen Produkten weiterhin groß.Vorübergehende Erholung? Für das zweite Halbjahr 2012 rechnet Eder mit einer vorübergehenden Erholung der Stahlnachfrage. Die Auffüllung der zuletzt sehr knapp gehaltenen Bestände sollte einen Nachfrageschub auslösen, der aber bestenfalls drei Monate anhalten werde. Eine dauerhafte Besserung sei erst zu erwarten, wenn die großen Unsicherheitsfaktoren wie Euro- und Verschuldungskrise sowie die Entwicklung in China neutralisiert würden. (APA)