Welser Profile Green Steel : Von Grünem Stahl bis KI: Wie Welser Profile den Wandel aktiv mitgestaltet

Thomas Welser Welser Profile

„Kreativität lässt sich nicht beauftragen, man muss die Rahmenbedingungen schaffen.“
Thomas Welser, CEO Welser Profile

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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Welser, die europäische Metall- und Stahlverarbeitung steht unter massivem Druck. Wie stellt sich die Lage aus Sicht von Welser Profile dar? 

Thomas Welser: Wir kümmern uns in Europa beim Stahl oft nur um die Importe oder die Stahlherstellung, aber wir müssen genauso berücksichtigen, dass die Stahlverarbeitung ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung ist. Es gab Fälle, wo wir das Wettbewerbsprodukt aus China günstiger bekommen hätten, als wir den Stahl dort überhaupt einkaufen hätten können. Das ist markant. Der Exportmarkt wird immer schwieriger, und wir sprechen mit Kunden immer häufiger darüber, wie wir überhaupt noch für Europa fertigen können und wie stark der Wettbewerb chinesischer Hersteller global, aber auch in Europa wird. Wenn wir nicht zielgerichtete Maßnahmen setzen, haben wir ein echtes Thema. Unsere großen Kunden haben selbst viele Fragezeichen, und Prognosen sind schwer möglich, aber es ist klar: Wenn die EU nicht gegensteuert, wird es enorme Auswirkungen haben. 
 

Tipp! Sehen Sie hier das Video zum Steel Community Day!


Sie zählen zu den Treibern von Grünem Stahl in Europa. Warum sind Sie diesen Weg so früh gegangen? 

Welser: Einer unserer Werte ist „Pionier aus Begeisterung“. Sobald wir Veränderungen sehen, wollen wir rasch verstehen, was passiert, und Lösungswege ausprobieren. Wir waren in vielen Bereichen sehr früh unterwegs und oft die Ersten, die Grünen Stahl gekauft haben – sogar bei Firmen, die noch gar nicht in ihrer späteren Rechtsform existierten. Wir wollen vorne dabei sein, weil es ein Teil unserer DNA ist. Jedes Stahlwerk und jeder neue Spieler hat eine andere Philosophie, und wir haben früh reagiert. Wir haben einen sehr breiten Zugang, Sie finden uns etwa auch in Zusammenarbeit mit skandinavischen Start-ups. 

Welchen Nutzen haben Ihre Kunden davon? 

Welser: Wir haben bis heute über 25 000 verschiedene Querschnitte realisiert und ein Vielfaches mehr an Entwicklungen begleitet. Allein dadurch sind wir gezwungen, viele Materialien tief zu verstehen – über Chemie, Festigkeit, Oberflächen, Herkunft und eben darüber, wie grün der Stahl wirklich ist beziehungsweise sein kann. Diese Transparenz haben wir uns erarbeitet. Wir haben dadurch einen Kennerstatus entwickelt, der uns hilft, Kunden beraten zu können. 

Der politische Rückenwind für grüne Materialien hat zuletzt nachgelassen. Hemmt das Ihr Engagement? 

Welser: Nein. Wir wollen mit Weitsicht agieren. Scope 1 und 2 sind wir gut unterwegs, Scope 3 wird spannend. Aber es wäre eine Illusion, zu glauben, dass wir in den nächsten Jahren 100 Prozent Grünen Stahl haben werden – leistbar und verfügbar. Das wird nicht gehen. Wir bleiben aber dran, weil es wichtig ist, uns auf diesem Weg zu entwickeln. Entscheidend ist, dass wir die Lernkurve mitgehen. Unsere Anstrengungen beziehen sich aber nicht nur auf Grünen Stahl: Wir setzen auch Zeichen in Richtung Kreislaufwirtschaft, Ecodesign oder emissionsreduzierte Transportmethoden. 
 


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Welche Rolle spielen die Kosten bei Grünem Stahl? 

Welser: Mehrkosten sind immer ein Thema, aber entscheidend ist die Frage: Was bekomme ich dafür? Transparenz, Verlässlichkeit, Etikettierbarkeit. Wir liefern Daten, Beratung und Know-how. Das erleichtert unseren Kunden vieles. Wir haben uns mühsam aufgebaut, Unterschiede in Materialien zu erklären, und dafür sind Kunden dankbar. Und wir lernen ständig dazu. 

Welser Profile ist höchst innovationsfreudig. Wie organisieren Sie das? 

Welser: Wir haben kein klassisches Ideenmanagement. Wir wollen ein Ökosystem schaffen, das Kreativität ermöglicht. Kreativität lässt sich nicht beauftragen, man muss die Rahmenbedingungen schaffen. Kreativität wächst, wenn man Freiräume gibt. 

Und wie verankern Sie diese Kultur organisatorisch? 

Welser: Wir haben eine lange Geschichte und eine starke DNA: Begeisterte Menschen formen Möglichkeiten für Generationen. Wir wollen, dass Kreativität und Engagement sichtbar werden und dass Menschen in Themen eintauchen können, ohne dass alles über Hierarchien laufen muss. 

Sie haben Ihr Führungsmodell grundlegend erneuert. Was bedeutet das? 

Welser: Früher sind Entscheidungen die Hierarchie hinaufgelaufen. Heute wollen wir, dass die Menschen, die sich am besten auskennen, die beste Lösung finden. Es ist ein Zusammenspiel von Vertrauen und dem Übernehmen von Verantwortung. Die Führungskraft ist weniger Anleiter und mehr Enabler. Wir haben 2018 begonnen und ein neues organisationsweites Modell, das Veränderungsfähigkeit unterstützt. Die Transformation hat kein Ende, aber die Wirkung ist sichtbar – bei den Menschen und bei der Zusammenarbeit. 

Nachhaltigkeitsregulierung wird immer aufwendiger. Wie gehen Sie damit um? 

Welser: Die Regulatorik ist eine große Herausforderung. Für unseren Nachhaltigkeitsbericht benötigen wir zusätzlich 600 Kennzahlen. Damit können Sie Menschen beschäftigen, die nur Daten sammeln – aber dadurch hat sich noch nichts geändert. Wir haben eine starke Polarisierung: Wenn die Ökonomie stirbt, wird es auch keine Ökologie geben. Wir müssen Ökologie, Ökonomie und Soziales gemeinsam denken. 

Thomas Welser über den Steel Community Day: "Viele Gäste haben gespürt, wie viel Energie, Engagement und Begeisterung in unserem Team steckt"

- © Welser Profile

Wie beurteilen Sie Europas Position im globalen Wettbewerb? 

Welser: Unsere größte Herausforderung ist, dass wir kein gemeinsames Zukunftsbild haben. Wir haben viele fragmentierte Zugänge. Wenn wir es nicht schaffen, Interessen zusammenzuführen und eine klare Richtung zu entwickeln, wird es schwierig. Wir müssen die europäische Wertschöpfung absichern. Der asiatische Raum hat eine enorme Transformationsgeschwindigkeit. Wir dürfen nicht glauben, dass wir die Zeit haben, die wir gewohnt waren. Wir müssen klarer, schneller und verbindlicher werden. 

Was müsste konkret passieren? 

Welser: Ein gemeinsames Zukunftsbild kann nur entstehen, wenn Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Am Beispiel vom Steel Community Day sieht man, was es bringt, wenn Interessenspartner zusammenkommen, die gemeinsam etwas bewegen wollen. Wir müssen unsere europäische Stahlverarbeitung politisch anders bewerten. Sonst wird es sehr schwer, in diesem Wettbewerb zu bestehen. 

Der Steel Community Day wurde Mitte November von Welser Profile in Gresten ausgerichtet. Wie lief es? 

Welser: Es lief sehr gut! Am stärksten hat mich das außergewöhnlich positive Feedback zu unseren Mitarbeitern beeindruckt. Viele Gäste haben gespürt, wie viel Energie, Engagement und Begeisterung in unserem Team steckt. Natürlich waren auch die Vorträge hochkarätig, aber das, was wirklich nachgewirkt hat, war die Atmosphäre, die durch unsere Leute entstanden ist. Das hat gezeigt, dass unsere Kultur und unser Spirit beim Event authentisch erlebbar wurden. 

Thema dort war unter anderem auch KI und digitale Transformation. 

Welser: KI war ein wesentlicher Schwerpunkt – nicht abstrakt, sondern sehr konkret als Frage: Wie erreicht digitale Transformation die Menschen? Unser Zugang ist, ein resilienteres Ökosystem zu schaffen, das schnell auf äußere Anforderungen reagieren kann. Genau diese Denkweise haben wir auch im Rahmen der KI-Taskforce der Industriellenvereinigung präsentiert. Der Steel Community Day hat gezeigt, wie wichtig es ist, Menschen in diesen Wandel mitzunehmen und Technologie so einzusetzen, dass sie Innovationskraft und Veränderungsbereitschaft stärkt.

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