Anwendungsbeispiele für KI in der Industrie : Datenprojekte: 60 Prozent des Erfolgs liegen in der Vorbereitung

grafik AI und Industrial Data Science

Technik ist selten das Problem: Datengetriebene Projekte scheitern häufig an mangelhafter Vorbereitung, fehlender Datenqualität und falschen Erwartungen. Erfahren Sie, warum 60 Prozent des Erfolgs in der Planungsphase liegen – und wie Ansätze wie CRISP-DM und fundiertes Business Understanding den Unterschied machen.

- © TU Wien

„Würden Sie die Idee, mit dem Flugzeug von einem Wiener Bezirk in einen anderen zu reisen, für sinnvoll erachten?“, fragt Fazel Ansari und gibt sich gleich selbst die Antwort: „Natürlich nicht.“ Doch genau das, sagt der Universitätsprofessor für Datengetriebenes Instandhaltungsmanagement und Leiter des Forschungsbereichs Produktions- und Instandhaltungsmanagement an der TUWien, nämlich mit einem Flugzeug Strecken zu bewältigen, die am besten mit dem Fahrrad zu fahren sind, machen derzeit viele Unternehmen, wenn sie an den Einsatz von KI-Systemen denken. Sie investieren in komplexe Technologien, wo simple Lösungen ausreichen würden, oder noch schlimmer: Sie scheitern, weil sie von einer falschen Basis ausgehen.

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Andreas Steiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich Produktions- und Instandhaltungsmanagement der TU Wien, bringt ein weiteres Beispiel, das die Risiken verdeutlicht: „Ein visuelles Fehlererkennungstool mit einer Trefferquote von 95 Prozent klingt überzeugend. Aber bei der Inspektion von Flugzeugturbinen wünscht man sich vielleicht doch etwas mehr. Eine unzureichende Genauigkeit kann hier ja fatale Folgen haben und den gesamten Nutzen des Systems zunichtemachen.“

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Urteilskraft gefragt: Strategische Herausforderung KI

Ansari und Steiner beschreiben mit unterschiedlichen Vergleichen die gleiche Tatsache: Einzuschätzen, was Algorithmen und KI-Systeme leisten können, wann man sie sinnvoll nutzen kann und wann lieber nicht, ist für Entscheider in Industrieunternehmen derzeit eine große strategische Herausforderung. Schließlich sind Manager und leitende Angestellte in der Regel keine Daten- oder KI-Spezialisten.

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Das müssen sie auch nicht sein, sagt Ansari. Sie sollten aber ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, wie KI-Lösungen entstehen und wie die grundlegenden Konzepte hinter KI-Anwendungen aussehen, das lernen Führungskräfte im General & Technology MBA an der TU Wien Academy. Denn nur mit diesem Wissen können sie realistisch abschätzen, ob von einer Anwendung ein Mehrwert erwartet werden kann. Andernfalls drohen teure Irrwege und Projekte, die nie die erhofften Verbesserungen bringen.

Data Science verstehen

Eine strukturierte Vorgehensweise, um diese Risiken zu minimieren, gibt es bereits: CRISP-DM, was für Cross-Industry Standard Process for Data Mining steht. Von der TU Wien bzw. der TU Academy werden die Kernkonzepte daraus in einem eigenen Industrial-Data-Science-Kurs vermittelt, der Unternehmen und Organisationen befähigt, ihre KI-Transformation auf solider, wissenschaftlich fundierter Basis voranzutreiben.

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„Mit unserem Kurs wenden wir uns an Verantwortliche, die Data Science nutzen möchten, um bessere Entscheidungen zu treffen und so die betriebliche Effizienz zu steigern“, sagt Andreas Steiner. Programmierkenntnisse sind dafür nicht notwendig, betont er, wohl aber Interesse, zu verstehen, wie datenbasierte Lösungen Industrieunternehmen mehr Effizienz, mehr Innovation und mehr Wettbewerbsvorteile bringen.

Portraitbild Andreas Steiner, TU Wien
Andreas Steiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsbereich Produktions- und Instandhaltungsmanagement der TU Wien - © TU Wien

Schritt für Schritt zu besseren Datenprojekten

Entscheidend dabei ist zunächst einmal das Business Understanding, also eine Klärung, welche Wünsche ein Unternehmen mit einem KI-Projekt überhaupt verbindet. Nur nach den Problemen zu fragen, die mit Hilfe von datengetriebenen Projekten gelöst werden sollen, reicht dafür nicht aus, sagt Ansari: „Die erste Frage, die Projekt-Umsetzer normalerweise den Managern stellen, ist: Welche Pain-Points haben Sie? Und der Manager sagt dann zum Beispiel: Produktivität. Aber in Wahrheit liegt das Problem meist tiefer, etwa in der Verfügbarkeit der Anlagen.“

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Ein Maschinenbauer, der seine Produktionsausfälle reduzieren will, muss daher zuerst verstehen, welche Faktoren die Ausfälle tatsächlich verursachen, bevor er beispielsweise eine vorausschauende Wartung mit KI plant. Solange solche inneren Zusammenhänge nicht geklärt sind, sollte ein Datenprojekt erst gar nicht begonnen werden, betont Fazel Ansari.

Portraitbild Fazel Ansari, TU Wien
Fazel Ansari, Universitätsprofessor für Datengetriebenes Instandhaltungsmanagement und Leiter des Forschungsbereichs Produktions- und Instandhaltungsmanagement an der TU Wien - © TU Wien

Datenqualität als Fundament

Und auch danach sind weitere strukturierende Schritte nötig: Zum einen die Klärung, ob die für ein Projekt benötigten Daten überhaupt vorhanden sind und wenn ja, in welcher Form. Gerade in KMUs ist vieles noch immer nicht in digitaler Form vorrätig und muss zunächst, etwa mithilfe von OCR-Software digitalisiert werden. Die digital vorliegenden Daten wiederum müssen bereinigt, strukturiert und für eine spätere Modellierung aufbereitet werden.

Viele Unternehmen, weiß Ansari, unterschätzen diese Phase und beginnen zu früh mit der Modellierung. Scheitern ist dann programmiert. „Unsere Erfahrung zeigt nämlich: In einem gelungenen Projekt entfallen 60 Prozent der aufgewendeten Zeit auf das Verstehen der Geschäftsprozesse, die optimiert werden sollen, und auf die Vorbereitung der Daten. Der Rest geht dann verhältnismäßig schnell vonstatten.“

Weniger ist oft mehr

Erst, wenn die Datenfragen sorgfältig abgearbeitet sind, kann an die Modellierung eines Systems gegangen werden. Dass dabei immer die technisch modernste und komplexeste Methode zum Einsatz kommen muss, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Das Flugzeug-Beispiel, das Fazel Ansari gern bringt, verdeutlicht exakt diesen Punkt: „Es geht nicht um technische Extravaganz, sondern darum, mit so wenig Aufwand wie möglich den maximalen Nutzen zu erreichen.“ Manchmal ist das schon mit simplen Algorithmen erreichbar, weit abseits dessen, was heute unter KI verstanden wird.

Aus Sicht von Verantwortlichen, die selbst keine Datenexperten sind, ist der nächste Schritt von CRISP-DM, die Evaluierung, besonders wichtig. Denn hier geht es darum, einzuschätzen, ob die ersten Ergebnisse, die ein Modell liefert, plausibel sind. „Gerade aus der Management-Perspektive will man wissen: Was wurde eigentlich gemacht? Ist das wirklich nachvollziehbar?“, erklärt Andreas Steiner. Das Wissen, um solche Fragen stellen zu können und die Antworten auch zu verstehen, ist daher ein zentraler Punkt des von der TU Academy angebotenen Kurses.

Plausibel oder nicht?

Nachdem ein Modell erfolgreich entwickelt und seine Plausibilität überprüft wurde, folgt als sechster Schritt das Deployment, eine Anbindung des Modells an die bestehenden Strukturen. Letztlich ist das der Lackmustest. Denn die beste KI-Lösung nützt nichts, wenn sie nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird. „Die Lösung muss nicht nur technisch einsetzbar sein, sondern auch von den Mitarbeitern akzeptiert werden. Auch das wird oft übersehen oder zumindest unterschätzt“, erklärt Steiner.

Die letzte Phase, das Monitoring, sorgt schließlich dafür, dass eine implementierte Lösung dauerhaft zuverlässig funktioniert. Durchläuft ein Projekt alle Phasen, die CRISP-DM definiert, sind die Erfolgschancen hoch, wie die Erfahrung aus vielen Unternehmen zeigt. Und deshalb, finden Fazel Ansari und Andreas Steiner, macht es Sinn, sich mit dem Thema genauer auseinanderzusetzen.