Restrukturierung in der Industrie : Gottfried Spitzer, Deloitte Österreich: "Illiquidität kann fatale Folgen haben"

Gottfried Spitzer, Partner Deloitte Österreich

"Top down Leadership wurde zum Auslaufmodell." Gottfried Spitzer, Partner Deloitte Österreich

- © Thomas Topf

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Spitzer, welches sind derzeit die bedeutendsten Herausforderungen für den österreichischen Mittelstand?

Gottfried Spitzer:
Österreich befindet sich konjunkturell in keiner leichten Zeit. Die gegenwärtige Rezession, mit dem negativen BIP-Wachstum im ersten Quartal, fand den Ursprung in der Bauwirtschaft. Durch den Anstieg der Baukosten und der Immobilienpreise, die zum Teil baukostenbedingt und zum Teil auch zinsinduziert waren, kam es zu rückläufigen Baubewilligungen. Diese Schwäche strahlte auf Immobilienpreise, Baunebengewerbe und weiter auf den Baustoffhandel aus. Die Personalkostenerhöhungen im Bereich des Mittelstands, die in vielen Fällen dem KV geschuldet sind, steigerten die Personalkosten teilweise um 20 % in den vergangenen zwei Jahren. Im ersten Jahr konnte der Markt die Erhöhung noch mitnehmen, im zweiten Jahr fällt das schon schwerer und drückt sichtbar auf die Profitabilität der Unternehmen.

Der gleichzeitige Kostenauftrieb im Energiebereich sowie die höheren Raumkosten aufgrund der Mieterhöhungen verstärken den Effekt. Parallel dazu sind der anhaltende Fachkräftemangel, die fortschreitende Digitalisierung, sowie Nachhaltigkeitsvorgaben und Unternehmensnachfolge Themen, die die Unternehmen beschäftigen. Hinzu kommt die Herausforderung, das eigene Geschäftsmodell laufend auf künftige Anforderungen zu adaptieren. Sich all diesen Themen zu stellen und die richtigen Antworten auf die zahlreichen offenen Fragen zu finden, wird in vielen Unternehmen für die Zukunft erfolgsentscheidend werden.

Was sind die Erfolgsstrategien der KMU und mittelständischen Unternehmen in Österreich?


Spitzer:
Wir sehen drei Faktoren, die wesentlich für den Erfolg sind: ein stabiles und sicheres Geschäftsmodell, gesicherte Liquidität und eine motivierte Belegschaft. Das stabile Geschäftsmodell bildet die zentrale Grundlage, auf der langfristige Erfolge aufgebaut werden. Ebenso wichtig ist die gesicherte Liquidität, denn Illiquidität kann fatale Folgen haben – für das Unternehmen, die Unternehmensführung und die Mitarbeiter. Wenn diese beiden Säulen gut verankert sind, ist viel gewonnen. Um aber den maximalen Erfolg erreichen zu können, benötigt das Unternehmen eine motivierte Belegschaft. Sie ist der Katalysator für Qualität und Zukunftsfähigkeit.

Wie wichtig ist Leadership für die Motivation der Mitarbeiter?


Spitzer:
Wir erleben gerade einen Zeitenwandel. Top down Leadership wurde zum Auslaufmodell. Verantwortung und Information zu delegieren, hat entscheidend an Bedeutung gewonnen. Mitarbeiter, die sich einbringen dürfen, entwickeln nachweislich eine verstärkte Motivation am Arbeitsplatz.

Wieweit helfen Hilfsmittel wie AI und Digitalisierungsmaßnahmen, um Kosten zu reduzieren und effiziente Prozesse einzuführen?

Spitzer: Die Digitalisierung ist im Vormarsch. Synergien und Kostenvorteile durch gemeinsame Plattformen werden vermehrt genutzt. Mittlerweile haben viele Unternehmen von eigenen Servern auf Cloudservices umgestellt. Die Vielzahl an Daten, die Rechnerleistungen und auch das Desaster Recovery Management sind über große Dienstleister leichter und kostengünstiger zu bewältigen. Bei der Verwendung von AI stehen KMU sicher erst am Anfang. Leistbare Anwendungsbeispiele werden von den ersten Unternehmen in Anspruch genommen, der Weg ist aber noch weit.

Welche Rolle spielen die EU-Vorgaben und das CO₂-Reporting langfristig in den Investitionskosten?

Spitzer:
Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung trifft vorerst primär größere Unternehmen. KMU und mittelständische Unternehmen können aber durch Lieferkettenabhängigkeiten indirekt betroffen sein. Sie haben derzeit geringere Anforderungen und dadurch auch deutlich mehr Zeit, sich darauf vorzubereiten. Es lebt die Hoffnung, dass die nächste EU-Kommission ihr Versprechen wahr macht und 25 % der bereits geschaffenen Regelungen wieder zurücknimmt. Sonst katapultiert sich Europa aus dem internationalen Wettbewerb. Das muss man ganz klar sagen. Auch der „Regulierungswahn“ der EU wäre in diesem Zusammenhang zu nennen, wobei kleine Unternehmen hiervon ebenfalls weniger betroffen sind als die Großen.

Österreichs Mittelstandsunternehmen sind zu einem signifikanten Teil von Familien geführt. Wie gehen Unternehmensübergaben vonstatten und ab wann sollte die Nachfolgesuche beginnen?


Spitzer:
Im Idealfall erfolgt die Übergabe eines Unternehmens langfristig, geplant und geordnet – die Übergabe an die nachfolgende Generation wird häufig frühzeitig angestoßen, gelegentlich sogar über eine Familienverfassung geregelt. Ungeplante Übergänge kommen beispielsweise aufgrund von Krankheiten oder Todesfällen vor. Sie sind dann meist komplexe Unterfangen. Bei Familienübergaben empfehle ich auszuloten, ob die Person diese Aufgabe tatsächlich übernehmen will. Ist das der Fall, dann am besten mit einer guten universitären Ausbildung und externen Lehr- und Wanderjahren. Idealerweise sollten diese in betriebsähnlichen Unternehmen im Ausland absolviert werden.

Für die Persönlichkeitsentwicklung und den frischen Blick aus der Adlerperspektive sind diese Erfahrungen wesentlich. Erfahrungsgemäß sollten Unternehmen für eine erfolgreiche Übergabe bis zu zehn Jahre einplanen. Sollte sich in dieser Zeitstrecke für die Nachfolgegeneration ein anderer Lebensweg auftun, bleibt bei einer langfristigen Perspektive noch immer genug Zeit, entweder einen externen Manager zu suchen oder aber das Unternehmen an Dritte zu verkaufen. Die Nachfolgesuche fällt naturgemäß bei einem stabilen und ertragreichen Geschäftsmodell um einiges leichter.


ZUR PERSON:

Gottfried Spitzer ist Partner im Bereich Audit & Assurance bei Deloitte Österreich und in seiner Funktion als COO/CFO zudem Mitglied des lokalen Deloitte Managements. Er ist Steuerberater & Wirtschaftsprüfer und verantwortet den Bereich Private bei Deloitte. Dies umfasst Unternehmen im Eigentum oder unter der Führung durch private/natürliche Personen und Stiftungen sowie Start-ups und Private Equity. Seine Schwerpunkte liegen neben der prüferischen und beratenden Tätigkeit im Finanzdienstleistungssektor sowie in der Beratung und Prüfung von Mittelstandsunternehmen und Stiftungen.

Gottfried Spitzer, Partner Deloitte Österreich
"Erfahrungsgemäß sollten Unternehmen für eine erfolgreiche Übergabe bis zu zehn Jahre einplanen." Gottfried Spitzer - © Thomas Topf