KI in der Industrie : Lieferketten-Wende: Wie smarte Algorithmen den Unterschied machen

KI-gestützte Lösungen wie das Digital Control Center von STRG analysieren Daten in Echtzeit – und machen Lieferketten resilienter, schneller und effizienter.
- © STRG.atDas Wichtigste vorweg: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bedeutet nicht automatisch bessere Lieferketten. Richtig eingesetzt und mit qualifizierten Partnern umgesetzt, kann diese Technologie aber zu einem regelrechten Game-Changer werden und Einsparungen in Millionenhöhe bringen.
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Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht lautet allerdings: Umsonst gibt es solche Lösungen nicht, auch wenn sie sich schnell wieder amortisieren. Einen der wichtigsten Gründe, warum Lieferketten-Optimierung mit intelligenten Algorithmen zunächst einmal Arbeit und ein gerüttelt Maß sowohl an intellektueller als auch monetärer Investition bedeutet, betonen die Experten des Wiener KI- und Softwarespezialisten STRG: „Der sichtbare Kern eines Unternehmens ist sein Endprodukt. Doch der USP, der es einem Unternehmen erlaubt, sich von der Konkurrenz abzuheben, ist die Art, wie dieses Produkt hergestellt wird. Das ist klarerweise sehr oft ein Betriebsgeheimnis und auch nicht so leicht digital abbildbar.“
Einzigartige Produktionsprozesse sind schwer kopierbar und damit der Schlüssel zu nachhaltiger Differenzierung. Wer es schafft, diese Prozesse intelligent zu digitalisieren und automatisieren, erzielt operative Effizienz (z. B. 30 % kürzere Durchlaufzeiten), höhere Resilienz (z. B. stabile Lieferketten trotz Engpässen) und Skalierbarkeit (z. B. schnelle Erweiterung auf neue Märkte). Genau hier entsteht die Basis für langfristige Marktführerschaft.
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Standard-ERP reicht nicht: Maßgeschneiderte KI für komplexe Abläufe
Doch damit KI-gestützte digitale Werkzeuge wirklich Nutzen stiften, müssen sie tief in die konkrete Produktionsrealität eines Unternehmens eintauchen. Standardisierte ERP-Systeme, die zentrale Planung versprechen, stoßen hier schnell an ihre Grenzen – sie können die einzigartigen Abläufe einzelner Werke schlicht nicht abbilden.
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Eugen Lindorfer, Prokurist und Leiter der KI-Forschungen bei STRG.AT betont den entscheidenden Vorteil lokaler Lösungsanbieter: Sie können direkt zum Kunden gehen, die Produktion vor Ort analysieren und eine maßgeschneiderte Lösung entwickeln. „Um solche Systeme integrieren zu können, braucht es ein tiefes Verständnis der Prozesse. Dazu muss man hier sein, beim Kunden. Aus der Distanz kann es nicht gelingen, die Daten und Prozesse des Kunden, beispielsweise in einem mittelständigen Fertigungsbetrieb, wirklich zu durchdringen“, erklärt Lindorfer.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass Unternehmen selten auf einer „digitalen tabula rasa“ starten. Überall existieren bereits Softwaresysteme, die in neue Supply-Chain-Lösungen integriert werden müssen. Dies erfordert entweder die Schaffung entsprechender Schnittstellen oder die Entwicklung passender Middleware, um beispielsweise ein bestehendes ERP-System mit einer neuen KI-gesteuerten Logistikplattform zu verbinden.
Um solche Systeme integrieren zu können, braucht es ein tiefes Verständnis der Prozesse. Aus der Distanz kann es nicht gelingen, die Daten und Prozesse des Kunden wirklich zu durchdringen.Eugen Lindorfer, Prokurist und Leiter der KI-Forschungen bei STRG.AT
Warum saubere Daten der Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung sind
Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn nur sehr selten können die bestehenden Datensätze einfach in ihrer aktuellen Struktur übernommen werden. „Rund 80 Prozent des Aufwands fließen bei KI- und Digitalisierungsprojekten in Datenbereinigung und die Zugänglichmachung der Daten“, erläutert Eugen Lindorfer, und macht die Bedeutung dieses Schritts deutlich. „Das ist kein Nebenschauplatz, sondern schafft die eigentliche Voraussetzung für den Erfolg.“
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Zur Verdeutlichung erwähnt er ein Projekt, bei dem ein Kunde in seinen österreichischen und europäischen Niederlassungen das gleiche ERP-Programm im Einsatz hatte. Dabei stellte sich heraus, dass in einer der osteuropäischen Niederlassungen im Feld für Zahlen stattdessen Notizen als Text eingetragen wurden. „Hätte man die Datensätze aus beiden Regionen ohne vorherige Prüfung miteinander verknüpft, wäre eine Berechnung der Daten im Nachhinein unmöglich gewesen.“
Von der Prognose zur Wirkung: Was modernes Forecasting leisten muss
Supply Chain Optimierungen und eine globale Planung mit einem hohen Automatisierungsgrad sollten mit Forecasting-Modellen verbunden werden, damit sie wirklich Mehrwert generieren können. Hier müssen wir aber weit über Zeitreihen hinausgehen. Sie muss nicht nur in der Lage sein, zu sagen, wie sich das Geschäft in bestimmten Szenarien entwickeln wird, sondern auch die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien in ihre Berechnungen einzubeziehen und auch selbstständig Szenarien, die eintreten könnten, zu identifizieren.
Gelingt das, dann sind gute Lösungen in der Lage, auch hochkomplexe Aufgaben zu übernehmen, etwa die Folgen von Preissteigerungen von Rohstoffen zu simulieren, Vorhersagen darüber zu treffen, wie Absatzmärkte auf eine Preiserhöhung reagieren würden, oder zu analysieren, ob bestimmte Produktgruppen aufgrund gestiegener Einkaufspreise überhaupt noch rentabel sind. Um das zu tun, müssen die dahinterliegenden KI-Modelle Ursache-Wirkung-Beziehungen tatsächlich verstehen und nicht bei bloßen Korrelationen hängen bleiben. Das Schlüsselwort ist hier Causal-AI, erst dann können sie unterschiedliche Szenarien wie zum Beispiel zehn Prozent Umsatzverlust in Land A, bei gleichzeitigem Fünf-Prozent-Zuwachs in Land B zuverlässig in Lagerhaltung, Logistik und Supply Chain übersetzen.
Digital Control Center: So wird KI in der Produktion Realität
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das Digital Control Center DCC, das STRG für einen Rohstoffhersteller entwickelt hat. Das Center bündelt alle ERP-Systeme, ermöglicht eine gemeinsame Planung von Einkauf, Produktion und Logistik und schlägt mithilfe von intelligenten Algorithmen automatisierte Produktionswege vor. Die Implementierung solcher Lösungen ist zwar mit höheren Kosten verbunden, zahlt sich aber langfristig immer aus. Es gibt viele Szenarien, bei denen Entscheidungen getroffen werden, die nicht auf Forecast, Simulation und Kausalität basieren. Ob diese Entscheidungen richtig sind, ist viel zu oft Glück und Zufall überlassen.