Temu, Shein & Co. : Temu-Lawine sorgt für Milliarden-Schaden: EU kippt Zollfreigrenze für Billigimporte

Ham Laakdal, Belgium - September 08, 2024: Sea Shipping Containers of TEMU a giant new Chinese mail order company.

Laut EU-Kommission kommen 91% aller eCommerce-Importe mit einem Warenwert unter 150 Euro aus China. Das Volumen hat sich innerhalb eines Jahres von 1,9 auf 4,2 Milliarden mehr als verdoppelt.

- © AA+W - stock.adobe.com

Die EU-Wirtschafts- und Finanzminister treffen sich am Donnerstag in Brüssel, um die bereits angekündigte Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro für Importe aus Drittstaaten final zu beschließen. Ziel der Maßnahme ist es, der zunehmenden Paketflut im europäischen Binnenmarkt entgegenzuwirken. Der Reformvorschlag gilt als weitgehend unstrittig und findet laut Angaben des Rates Unterstützung in allen Mitgliedsstaaten. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) wird aus terminlichen Gründen nicht an dem Treffen teilnehmen.

>>> Temu-Lager in Wien: Ermittler decken Sozialbetrug bei Logistikpartnern auf

Nach Daten der EU-Kommission stammten im Jahr 2024 rund 91 Prozent der E-Commerce-Importe mit einem Warenwert von bis zu 150 Euro aus China. Das Volumen dieser Sendungen stieg demnach innerhalb eines Jahres von 1,9 auf 4,17 Milliarden Pakete – mehr als doppelt so viel wie 2023. Insgesamt wurden 2024 etwa 4,6 Milliarden Päckchen in die EU eingeführt – eine Vervierfachung gegenüber 2022. Die geplante Abschaffung der Zollfreigrenze soll auch ein Signal an europäische Händler sein, die zunehmend unter Wettbewerbsdruck geraten.

Wie es in einer Mitteilung des Rates heißt, habe der exponentielle Anstieg des Onlinehandels „zu unlauterem Wettbewerb für EU-Unternehmen geführt und Umweltbedenken aufgeworfen“. Nicht-europäische Unternehmen hätten einen Anreiz, größere Warensendungen in kleinere Lieferungen aufzuteilen, um Zollzahlungen zu umgehen. Die Abschaffung der Freigrenze ist Teil der umfassenden EU-Zollreform, die bis Jahresende abgeschlossen werden soll.

Nie mehr eine wichtige News aus der Logistik verpassen? Hier geht es zu unseren Newslettern!

EU setzt auf Lagerpflicht und Rücksende-Reform: Heimischer Handel begrüßt Kurswechsel

Bereits im Vorfeld hatte das EU-Parlament dem Kommissionsvorschlag zugestimmt. Ziel ist es unter anderem, außereuropäische Händler dazu zu bewegen, Lagerkapazitäten innerhalb der EU aufzubauen, um Lieferungen effizienter und nachhaltiger abzuwickeln. Die Parlamentarier erhoffen sich dadurch eine Reduktion der Vielzahl einzelner Paketsendungen. Die Rücksendung von Waren erfolgt oft kostenlos, was zu einem enormen Transport- und Verpackungsaufwand führt und insbesondere von Umweltorganisationen kritisiert wird.

>>> Wird dieser 4-Punkte-Plan zur Zoll-Waffe gegen Chinas Billig-Importe?

Auch Vertreter des österreichischen Handels sehen in der Reform eine wichtige Maßnahme zur Wettbewerbswahrung. „Jede Maßnahme, die die Paket-Flut von außerhalb Europas eindämmt, ist daher im Sinne des heimischen Handels“, erklärte Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Er verwies auf das „aggressive Wachstum chinesischer Plattformen“. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sprach in diesem Zusammenhang von einem „wichtigen Signal für fairen Wettbewerb“.

Die EU-Wirtschafts- und Finanzminister:innen werden voraussichtlich morgen in Brüssel die Abschaffung der Zollfreigrenzevon 150 Euro für Pakete aus Drittstaaten fixieren. Damit soll die Paketflut aus Fernost endlich eingedämmt werden.

- © Daniel - stock.adobe.com

Handelsverband warnt vor Milliarden-Schaden durch systematischen Zollbetrug

Der österreichische Handelsverband kritisiert die bisherige Regelung scharf. „Die EU-Zollfreigrenze von 150 Euro wird von den Online-Ramschhändlern aus Fernost systematisch ausgenutzt, um Zollabgaben zu vermeiden und die Einfuhrumsatzsteuer zu verringern. Das läuft sowohl über bewusste Falschdeklarationen, als auch über die Stückelung von Paketsendungen in Teillieferungen“, erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, in einer Aussendung.

>>> Temu: Wie der chinesische Billig-Marktplatz funktioniert

„Wir reden hier nicht von Einzelfällen, sondern von einem kriminellen Massenphänomen. Das schadet dem europäischen Handel, den Innenstädten und der öffentlichen Hand massiv. Das Schadensausmaß liegt allein in Österreich bei bis zu 4,5 Milliarden Euro.“ Der Verband setzt sich gemeinsam mit dem europäischen Dachverband Ecommerce Europe seit einem Jahrzehnt für eine Abschaffung der Freigrenze ein.

INFOBOX: Temu – Plattform im Visier der Wettbewerbsbehörden

Name: Temu

Betreiber: PDD Holdings (vormals Pinduoduo Inc.)

Herkunft: Volksrepublik China

Gründung: 2022

Geschäftsmodell: Online-Marktplatz mit Direktversand von Billigwaren – meist aus chinesischer Produktion – direkt an Endkundinnen und -kunden weltweit

Zielmärkte: USA, Europa, u. a. auch Österreich

Kritikpunkte:

  • Umgehung von Zoll- und Steuerregelungen durch Falschdeklaration und Paketstückelung
  • Massive Umweltbelastung durch kleinteilige Direktlieferungen
  • Verdacht auf unlauteren Wettbewerb

Reaktion in Österreich:

  • August 2024: UWG-Beschwerde des Handelsverbands bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gegen Temu wegen irreführender Geschäftspraktiken
  • Ermittlungen der BWB laufen

Handelsverband-Forderung: 

Plattformhaftung und strengere Regulierung für Online-Marktplätze aus Drittstaaten

Serie Junge Führungskräfte