Gabor-Investor Karl-Heinz Schlecht : Neo-Industrieller Schlecht: „In Ungarn produzieren wäre teurer”
Industriemagazin: Sie sind Chef der Schuhfabrik Parabiago Collezioni mit Sitz nahe Mailand, stellen dort Schuhe des französischen Designers Thierry Rabotin her und wollen jetzt österreichischer Industrieller werden. Haben Sie Sehnsucht nach Ihrer Heimat? Schlecht: Bis vor wenigen Monaten habe ich nicht im entfernsten daran gedacht. Aber dann hörte ich, dass die Firma Gabor in Spittal an der Drau geschlossen werden soll und die Möglichkeit gesehen, dort eventuell unsere Produktion zu erweitern. Leider wird es auch in Italien immer schwieriger, gute Leute für die Schuhfertigung zu bekommen, weil sich nur noch wenige für dieses mühevolle Handwerk interessieren. Die Gabor-Mitarbeiter kannte ich von einem Besuch von vor vier Jahren, als ich zum Erfahrungsaustausch dort war und hatte sie als sehr engagiert in Erinnerung. Und wie haben Ihre Partner, Giovanna Ceolini und Thierry Rabotin, mit denen Sie die Firma in Mailand gemeinsam führen, auf Ihre Pläne reagiert? Schlecht: Sie fanden die Idee interessant, sahen allerdings auch die Schwierigkeiten. Denn es ist schon ein Balanceakt, der da zu vollführen ist. Wir müssen die Gabor-Mitarbeiter, die jahrelang Schuhe industriell hergestellt haben, umschulen auf unsere stark handwerklich geprägte Fertigung, bei der Zeit eine eher untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr kommt es auf die Güte der Nähte, den hochwertigen Zwirn, die Liebe zum Detail an. Sie dürften Überzeugungsarbeit geleistet haben, denn seit dem 7.Oktober 2010 ist Ihre TR Produktion GmbH im österreichischen Firmebnbuch eingetragen. Wann werden Sie den ersten Schuh in Spittal nähen? Schlecht: Ab ersten November haben wir rund 1.000 Quadratmeter der ehemaligen Gabor-Halle gemietet. Diese muß noch unseren Bedürfnissen angepaßt werden, wir hoffen aber, mit der Produktion Anfang nächsten Jahres beginnen zu können. Zunächst übernehmen wir acht ehemalige Gabor-Mitarbeiter. Diese Anzahl ergibt sich aus dem Produktionsablauf. Mit einem Team dieser Größe können wir die Arbeitsschritte Schneiden und Steppen bewerkstelligen. Wenn das gut funktioniert, ist geplant, im Dreimonatsrhythmus jeweils eine weitere Gruppe aufzunehmen, so dass in Zukunft gegebenenfalls rund 40 bis 50 Mitarbeiter in Kärnten beschäftigt werden können. Aber wäre es nicht günstiger gewesen, eine Fertigung in Osteuropa oder China aufzuziehen? Schließlich findet dort bereits ein großer Teil der weltweiten Schuhproduktion statt. Schlecht: Vor Jahren haben wir aufgrund von Produktionsengpässen versucht, einen kleinen Teil der Fertigung nach Ungarn zu verlagern. Damals kostete dort eine Minute Nähen elf Cent, in Italien 30 Cent. Das Produkt, das wir geliefert bekamen, entsprach in keiner Weise unseren Anforderungen. Entweder mußte alles von uns nachbearbeitet oder komplett ausgemustert werden. Damit war die ungarische Produktion schließlich teurer als die in Italien. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die von unseren Kunden erwartete Qualität nicht mit der Fertigung in einem Billiglohnland garantiert werden kann. Sie verzichten nicht nur auf die Fertigung in Billiglohnländern, sondern kaufen dort auch keine Waren oder Maschinen ein. Warum haben Sie sich diese Restriktion auferlegt? Schlecht: Aus Gründen der Qualitätssicherung beziehen wir nur in wenigen Ausnahmefällen Produkte, die außerhalb Europas hergestellt wurden. Zudem legen wir großen Wert darauf, zunehmend Maßnahmen bei der Produktion einzubinden, die die Auswirkungen des Fertigungsprozesses auf die Umwelt mindern. Daher wollen wir auch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der neuen Firma in Italien errichten. Sie haben das italienische Schuhunternehmen Parabiago Collezioni Srl 1999 gegründet. Wie wird ein Verkaufsleiter von Humanic Schuhfarbikant? Schlecht: Mitte der achtziger Jahre war ich für Humanic auf der Suche nach neuen Designern. Da ich schon viel von Thierry Rabotin gehört hatte, wollte ich ihn unbedingt kennenlernen. Giovanna Ceolini, seit mittlerweile 18 Jahren meine Lebensgefährtin, war damals seine Produktionschefin. Wir haben schnell gemerkt, ähnliche Vorstellungen zu haben, was einen guten Schuh ausmacht. Daraus entstand dann die Idee, gemeinsam eine Rabotin-Fertigung aufzuziehen. Die preiswertere Linie, mit der wir starteten, kam bei den Kunden allerdings nicht so gut an, so dass wir uns etwas Neues überlegen mussten. 1999 erhielten wir dann das Angebot, eine in Konkurs geratene Schuhfabrik nahe Mailand zu übernehmen. Dort fertigen wir seitdem ausschließlich hochwertige Rabotin-Schuhe. Und kann man damit Geld verdienen? Schlecht: Seit der Gründung konnten wir die Produktion um 1100 Prozent steigern. Nur im Wirtschaftskrisenjahr 2009 mussten wir einen leichten Rückgang verkraften, heuer werden wir aber wieder wachsen und rund 20 Millionen Euro umsetzen. Mittlerweile liefern wir unsere Schuhe an 600 Kunden in über 50 Länder weltweit. Dadurch haben wir es mit sehr unterschiedlichen Geschmacksrichtungen zu tun. Große Mengen auf Lager zu produzieren, ist für uns daher nicht möglich. Das finanzielle Risiko ist in den Preislagen, in denen wir uns bewegen, einfach zu groß. Ihre Produktion muss dann aber in der Lage sein, sehr große Auftragsschwankungen zu verkraften? Schlecht: Ja, das haben wir bisher dadurch erreicht, dass wir mit externen Nähern und Steppern zusammenarbeiten. Das erfordert allerdings einen hohen Aufwand in der Kommunikation und Logistik, deshalb wollen wir künftig wieder mehr selber fertigen. Daher auch der Schritt nach Kärnten. Was sagen Sie Ihren neuen Mitarbeiterinnen, wenn diese Sie fragen, was einen Rabotin-Schuh ausmacht? Schlecht: Wir entwerfen Schuhe, die sowohl durch ihre Optik als auch durch ihren hohen Tragekomfort bestechen, also eine synergetische Symbiose von Ästhetik und Funktion darstellen. Als Schuhfabrikant legen Sie sicherlich selbst viel Wert auf gutes Schuhwerk. Von welcher Marke war das erste Paar, für das Sie tief in die Tasche gegriffen haben? Schlecht: Es waren Schuhe von Church, die haben damals rund 2.600 Schilling gekostet. Damit waren sie teurer als der VW-Käfer, den ich kurze Zeit später einem Freund abgekauft habe. Ich selbst besitze übrigens gar nicht so viele Schuhe, vielleicht 30 Paar. Einmal in der Saision entledige ich mich aller Schuhe, die ich zwei Jahre nicht getragen habe. Nur ein paar schöne Stücke behalte ich. Und noch eine praktische Frage zum Schluss: Wie bewahrt man Schuhe am besten auf? Schlecht: Meiner Meinung nach gibt es nur eine sinnvolle Aufbewahrungsart - und das ist die Originalschachtel. Da sich auf ihr häufig der Name der Marke und ein Bild des Schuhs befindet, kann man sich so viel Zeit mit Suchen ersparen. Interview: Vanessa Voss Zur Person: Karl-Heinz Schlecht Für schöne Schuhe hatte Karlheinz Schlecht schon als Jugendlicher ein Faible. Er begann als Schuhverkäufer und arbeitete sich zum Vertriebsleiter von Österreichs größter Schuhhandelskette Humanic auf. Auf der Suche nach neuen Designern begegnete er in den 90er Jahren dem Franzosen Thierry Rabotin und seiner Produktionschefin Giovanna Ceolini. Zusammen gründeten sie 1999 die Schuhmanufaktur Parabiago Collezioni mit den Markenschuhen Thierry Rabotin. Heute setzt das Unternehmen rund 20 Millionen Euro pro Jahr um und liefert in über 50 Länder weltweit. Um weiter wachsen zu können, mietete sich Karlheinz Schlecht in die ehemaligen Gabor-Hallen in Spittal an der Drau ein. Hier sollen innerhalb eines Jahres 40-50 Mitarbeiter in die Kunst der Schuhmanufaktur eingearbeiet werden.