EU fordert Aufrüstung : Österreich bremst bei Verteidigungsausgaben: EU fordert Aufrüstung trotz Haushaltskrise und Reformstau

Laut der Frühjahrsprognose 2025 der Kommission machen die heimischen Verteidigungsausgaben im Jahr 2025 auf 0,8 Prozent des BIP aus.
- © Das Österreichische BundesheerDie EU-Kommission hat im Rahmen des Europäischen Semesters 2025 am Mittwoch in Brüssel ihre aktuellen wirtschaftspolitischen Empfehlungen für Österreich veröffentlicht. Die Liste ist lang: Verteidigungsausgaben anheben, Staatsfinanzen stabilisieren, Pensionsalter erhöhen, Kinderbetreuung ausbauen, Steuersystem umbauen und die Energieabhängigkeit verringern.
Das Europäische Semester dient als Frühwarnsystem gegen übermäßige Staatsverschuldung, Reformverzögerungen und wirtschaftliche Ungleichgewichte. Mit ihren Empfehlungen will die EU-Kommission verhindern, dass Mitgliedsstaaten die Maastricht-Kriterien verletzen – also ein Budgetdefizit über drei Prozent und eine Gesamtverschuldung über 60 Prozent des BIP.
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Österreich soll Militärausgaben deutlich steigern
Die Diskussion um die Verteidigungsausgaben in Österreich nimmt mit den aktuellen Empfehlungen der EU-Kommission neuen Schwung auf. Die Kommission verlangt eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben: „Verstärkung der Gesamtausgaben für Verteidigung und Bereitschaft im Einklang mit den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels vom 6. März 2025.“
Mit lediglich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2024 und einer geplanten Steigerung auf 0,8 Prozent im Jahr 2025 liegt Österreich weiterhin deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Die Kommission sieht darin ein gravierendes Problem, vor allem angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa und der gemeinsamen Beschlüsse auf dem EU-Gipfel vom 6. März 2025. Dort hatten sich die Mitgliedstaaten auf eine verstärkte militärische Zusammenarbeit und eine schrittweise Annäherung an das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben verständigt – auch wenn viele EU-Staaten keine NATO-Mitglieder sind. Österreichs Beitrag bleibt jedoch bislang marginal, weshalb Brüssel nun dringend zum Handeln auffordert. Um diese Quote zügig anzuheben, empfiehlt die Kommission die Aktivierung der nationalen Ausweichklausel, die es erlaubt, bestimmte Militärausgaben aus der Defizitberechnung herauszurechnen. Mit der Ausweichklausel sollen nationale Investitionen in die militärische Infrastruktur, Ausrüstung und Truppenstärke nicht automatisch zu einem Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien führen. Bereits 16 EU-Staaten haben diesen Mechanismus beantragt, um rasch auf gestiegene sicherheitspolitische Anforderungen reagieren zu können – Österreich bislang nicht.
Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten zählt Österreich zu den Schlusslichtern bei den Verteidigungsausgaben: Der EU-Durchschnitt liegt laut Daten der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) bereits bei rund 1,5 Prozent des BIP. Länder wie Polen und die Baltischen Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Militärausgaben teils massiv erhöht – Polen etwa investiert mittlerweile über 4 Prozent seines BIP in die Landesverteidigung. Auch Staaten wie Frankreich (rund 2 Prozent) oder Rumänien (ca. 2,3 Prozent) liegen deutlich über dem EU-Schnitt und orientieren sich klar am NATO-Zielwert.
Zwar is zu berücksichtigen, dass Österreich als neutraler Staat keine Verpflichtungen gegenüber der NATO hat, jedoch im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU eingebunden ist. Auch dort steigen die Anforderungen an Beiträge zu internationalen Missionen, strategischer Autonomie und gemeinsamer Beschaffung. Die niedrige Ausgabenquote erschwert es, diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Verteidigungsausgaben versus Budgetdisziplin: Wie Österreichs Haushaltslage Aufrüstung bremst
Die Ausweichklausel ist vor dem Hintergrund der geopolitischen Entwicklungen von besonderer Bedeutung: Die anhaltenden Spannungen mit Russland, neue sicherheitspolitische Herausforderungen im Nahen Osten und die wachsende Notwendigkeit einer europäischen Verteidigungspolitik verlangen auch von neutralen Staaten wie Österreich eine erhöhte militärische Einsatzbereitschaft. Experten betonen, dass mit der aktuellen Budgetquote weder der Truppenstand noch die Einsatzfähigkeit des österreichischen Bundesheeres auf einem international vergleichbaren Niveau gehalten werden können. Auch Investitionen in Cyberabwehr, Luftverteidigung und Mobilitätsinfrastruktur bleiben unterfinanziert.
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Kritiker verweisen jedoch auf die angespannte Haushaltslage: Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben könnte in Konkurrenz zu wichtigen Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Soziales treten. Genau hier bietet die Ausweichklausel einen pragmatischen Weg, notwendige Investitionen zu tätigen, ohne das strukturelle Defizit unnötig zu belasten. Aus Sicht der EU-Kommission ist die Nutzung dieser Regelung ein Gebot der Stunde – insbesondere, um den gestiegenen Anforderungen an die europäische Sicherheitsarchitektur gerecht zu werden und gleichzeitig finanzpolitisch verantwortungsvoll zu handeln.
Warnung vor instabilen Staatsfinanzen
Die Kommission sieht zudem akuten Reformbedarf bei den öffentlichen Finanzen. In ihrem Bericht ist von „entschlossenen Maßnahmen zur Sicherung der Tragfähigkeit“ die Rede. Österreich müsse unter anderem das Pensionssystem modernisieren und die tatsächliche Jahrgangspensionierung deutlich nach oben verschieben. Außerdem kritisiert Brüssel das verästelte Transfersystem zwischen Bund und Ländern, das laut Kommission die Effizienz staatlicher Ausgaben mindert.
Ein weiteres Problem sieht die Kommission in der unzureichenden Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Es gebe zu wenige und nicht ausreichend flexible Kinderbetreuungseinrichtungen. Die EU fordert gezielte Investitionen, um Vollzeitbeschäftigung für Frauen attraktiver zu machen und die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden im Land zu erhöhen.
Auch der Steuermix steht in der Kritik: Die Belastung konzentriert sich weiterhin stark auf Löhne und Konsum, während kapitalbezogene und ökologische Steuern eine geringe Rolle spielen. Brüssel empfiehlt eine steuerpolitische Neuausrichtung sowie mehr Förderung für Start-ups, insbesondere bei Risikokapital für Scale-ups.
Zwar bescheinigt die EU-Kommission Österreich Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien, dennoch bleibt die Importabhängigkeit hoch: Zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs werden über Erdöl- und Gasimporte gedeckt. Gleichzeitig sind die Energiepreise stark angestiegen.
Die Kommission rät zu einer Reform des Elektrizitätsgesetzes, zum Ausbau eines flexibleren Strommarkts und zu einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Energie-Infrastrukturprojekte. Ziel ist eine spürbare Reduktion des Anteils fossiler Brennstoffe.