Halbleiter aus Österreich : Infineon-Chefin Sabine Herlitschka: "Da liegt ein großer Reformbedarf auf dem Tisch."
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Die anhaltend schleppende Nachfrage macht dem deutschen Halbleiter-Hersteller Infineon, der in Österreich unter anderem ein Werk in Villach betreibt, zu schaffen.
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Die anhaltend schleppende Nachfrage macht dem deutschen Halbleiter-Hersteller Infineon, der in Österreich unter anderem ein Werk in Villach betreibt, zu schaffen.
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Im Geschäftsjahr 2024 musste Infineon Österreich nach zwei Rekordjahren einen Umsatzrückgang von 15 Prozent hinnehmen. Die Erlöse sanken von 5,6 auf 4,76 Milliarden Euro. Grund für die schwache Performance war ein Nachfragerückgang in den Kernbereichen Konsumenten- und Haushaltselektronik, Erneuerbare Energien und Automotive. Der erhoffte zyklische Aufschwung blieb aus und wird sich laut Vorstandsvorsitzender Sabine Herlitschka in nahezu allen Endmärkten weiter verzögern. „Für 2025 ist der Ausblick weiterhin gedämpft“, erklärte sie.
>>> Infineon in der Krise: Schwache Nachfrage, Sparprogramm und unsicherer Ausblick für 2025
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Marktentwicklung und Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung
Aktuell zeigt die Nachfragekurve laut Herlitschka kaum Dynamik. „Die Frühindikatoren haben wir im Blick, aber in den kommenden zwei Quartalen sind keine Aufwärtstendenzen zu erwarten.“ Eine Ausnahme bildet der Bereich Künstliche Intelligenz (KI), in dem Infineon mit führenden Herstellern zusammenarbeitet.
>>> Infineon kündigt massiven Stellenabbau an: 380 Jobs fallen in Österreich weg
Trotz des Ergebnisdrucks stieg die Mitarbeiterzahl leicht von 5886 auf 5977. Dennoch wird das Sparprogramm „Step up“ bis Ende des Geschäftsjahres 2026 weiter umgesetzt. Insgesamt sollen 380 Stellen abgebaut werden, primär durch Altersteilzeit, Fluktuation und Verlagerung von Arbeitsplätzen. „Personell stehen wir leicht auf der Bremse“, so Produktionsvorstand Thomas Reisinger. Gleichzeitig wurden die Investitionen von 628 Millionen Euro im Vorjahr auf 322 Millionen Euro deutlich reduziert.
Die Leerstandskosten – Kosten durch ungenutzte Kapazitäten – beliefen sich konzernweit auf 800 Millionen Euro. Hinzu kommen steigende Betriebskosten und sinkende Preise, wodurch das Ergebnis vor Steuern von 835 auf 151 Millionen Euro einbrach. Die Auslastung des Werks in Villach liegt derzeit bei 70 bis 75 Prozent. Diese Phase der schwachen Auslastung nutzt das Unternehmen jedoch, um Lagerbestände aufzubauen und bei einem konjunkturellen Aufschwung schnell reagieren zu können.
Infineon kämpft in Österreich mit hohen Produktionskosten. „Kein Kunde weltweit zahlt einem die 25 Prozent höheren Personalkosten“, erklärte Herlitschka. Zudem seien die Lohnstückkosten um 30 Prozent gestiegen. Österreich gilt als Hochsteuerland mit einem „Ausgabenproblem“. Herlitschka appellierte an die Politik, effektive Maßnahmen gegen Bürokratie und Kostensteigerungen einzuleiten, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu sichern.
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Starke F&E-Investitionen
Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen setzt Infineon weiterhin auf Innovationen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) stiegen leicht von 672 auf 686 Millionen Euro, was einem Anteil von 14 Prozent am Umsatz entspricht. Mit über 2500 Mitarbeitenden im F&E-Bereich und der Produktion von 7,5 Milliarden Chips im Werk Villach leistet Infineon einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit: Die Chips ermöglichen in Anwendungen eine CO2-Reduktion von 11 Millionen Tonnen, was etwa 15 Prozent der österreichischen Gesamtemissionen 2022 entspricht.
Infineon verzeichnete außerdem ein Umsatzwachstum von über 30 Prozent auf 650 Millionen Euro im Bereich des neuen Halbleitermaterials Siliziumkarbid. „Die Nachfrage bleibt hier sehr stark“, so Reisinger. Das Unternehmen profitiert dabei von der Zusammenarbeit mit dem Werk in Kulim, Malaysia, das durch geringere Produktionskosten überzeugt, während die Technologieentwicklung weiterhin in Villach angesiedelt ist.
Aktuell bieten unsere Endmärkte, mit Ausnahme von künstlicher Intelligenz, kaum Wachstumsimpulse.Sabine Herlitschka
KI als Wachstumsmarkt
Das Geschäftsjahr 2024 war technologisch ein Rekordjahr: Als weltweit erstes Unternehmen gelang die Fertigung von 300-Millimeter-Galliumnitrid-Wafern in der Innovationsfabrik Villach. Ein weiterer Erfolg war die Herstellung der weltweit dünnsten 300-Millimeter-Silizium-Wafer mit nur 20 Mikrometern Dicke – das entspricht einem Viertel der Dicke eines menschlichen Haares.
Diese Innovationen ermöglichen eine gesteigerte Effizienz und geringeren Materialverbrauch. „Solche Technologien automatisiert und in Hochvolumen zu produzieren, ist weltweit einzigartig“, betonte Thomas Reisinger.
Im Bereich der Künstlichen Intelligenz sieht Infineon enormes Potenzial. Mithilfe von Silizium, Siliziumkarbid und Galliumnitrid gelang es, Stromversorgungsmodule zu entwickeln, die die Energiebilanz von KI-Systemen verbessern. Der Umsatz in diesem Segment liegt aktuell bei einer halben Milliarde Euro und könnte laut Herlitschka innerhalb von zwei Jahren auf eine Milliarde Euro anwachsen.
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Auch die Bedeutung stromsparender Computerchips wird in den kommenden Jahren massiv zunehmen. Prognosen zufolge könnte der Strombedarf von Datencentern von aktuell 2 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs (Stand 2022) bis 2030 auf 7 Prozent steigen. „Das entspricht dem Energiebedarf von ganz Indien“, verdeutlicht Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich.
Herlitschka betont die enorme Relevanz von Einsparungen in diesem Bereich. „Jedes Zehntelprozent, das man hier einsparen kann, hat riesigen Impact“, erklärte sie. Besonders auf den globalen CO2-Ausstoß könne dies eine nachhaltige Wirkung haben. Die zunehmende Nachfrage nach energieeffizienten Technologien sieht sie als einen Paradigmenwechsel, bei dem die Energieeffizienz von Computerchips stärker in den Fokus rücke.
Als einer der führenden Anbieter im Bereich der Halbleitertechnologie nimmt Infineon Österreich eine Schlüsselrolle in diesem Wandel ein. Durch innovative Entwicklungen und eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie trägt das Unternehmen dazu bei, Lösungen für die steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz zu schaffen. Die Kombination von Silizium, Siliziumkarbid und Galliumnitrid in den neuesten Chips ermöglicht nicht nur Energieeinsparungen, sondern auch eine höhere Leistungsfähigkeit.
Verzögerung beim Vollbetrieb der Chipfabrik in Villach
Im Geschäftsfeld Leistungselektronik erzielte Infineon konzernweit ein Umsatzplus von über 30 Prozent auf 650 Millionen Euro, primär durch den Einsatz des Halbleitermaterials Siliziumkarbid. Das Werk Villach arbeitet hierbei eng mit dem malaysischen Standort Kulim zusammen, um von den niedrigeren Produktionskosten zu profitieren. Alle neuen Technologien werden jedoch weiterhin in Villach entwickelt, was die Innovationskraft des österreichischen Standorts unterstreicht.
>>> Diese IT-Investitionen stemmen Unternehmen 2025
Der Vollbetrieb der neuen Chipfabrik in Villach, ursprünglich für Ende 2025 geplant, verzögert sich aufgrund der Marktschwäche um etwa ein Jahr. Dennoch bleibt die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ein zentraler Fokus.
„So anspruchsvoll das abgelaufene Geschäftsjahr auch war, auf Innovationsseite war es herausragend“, resümierte Herlitschka. Mit strategischen Investitionen, technologischen Durchbrüchen und einem klaren Fokus auf zukunftsträchtige Märkte wie Künstliche Intelligenz und nachhaltige Technologien will Infineon langfristig weiter wachsen.
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Während viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Fachkräfte und Lehrlinge zu finden, steht Infineon Österreich in diesem Bereich gut da. „Ein wenig liegt es auch daran, dass das Unternehmen bei Neuanstellungen ‚auf der Bremse steht‘“, erklärte Operations-Vorstand Thomas Reisinger. Dennoch zeigt sich, dass das Unternehmen mit seinen Ausbildungs- und Förderprogrammen besonders attraktiv ist.
Ein zentraler Baustein von Infineons Personalstrategie ist der Lehrlingscampus in Villach, der jungen Talenten eine fundierte Ausbildung bietet. Die Zahl der Lehrstellen wurde kürzlich auf 40 verdoppelt – mit beeindruckendem Erfolg: „Weit über 200“ Bewerbungen gingen für die Plätze ein, erklärte Reisinger. Besonders erfreulich: Rund ein Viertel der neu aufgenommenen Lehrlinge sind Frauen.
Infineon setzt auf Diversität und unterstützt weibliche Talente gezielt. „Eignung vorausgesetzt, würden Frauen bewusst gefördert“, so Reisinger. Diese Strategie zeigt auch in der gesamten Belegschaft Wirkung: Der Frauenanteil bei Infineon liegt bei 22 Prozent – ein vergleichsweise hoher Wert in der Technologiebranche.
Da liegt ein großer Reformbedarf auf dem Tisch, und es sind strukturelle Verbesserungen nötig.Sabine Herlitschka
Herlitschkas Forderungen an die neue Regierung
Sabine Herlitschka appelliert an die künftige Regierung, dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu ergreifen. „Da liegt ein großer Reformbedarf auf dem Tisch, und es sind strukturelle Verbesserungen nötig“, so Herlitschka. Unternehmen seien zwar nicht direkt mit einem Staat vergleichbar, doch ebenso wie Unternehmen müsse auch die Regierung kontinuierlich an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.
Herlitschka verweist auf zahlreiche Rankings, die zeigen, wie stark der Standort Österreich in den letzten Jahren zurückgefallen ist. Besonders kritisiert sie die hohen Energie- und Personalkosten, die Unternehmen massiv belasten. „Eine Steigerung von 25 Prozent bei den Lohn- und Gehaltskosten zahlt kein Kunde“, betont sie. Im Bereich der Lohnstückkosten habe Österreich inzwischen sogar gegenüber Deutschland und Italien deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Zusätzlich stellt Herlitschka klar, dass Österreich weniger ein Einnahmen- als vielmehr ein Ausgabenproblem habe. „In Summe ist Österreich ein Hochsteuerland“, so ihre Einschätzung. Die Lösung sieht sie in einer gezielten Reduzierung der bürokratischen Hürden und in strukturellen Reformen, um den Standort Österreich sowohl für bestehende als auch für neue Unternehmen attraktiver zu machen.
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