Thyssenkrupp : Stoppt der Stahlriese Thyssenkrupp seine Milliarden-Pläne für klimaneutrale Produktion?

Thyssenkrupp Duisburg  Stahl

Der kriselnde deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp nimmt seine vom Staat mit Milliardensummen unterstützten Pläne für eine klimaschonende Produktion unter die Lupe.

- © Thyssenkrupp

Der angeschlagene deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp überprüft derzeit seine staatlich geförderten Pläne für eine umweltfreundliche Produktion. Der überarbeitete Businessplan soll zusätzliche Einblicke in die "grüne Transformation" des Stahlbereichs liefern, wie die Tochtergesellschaft Thyssenkrupp Steel Europe am Sonntagabend bestätigte.

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"Dabei prüfen wir fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von Thyssenkrupp langfristig klimaneutral aufzustellen." Aktuell geht das Unternehmen davon aus, dass die geplante Direktreduktionsanlage unter den aktuellen Rahmenbedingungen realisierbar ist.

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- © Industriemagazin

Grüne Transformation für Thyssenkrupp zu teuer?

Diese Stellungnahme erfolgte als Reaktion auf einen Bericht des "Handelsblatts", wonach der Vorstand unter der Leitung von Miguel Lopez die Prüfung der Pläne für die etwa drei Milliarden Euro teure Anlage eingeleitet hat. Laut dem Bericht, der sich auf interne Dokumente beruft, wird auch ein mögliches Aussetzen des Projekts in Betracht gezogen.

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Thyssenkrupp plant bislang, die Anlage bis 2027 in Betrieb zu nehmen. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen haben bereits Fördermittel in Höhe von zwei Milliarden Euro zugesichert, die je nach Baufortschritt freigegeben werden sollen. Jedoch könnten zusätzliche Kosten im dreistelligen Millionenbereich entstehen.

Seit Monaten wird Thyssenkrupp von internen Konflikten erschüttert, insbesondere im Hinblick auf die Ausgliederung der Stahlsparte. Konzernchef Lopez plant, das volatile Stahlgeschäft in ein Joint Venture mit der Energie-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky zu überführen. Kretinsky besitzt bereits 20 Prozent und verhandelt über den Erwerb weiterer 30 Prozent.

"Bislang größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland"

Thyssenkrupp erhielt Ende Juli 2023 grünes Licht von der EU für staatliche Unterstützung in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro, um seine Stahlproduktion in Duisburg klimafreundlicher zu gestalten. Bund und das Land Nordrhein-Westfalen dürfen den größten deutschen Stahlhersteller bei der Umstellung auf eine grüne Stahlproduktion finanziell fördern. Im Rahmen des Projekts soll ein traditioneller Hochofen, der erhebliche Mengen an CO₂ ausstößt, durch eine moderne Direktreduktionsanlage ersetzt werden.

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Langfristig ist geplant, in dieser Anlage erneuerbaren Wasserstoff einzusetzen, um den CO₂-Ausstoß weiter zu senken. Die EU-Kommission erteilte Ende Juli nach monatelanger Prüfung die offizielle Genehmigung für diese Beihilfe in Brüssel.

Das Bundeswirtschaftsministerium bezeichnete das Vorhaben als das bislang größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland. "Es ist ein richtig guter Tag, der zeigt, dass das Industrieland Deutschland eine grüne Zukunft hat", erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Das Projekt signalisiere auch "die Standorttreue der energieintensiven Industrien, die sagen, wir wollen in Deutschland bleiben, wir wollen hier transformieren". Zudem, so Habeck, gebe es der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa "einen weiteren Push".

Die innovative Anlage sollte nach den ursprünglichen Plänen Ende 2026 in Betrieb gehen und zunächst mit Erdgas betrieben werden. Ab 2029 sollte dann Wasserstoff zum Einsatz kommen, was den CO₂-Ausstoß bei der Stahlproduktion erheblich reduzieren soll. Obwohl das Baufeld bereits vorbereitet ist, wurde der eigentliche Bau noch nicht gestartet. Die Arbeiten sollen von der nordrhein-westfälischen SMS Group für 1,8 Milliarden Euro durchgeführt werden. Ziel war es, spätestens 2045 die gesamte Stahlproduktion bei Thyssenkrupp klimaneutral zu gestalten.

Thyssenkrupp Förderung Steht
Wirtschaftsminister Robert Habeck überreicht den Förderbescheid von fast 2 Milliarden Euro - © Thyssenkrupp

Thyssenkrupp vor massivem Stellenabbau

Thyssenkrupp steht vor einem einschneidenden Stellenabbau: Der neue Stahlchef Dennis Grimm bereitet die rund 27.000 Mitarbeiter von Thyssenkrupp Steel Europe auf eine Reduzierung der Belegschaft vor. "Wir können noch nicht genau beziffern, wie viele Menschen wir nach der Fertigstellung des Business-Plans und den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern beschäftigen werden", erklärte Grimm der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ). Klar sei jedoch, dass es weniger Beschäftigte sein werden als heute. Harte Einschnitte seien unvermeidlich.

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"Wir müssen profitabler werden", betonte Grimm. Er übernahm das Amt von Bernhard Osburg, der nach internen Konflikten mit Konzernchef Miguel Lopez über die Zukunft der Stahlsparte zurückgetreten ist. Lopez plant, die Produktionskapazitäten aufgrund der schwachen Nachfrage zu reduzieren und das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky zu überführen. Die Arbeitnehmervertreter befürchten den Verlust Tausender Arbeitsplätze.

Die aktuelle Marktlage hat sich in den vergangenen Monaten nochmal verschlechtert, und eine Erholung ist leider nicht in Sicht.

Grimm erläuterte weiter: "Die aktuelle Marktlage hat sich in den vergangenen Monaten nochmal verschlechtert, und eine Erholung ist leider nicht in Sicht." Die schwache Nachfrage, insbesondere in der Automobilindustrie, gepaart mit hohen Energiekosten und Billig-Konkurrenz aus Fernost, setzt Thyssenkrupp Steel massiv unter Druck.

Thyssenkrupp hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Umstrukturierung ergriffen, darunter auch umfangreiche Stellenabbauprogramme. Laut Finanzvorstand Klaus Keysberg wurden von den geplanten 13.000 Stellenstreichungen bereits 11.000 umgesetzt. Darüber hinaus führte der Verkauf mehrerer Geschäftsbereiche, wie der Aufzugssparte, zu einer deutlichen Reduzierung der Belegschaft. Aktuell beschäftigt der Konzern etwas mehr als 98.000 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag die Zahl der Beschäftigten noch bei 162.000.