Maschinenbauer in Insolvenz : Wie Khu um seine Existenz ringt

Peter Khu, Namensgeber des 1980 gegründeten Unternehmens

Sondermaschinenbauer Khu: "Die Projekt-Vorfinanzierung wird immer schwerer zu stemmen"

- © Khu Sondermaschinenbau

Peter Khu hat schon angenehmere Jahreswechsel erlebt. Seit mehr als 30 Jahren konstruiert und fertigt sein Betrieb Sondermaschinen, in den goldenen Zeiten des Zeitungsdrucks optimierte er Rotationsoffsetdruckmaschinen der Druckereigruppe Goldmann in Tulln und erzielte so ansehnliche Outputsteigerungen. Sein Gespür für die richtigen Technologien zur richtigen Zeit ließ ihn nie im Stich: Mit vollautomatischen Kabelkonfektionsanlagen sicherte er in Europa domizilierten - und hier produzierenden - Zulieferern der Automotive-Industrie bis zuletzt ein wirtschaftliches Standbein.

Dass die Insolvenz seines Unternehmens - Passiva: rund zwei Millionen, 52 Gläubiger sind betroffen (Quote: 20 Prozent binnen zwei Jahren) - Anfang Februar weit über die Maschinenbaubranche hinaus Wellen schlug und auch Tageszeitungen die Pleite des Mittelständlers mit 25 Mitarbeitern nach einer KSV-Aussendung aufgriffen, erstaunte Khu, der kürzlich 64 Jahre alt geworden ist, dann doch. Mehr noch, wie emotional vereinzelt einige Gläuber am Telefon reagierten. Berühmtheit erlangt ein Entwickler dann doch lieber über seine Innovationen.

Panorama und Innovationen

Auch INDUSTRIEMAGAZIN berichtete im Februar über die Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung und das Vorhaben, das 1980 gegründete Unternehmen zu reorganisieren und fortzuführen. Vor fast einem Jahrzehnt besuchte das Medium Khus Fertigung 15 Fahrminuten nördlich von Wien - im Industriegebiet gelegen und mit Schneebergblick gesegnet. Damals schuf sich Khus Truppe, bis heute ein Berufsgruppenmix vom Lackierer bis zum Ingenieur, per Dachdurchbruch Luft für den Bau einer XXL-Extrusionsmaschine. Von den wirtschaftlichen Problemen, die das Unternehmen nun ereilt haben, ist heute vordergründig wenig zu sehen.

Der Schneeberg ist immer noch da, der Rückkatalog an umgesetzten Projekten wuchs stetig und auch die Fertigungshalle zeigt - wie 2014 - eine erstaunliche Dichte an Maschinen und Prototypen, an denen gefeilt wird. Unweit eines Kreuzspinners, der Geschwindigkeitsrekorde in der Glasfaserindustrie brechen soll, findet sich ein Kabelendbearbeitungsautomat, ein paar Schritte weiter wiederum ein Highspeed-Palettierroboter, der ohne große verbaute Massen auskommt. Fast also wäre es ein Maschinenbaueridyll.

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Hochgeschaukelt

Doch in den vergangenen drei Geschäftsjahren schaukelten sich die Probleme hoch. Sorgen, die vielen in der Maschinen- und Anlagenbaubranche bekannt vorkommen dürften. Laut Khu fiel ein Hauptkunde der kabelverarbeitenden Industrie aus, Corona-Reiserestriktionen, die Kostenexplosion bei Material und Energie - Khu unterhält einen eigenen Stahlbau, der als recht energieintensiv gilt - "machten es zusehends schwerer, das Schiff zu steuern", sagt er. Corona-Kurzarbeitshilfen wurden dankbar angenommen.

Sie hätten wohl aber "auch einen Schleier über die eigene Betriebsleistung gelegt", gibt Khu zu. Anlagen mussten laut Khu mit Verlust verkauft werden, in den Bilanzen fanden sich nicht wie die Jahre zuvor kleine, aber feine Gewinne in Höhe einiger Hunderttausend Euro, sondern rote Zahlen. Auch, weil die Notwendigkeit übersehen wurde, rechtzeitig auf Preisabsicherungsmechanismen zu setzen. Khu: "Wir haben allerdings auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, eine ganze Mannschaft an Anwälten in Dienst zu stellen, die uns nachverhandelt".

Sondermaschinenbauer Khu: "Nicht die finanziellen Möglichkeiten, eine Mannschaft an Anwälten in Dienst zu stellen, um nachzuverhandeln".

- © Khu

Für die Fahrzeugversuchanslage Rail Tec Arsenal gebauter Propellerprüfstand für im Klimawindkanal in Wien

- © Peter Khu Sondermaschinenbau

Vorfinanzierung kaum zu stemmen.

Und da ist er, wie er findet, bei einem Kernproblem des europäischen Sondermaschinenbaus angelangt - der schwindenden Teamausrichtung in Partnerschaften. Arbeitete man bisher sehr wertschätzend mit Auftraggebern gemeinsam an Lösungen, unterstützte sich gedeihlich, bis alle Seiten mit dem Ergebnis zufrieden waren, geben Großunternehmen immer öfter ganze Produktentwicklungsschritte - samt umfänglicher Dokumentationspflichten - ab. "Da wird die Vorfinanzierung von Projekten - zumal in der Einzel- und nicht Kleinserie - immer schwerer zu stemmen", sagt Ivan Zuparic, Marketingleiter und Entwickler an Khus Seite.

Einen solchen Fall hat Khu auf seinem Schreibtisch liegen. Durch gut 90 Seiten - beidseitig bedruckt - müsste er sich ackern, um im Bewerbungsprozess für die Fertigung einer Zusatzeinrichtung einer Extrusionsanlage auch nur einen Schritt weiter zu kommen. Dass der Compliancekult US-amerikanischer Schule, der längst Europa erfasst hat, immer stärker auf den Mittelstand durchgreift, ist nicht neu. Khu kann das auch nachvollziehen, wenn es etwa um den sicheren Betrieb von Anlagen geht. Doch alles von der richtigen Datenschnittstelle abhängig zu machen, um ein Erstanbot übermitteln zu können - ein solches Prozedere voller Stolpersteine und juristischer Fallstricke bringe den europäischen Maschinenbau "um seine Existenz", sagt Khu.

Folgt Fusion?

Das ist in weiterer Folge nicht nur Khus Problem. Er arbeitet mit den großen Namen der Industrie, erprobt neuartige Abisolationstechnik für Hochvoltprodukte eines Automobilzulieferers im Westen Österreichs gleichermaßen wie er Kabelherstellern wie RFS Maschinen baut. Immer wieder gebe es solche rühmlichen Ausnahmen - so habe die US-Firma seine Produktion gar aus China rückverlagert, Khu entwickelte und produzierte den Sonderbau einer vollautomatischen Jumperproduktionsanlage für einen deutschen Standort, in der nun zwei Doppelarmroboter Dienst verrichten.Mundpropaganda - unterlegt von einem guten Ruf: Irgendwann kreuzte in den vergangenen drei Jahrzehnten jeder mal Khus Wege. In seinem Büro in Hagenbrunn reihen sich an Skizzen, Konstruktionspläne und Prototypen auch Innovationspreise.

Dass noch einige mehr dazukommen, daran arbeiten Khu und seine Mitarbeiter mit aller Kraft. In der Pandemie war er hier und entwickelte Ideen weiter - da werden bald "Früchte zu ernten sein", sagt er. Die Quote im Insolvenzverfahren zu erfüllen sehe er als realistisches Ziel an.

Und: Es gibt Überlegungen einer Unternehmensfusion. Einer aus der Region, der Produzent von Kabelsignatoren und Beschichtungsanlagen Medek & Schörner aus Großebersdorf, geht aus der Deckung: CEO Rudolf Descovich bestätigt gegenüber INDUSTRIEMAGAZIN Interesse an einer Verschmelzung beider Unternehmen zu dann einem 100-Mitarbeiter-Unternehmen. Man kenne und schätze einander aus gemeinsamen Projekten im Bereich Glasfaserproduktion. Auch mit einem steirischen Unternehmen sei man in Gesprächen, so Khu.

Kreuzspinner
Kreuzspinner für das Abbinden von Glasfasern zu Bündeln - © Khu