nista.io optimiert Energieverbrauch : Benjamin Mörzinger, nista.io: "Es ist wirklich erschreckend"

Datenanalyse und -integration sowie die Digitalisierung von Industrieunternehmen im Kontext der Energieeffizienz sind die Themen, mit denen Benjamin Mörzinger sich seit Jahren intensiv beschäftigt. Zunächst im Rahmen seiner Forschungstätigkeiten am AIT, der TU Wien und der Freien Universität Bozen- und jetzt als Co-Gründer von Nista.io.
- © nista.io/Stefan DiesnerMit einem Klimaschutzpaket hat sich die EU das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 die CO2-Emissionen um 55 Prozent und den Energieverbrauch um 40,5 Prozent zu senken. Der ökologische Wandel soll unter anderem durch eine massive Reduktion von Abgasen in der Industrie erreicht werden. Das Wiener Start-up Nista.io hilft Unternehmen mit Hilfe von KI, ihre Energieeffizienz deutlich zu verbessern. Längst setzen energieintensive Industriebetriebe wie die Radkersburger Metalforming oder die Hightech-Schmiede Krenhof auf die smarte Lösung des kleinen Wiener Unternehmens, das mit seiner Software nun in die gesamte DACH-Region expandieren will.

Wie ist die Idee zu Nista.io entstanden?
Benjamin Mörzinger: Wir sind ein Ableger der TU Wien, wo sich auch das Gründerteam zusammengefunden hat. Ich habe Maschinenbau studiert und mich im Rahmen meiner Dissertation mit Energieeffizienzprojekten großer Industrieunternehmen beschäftigt. Dabei hat sich schnell herausgestellt, dass man hier sehr viel einsparen kann. Bisher war das aber nicht im Fokus der Industrie, weil die Energiepreise noch deutlich niedriger waren und zum anderen solche Projekte als zu aufwändig angesehen wurden. Mir war damals schon klar, dass das Thema Energieeffizienz in Zukunft eine immense Rolle spielen wird und durch den Krieg in der Ukraine und die dadurch explodierenden Energiepreise hat sich das auch schnell bewahrheitet.
Sie versprechen eine jährliche Senkung der Energiekosten und Emissionen um 20 Prozent. Gilt das auch für die energieintensive Industrie?
Mörzinger: Wir betreuen derzeit rund 20 Projekte, darunter auch einige in der Industrie. Und da zeigt sich, dass auch deutlich bessere Ergebnisse als die angestrebten 20 Prozent erzielt werden können. Energieeffizienz ist auch aus wirtschaftlicher Sicht in kurzer Zeit ein entscheidendes Argument geworden. Auf die Unternehmen kommen Berichtspflichten zu, die sie verpflichten, für jedes Produkt den CO2-Ausstoß anzugeben. Das wird für viele Unternehmen sehr aufwändig. Meine Erfahrung ist, dass in der Industrie die meisten Unternehmen immer noch mit Excel arbeiten. Und da versuchen wir mit unserer Softwarelösung eine Alternative zu bieten, die sich möglichst automatisiert um das Energiemanagement kümmert. Wir entwickeln uns zu einer integrierten Plattform, die das gesamte Energiemanagement in einer Lösung zusammenfasst.
Der Fokus in der Produktion lag bisher auf Produktivitätssteigerungen und nicht auf Energie.
Wieso wurde das Thema Energieeffizienz in der Industrie so vernachlässigt?
Mörzinger: Es ist wirklich erschreckend. Selbst die großen Industrieunternehmen sind in diesem Bereich völlig unterdigitalisiert. Das ist aber auch irgendwie verständlich, denn rein kostenmäßig war es bisher für die meisten nicht relevant. Der Fokus in der Produktion lag bisher auf Produktivitätssteigerungen und nicht auf Energie. Bestenfalls wurden einfache Inhouse-Lösungen gestrickt, aber durch die Preisexplosion haben wir jetzt eine neue Situation.
Es sind also nicht die EU-Richtlinien, die zum Umdenken bewegen, sondern die Energiekosten?
Mörzinger: Ja, dieser Preisschock hat zu einem Kontrollverlust in den Unternehmen geführt - das steckt den Geschäftsführern, den Energieverantwortlichen noch in den Knochen. Die Kosten sinken jetzt wieder, aber das Thema bleibt strategisch auf dem Schirm. Aber natürlich haben jetzt alle auch die EU-Richtlinien und die ganzen Berichtspflichten im Blick. Der bürokratische Aufwand wird hier enorm steigen.
Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht das Ziel einer Energieeinsparung von über 40 Prozent bis zum Jahr 2030 - vor allem für die Industrie eine Herausforderung?
Mörzinger: Es gibt Vorreiterunternehmen, die elektrifizieren und die gerne noch viel mehr machen würden, wenn es wirtschaftlich sinnvoll wäre. Aber man braucht Infrastruktur, die teilweise nicht vorhanden ist. Ich glaube, die Frage stellt sich gar nicht. Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Es ist völlig illusorisch, auch nur zu glauben, dass wir in Europa da noch irgendeinen Vorsprung haben. China, die USA sind viel weiter. Und wenn wir da nicht aufholen, wird es in Europa einfach keine wesentliche Produktion mehr geben. Die Konsequenzen kommen aber auch vom Kunden. Der Kunde will wissen, wie viel CO2 in einem Produkt steckt. Da sind die Berichtspflichten das kleinere Problem.
Die technischen Möglichkeiten von KI sind in unserem Markt derzeit noch völlig irrelevant.
Hinter ihrem Produkt verbirgt sich eine künstliche Intelligenz. Was macht diese KI genau? Mit welchen Informationen wird sie trainiert und was leistet sie?
Mörzinger: KI leistet das, was ein ganzes Team von sehr guten Energiemanagern leistet, aber zu einem viel geringeren Preis. In jedem Unternehmen gibt es Daten, die den Energieverbrauch messen. Das fängt bei ganz einfachen Informationen vom Netzbetreiber an und geht bis hin zu Maschinendaten. Und was wir machen, ist, dass wir diese Zeitreihendaten mit unserem Domänenwissen, das wir natürlich haben und das wir auch immer weiter ausbauen, weil wir ja auch mit unseren Kunden lernen, kombinieren und schauen, dass wir möglichst viel von diesen Managementaufgaben automatisieren. Was unsere Software sehr gut kann, ist, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche hunderte von Datenpunkten zu analysieren und die Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern. Mit Hilfe von KI kann man das erstaunlich schnell machen und entsprechend skalieren.
Was wird in Zukunft mit KI im Bereich Energieeffizienz noch möglich sein?
Mörzinger: Die Wahrheit ist: Die technischen Möglichkeiten von KI sind in unserem Markt derzeit noch völlig irrelevant. Die meisten Unternehmen sind noch weit davon entfernt, ihre Daten überhaupt zu sehen. Dass wir mit unserer Lösung KI sehr niederschwellig in die Unternehmen bringen können, ist also schon ein Gamechanger. Aber schon bald werden wir in der Lage sein, mit Hilfe von KI wilde Dinge zu tun. Man kann zig Datenpunkte miteinander korrelieren und damit erstaunliche Ergebnisse erzielen. Aber die große Herausforderung, die ich im Moment sehe, ist, Data Science verständlich zu machen.