Biomasse : Kesselbau: Feuer und Flamme

Wenn sich Oststeirer Gedanken über die Verwertung spanischer Olivenkerne machen, zeigt dies von internationaler Strahlkraft österreichischer Umwelttechnologie. Die Ingenieure des Biomasse-Kesselbauers KWB aus St Margarethen an der Raab tüfteln derzeit an einer Technik, wie die Überbleibsel der nordspanischen Olivenölproduktion einer sinnvollen thermischen Verwertung zugeführt werden können. Bis jetzt werden abertausende Tonnen an Kernen in den spanischen Atlantik geschüttet – sinnlos, wie die österreichischen Umwelttechniker meinen. Die „KWB – Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH“ lässt 35 ihrer insgesamt 305 Mitarbeiter (200 davon in Österreich) nachdenken, wie Biomassekessel für Wohnhäuser und kommunale Anwendungen effizienter, flexibler und komfortabler bedienbar werden können. „Innovation ist unser Trumpf im Wettbewerb“, sagt Erwin Stubenschrott, Geschäftsführer von KWB, und meint dabei nicht nur die Position seines Unternehmens, sondern die gesamte Branche. „Die Sache“ lodert. Österreich verfügt mit über 70 einschlägig aktiven Unternehmen über eine extreme Dichte an mittelständischen Herstellern von Heizungskesseln, die mit Biomasse funktionieren. Biomasse bedeutet in 99 Prozent der Fälle, dass die Heizungsanlagen mit Scheiterholz, Hackgutschnitzel oder Pellets befeuert werden. Holz ist dabei der zentrale Rohstoff. Heu, Raps, Pferdemist, Getreide oder Olivenkerne sind am Biomasse-Markt nur Randthemen. Erwin Stubenschrott, Biobauer und gelernter Schlosser, hat 1994 begonnen, die ersten Kessel für Biomasseheizungen herzustellen. Mitgesellschafter und Ezzes-Geber der ersten Stunde war August Raggam, mittlerweile emeritierter Leiter des Forschungsinstitutes „Alternative Energienutzung - Biomasse“ an der TU Graz. Raggam ist der Daniel Düsentrieb der heimischen Biomasse-Szene, der die Branche immer noch auf Trab hält. In Büchern, Zeitungsartikeln und Vorträgen zieht er mit großer Vehemenz gegen fossile Brennstoffe und Atomenergie vom Leder. Raggam setzt auf die Verbreitung seines Mantras:: „Der Weltenergiebedarf ist bereits heute zur Gänze mit erneuerbarer Energie zu decken.“ Und: „Die Wärmeversorgung der österreichischen Bundesländer und ihrer Hauptstädte könnte zu 100 Prozent aus heimischer Biomasse erfolgen“. Raggam kommt als einer von mittlerweile fünf Gesellschaftern immer noch alle 14 Tage im Werk in St. Margareten vorbei, um „die Sache“ am Lodern zu halten. Champions League. Wenn es weltweit um die Gewinnung von Wärme und Energie aus nachwachsenden Rohstoffen geht, zählen österreichische Unternehmen zu den Technologie- und Marktführern. 60 Prozent der deutschen Zentralheizungen, die mit Biomasse befeuert werden, holen ihre Energie aus österreichischen Kesseln. Die Exportraten der österreichischen Hersteller liegen durchwegs zwischen 70 und 90 Prozent. Zu den anderen Zielländer zählen neben dem Atomstrom-Land Frankreich, das sich – nicht allen bekannt - stark in der kommunalen Biomasse-Verbrennung engagiert, die osteuropäischen Nachbarstaaten und Übersee. Dezentrale Energieversorgung ist in Schwellenländern ein interessantes Thema. Unternehmen wie Polytechnik aus dem niederösterreichischen Weissenbach/Triesting oder Binder aus dem sterischen Bärnbach, die sich auf mittel- und großvolumigen Biomasse-Heizanlagen spezialisiert haben, gelten weltweit als Vorreiter bei variablen Befeuerungstechniken. Fernwärmeeinrichtungen in Russland, Japan oder Chile werde dabei Biomasse aus Holz, Mais, Elefantengras, Triticale oder auch Getreide betrieben werden. Dabei geht es um Kessel im Leistungsbereich bis 50.000 Watt Heizungswärme, die ausreichen, um ganze Stadtteile aufzutauen. KWB und der Großteil der heimischen Kesselbauer sind hingegen auf Größenordnungen von 20 bis 600 kW spezialisiert, die für Einfamilienhäuser bis hin zu kleinen Nahversorgungsheizwerken mit bis zu 20 Haushalten ausgerichtet sind. Die Hersteller mit dem kleinvolumigen Leistungsprogramm sind in erster Linie auf Zielgruppen unter den Hausbauern und Sanierern im mittleren europäischen Umfeld ausgerichtet. Das Potential ist im erweiterten Heimmarkt noch groß: In Deutschland und Österreich sind nur acht Prozent der Zentralheizungen auf einem modernen Energiestandard. Erwin Stubenschrott: „In unserer Branche bietet Europa noch echte Wachstumsmärkte.“ Holzland Österreich. Die Vormachtstellung der Österreicher hat ihren Grund. Biomasse-Kessel aus Österreich sind Weltspitze, weil die Landschaft für einen Überfluss an Holz sorgt. Von den jährlich nachwachsenden 31 Millionen Kubikmeter Holz werden lediglich zwei Drittel (20 Millionen Kubikmeter) genutzt, ein Drittel verbleibt im Wald und vergrößert dessen Fläche. Dazu kommt eine Struktur unter den Waldbesitzern, bei der 50 Prozent des Waldgebietes auf kleine und kleinste Flächen aufgeteilt sind. Im Umkehrschluss: Gerade am Land haben viele Bewohner Zugang zu eigenen Holzressourcen, deren Nutzung immer stärker ausgeweitet wird. Die Hackschnitzelaufbereitung von bislang ungenutzten Holzabfällen im Wald und die Produktion von aus Sägemehl hergestellten Pellets sorgten Mitte der neunziger Jahre für ein neues Angebot an Heizmaterial, das nach entsprechenden Anlagen verlangte. Endlich konnte rieselfähiges Heizgut automatisch über Bänder oder Schnecken in den Kessel befördert werden. Das nervige Nachlegen der traditionellen Holzöfen entfällt seither. In den vergangenen 20 Jahren wurden 179.000 Biomasseanlagen installiert. Österreichweit haben die Biomasseanlagen mit 21.300 Installationen im Jahr 2009 einen Marktanteil von 26,5 Prozent im Kleinfeuerungssegment unter 100 Kw, dem klassischen Zentralheizungsmarkt: 50 bis 60 Prozent der Kessel verheizen Pellets, der Rest der Biomasse-Anlagen arbeitet mit Stückholz oder Hackschnitzel. Stagnation nach Absturz. Die Wachstumsraten am Markt für Biomasse-Kessel fanden sich in den vergangenen Jahren im bescheidenen einstelligen Bereich. Von 2008 auf 2009 schrumpfte der Absatz in Österreich sogar um 5,3 Prozent, die Produktion konnte durch den hohen Auslandsanteil aber stabil gehalten werden. Die Akteure sind mit dem aktuellen Trend aber nur mäßig zufrieden. Erwin Stubenschrott: „Wir hängen stark von den Entwicklungen des Erdölpreises ab“. Erst wenn der Heizölpreis an der Ein-Euro-Marke schrammt oder darüber klettert, heizt sich das Geschäft mit den Holzbefeuerungen auf. Zweiter Hemmschuh für eine Fortführung des schnellen Wachstums bis 2005 war ein Knieschuss, denn sich die Biomasse-Branche selbst beigefügt hat. Im Herbst 2006 explodierte der Pelletspreis binnen 20 Tagen von 173 Euro pro Tonne auf 250 bis 260 Euro. Dazu kamen Lieferschwierigkeiten, die manchen Besitzer von Pelletsanlagen im Winter 2006/2007 im Kalten sitzen ließen. Die Gerüchte um künstliche Lieferverknappungen verstärkten die katastrophale Außenwirkung auf Interessenten. Seither ist die euphorische Wachstumsstimmung früherer Jahre einer nüchternen Bestandsanalyse gewichen, die in der Branche der zahlreichen mittelständischen Kesselbauer trotz des Marktpotentials zu Übernahmen und Stilliegungen führen wird. Erwin Stubenschrott erzählt von „zahlreichen Übernahme-Angeboten, die regelmäßig bei uns auf dem Tisch landen.“ Die Konzentration der Anbieter hat schon begonnen: Die deutsche Viessmann-Gruppe, ein Spezialist für Heizsysteme mit 9000 Beschäftigten in 32 Ländern, kaufte 2006 in Hard am Bodensee den Großprojekt-Spezialisten Mawera und 2007 die Köb Holzheizsysteme GmbH mit Sitz in Wolfurt. Andere große Heizungskesselhersteller wie Buderus, Windhager oder Hoval sind ebenfalls auf Pirsch, um den Zug ins Biomasse-Land nicht zu versäumen. Zuschuss-Abhängig. KWB setzt hingegen weiter auf neue Ideen. Neben den Olvienkernen suchen die Steirer Techniker nach Methoden, wie aus Heu Pellets gepresst werden kann. Erwin Stubenschrott: „Die Rohstoffkapazitäten übertreffen bei Heu die Größenordnung der Holzpellets.“ Dadurch wäre das Problem der ungemähten Brachen in vielen ländlichen Gemeinden zu lösen. Stubenschrott weiß aber, dass die Idee nach Förderaktionen verlangt: „Private Investitionsentscheidungen in Heizanlagen sind stark von Zuschüssen abhängig.“ Die österreichische Mineralölwirtschaft konnte 2009 durch Subventionen bis zu 3000 Euro pro Ölheizung den Absatz um 87 Prozent steigern. Stubenschrott: „Das brauchen wir auch.“ Josef Ruhaltinger