Autonomes Fahren : Rivian gegen Tesla: Warum Lidar die entscheidende Technik für autonomes Fahren sein könnte
Der Tesla-Rivale und VW-Partner Rivian will Fahrzeuge seiner nächsten Generation zu selbstfahrenden Autos machen.
- © RivianDer US-Elektroautobauer Rivian, Kooperationspartner von Volkswagen und Konkurrent von Tesla, plant, seine nächste Fahrzeuggeneration mit autonomen Fahrfunktionen auszustatten. Dazu hat das Unternehmen einen eigenen Spezialchip entwickelt und wird im neuen Modell R2 einen Laser-Radar (Lidar) direkt in die Frontscheibe integrieren. Ergänzend dazu stattet Rivian seine Fahrzeuge mit einem hauseigenen Sprachassistenten aus. Der R2 soll im kommenden Jahr in den USA auf den Markt kommen, zu Einstiegspreisen ab 45.000 US-Dollar.
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Auch Tesla verfolgt ambitionierte Pläne im Bereich des autonomen Fahrens und betont, dass die aktuellen Modelle bereits über die nötige Technik verfügen. Unternehmenschef Elon Musk will Tesla zum Marktführer auf diesem Gebiet machen – allerdings mit einem anderen Konzept: Er setzt ausschließlich auf Kameras als Sensoren, eine Strategie, die von vielen Branchenexperten kritisch gesehen wird.
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Technologie-Mix für mehr Sicherheit: Rivian kombiniert Lidar, Kameras und Radar mit lernfähiger Software
Im Gegensatz dazu verfolgt Rivian einen technologieoffeneren Ansatz. Die sogenannten Lidar-Systeme seien entscheidend für die Sicherheit, erklärte Rivian-Managerin Vidya Rajagopalan. „Kameras stoßen etwa bei schwachem oder zu grellem Licht sowie im Nebel an ihre Grenzen.“ Lidar-Systeme hingegen, wie sie auch bei Waymos Robotaxis zum Einsatz kommen, erfassen die Umgebung mithilfe von Laserscans. Zusätzlich verbaut Rivian im Modell R2 elf Kameras und fünf Radar-Sensoren.
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Laut Rivian-Manager James Philbin sollen die Fahrzeuge im täglichen Betrieb kontinuierlich aus realen Fahrsituationen lernen. Die autonome Fahrfunktion wird entweder gegen eine Einmalzahlung von 2.500 Dollar oder im Rahmen eines monatlichen Abonnements für rund 50 Dollar angeboten.
Zukunftsdeal mit Milliardenpotenzial: VW setzt auf Rivians zonenbasierte Plattform für nächste E-Auto-Generation
Volkswagen hat sich durch eine Investition von bis zu 5,8 Milliarden Dollar Zugang zu Rivians Elektronikarchitektur gesichert. Im Rahmen eines gemeinsamen Unternehmens arbeiten beide Hersteller an einer Weiterentwicklung dieser Plattform – mit Blick auf künftige Elektromodelle von VW für westliche Märkte.
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Ein wesentliches Merkmal der von Rivian entwickelten Fahrzeugarchitektur ist ihr zonenbasierter Aufbau. Statt Funktionen einzeln zu organisieren, werden sie nach Fahrzeugzonen strukturiert. Dies reduziert die Komplexität, verringert den Kabelbedarf und senkt dadurch auch die Kosten. Auch Tesla sowie mehrere chinesische Hersteller setzen auf dieses Prinzip.
Was genau ist Lidar, und warum gilt es als sicherer als reine Kamerasysteme?
Lidar – kurz für „Light Detection and Ranging“ – ist eine Sensortechnologie, die mithilfe von Laserstrahlen dreidimensionale Bilder der Umgebung erstellt. Ein Lidar-System sendet dabei in sehr hoher Frequenz Laserimpulse aus und misst die Zeit, die diese benötigen, um von Objekten reflektiert und zum Sensor zurückgesendet zu werden. Daraus errechnet das System exakte Distanzen und erstellt ein präzises 3D-Abbild der Umgebung – unabhängig von Lichtverhältnissen oder Farben. Genau darin liegt ein zentraler Vorteil gegenüber kamerabasierten Systemen wie denen von Tesla: Während Kameras auf visuelle Informationen angewiesen sind und ihre Leistung bei Dunkelheit, Blendung oder Nebel stark nachlässt, funktioniert Lidar unabhängig von solchen Umweltbedingungen. Besonders in sicherheitskritischen Fahrsituationen – etwa bei schlechter Sicht oder komplexen Verkehrsszenarien – liefert Lidar zuverlässige Daten.
Diese Genauigkeit macht es auch in der Luftfahrt oder bei geografischen Vermessungen unverzichtbar. Kritiker bemängeln zwar, dass Lidar-Systeme teurer und aufwendiger zu integrieren sind, doch Unternehmen wie Rivian setzen bewusst auf diese Technologie, um ein höheres Sicherheitsniveau zu erreichen. Auch andere Pioniere wie Waymo oder Aurora vertrauen auf Lidar, was die Bedeutung der Technologie unterstreicht. Im Zusammenspiel mit Kameras und Radar entsteht ein sogenannter „Sensor-Fusion“-Ansatz, der eine deutlich robustere Grundlage für autonomes Fahren bildet.
Eigenentwicklung statt Zulieferer: Rivians Superchip soll autonome Sicherheit neu definieren
Rivians speziell entwickelter Chip markiert einen strategisch wichtigen Schritt in der Unabhängigkeit von Drittanbietern und der Optimierung der eigenen Fahrzeugplattformen für autonomes Fahren. Während viele Autohersteller auf etablierte Zulieferer wie Nvidia, Intel (Mobileye) oder Qualcomm setzen, geht Rivian bewusst den Weg einer Eigenentwicklung – mit dem Ziel, Hard- und Software enger miteinander zu verzahnen.
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Der eigens konzipierte Chip ist auf die besonderen Anforderungen der zonenbasierten Elektronikarchitektur ausgelegt, die Rivian in seinen neuen Modellen implementiert. Dabei geht es nicht nur um Rechenleistung, sondern auch um Energieeffizienz, Echtzeitverarbeitung von Sensordaten sowie nahtlose Kommunikation zwischen den verschiedenen Steuergeräten im Fahrzeug. Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal ist die native Integration der Sensor-Fusion: Der Chip kann Daten von Lidar, Radar und Kameras parallel verarbeiten und kombinieren, um ein kohärentes Bild der Fahrzeugumgebung in Echtzeit zu erzeugen. Dadurch soll nicht nur die Leistung der autonomen Systeme verbessert, sondern auch die Sicherheit und Stabilität der gesamten Fahrzeugsoftware erhöht werden.
Der Schritt erinnert an Teslas Full-Self-Driving-Computer (FSD), unterscheidet sich jedoch durch Rivians Fokus auf multimodale Sensorik. Durch die Eigenentwicklung wahrt Rivian zudem die Kontrolle über zukünftige Updates und Innovationen – ein erheblicher Vorteil im wettbewerbsintensiven Tech-Automarkt.
Elektronik neu gedacht: Wie VW mit Rivians Zonenarchitektur Komplexität und Kosten drastisch senken will
Volkswagen erhofft sich von der Zusammenarbeit mit Rivian vor allem einen Technologievorsprung im Bereich der Fahrzeugarchitektur – konkret durch die Übernahme und Weiterentwicklung der sogenannten Zonenarchitektur. Dabei handelt es sich um ein grundlegend anderes Elektronik-Design im Vergleich zur bisherigen, funktionsbasierten Struktur vieler VW-Modelle.
Klassischerweise werden in Fahrzeugen zahlreiche Steuergeräte (ECUs) für einzelne Funktionen wie Licht, Klima, Sicherheitssysteme oder Infotainment verbaut, die jeweils über eigene Kabelstränge kommunizieren. Das führt zu einem hohen Aufwand bei Verdrahtung, Wartung und Fehlerdiagnose – und treibt die Komplexität sowie die Kosten in die Höhe. Die Zonenarchitektur hingegen organisiert die Elektronik nicht mehr nach Funktionen, sondern nach Fahrzeugbereichen (Zonen). Jede Zone enthält ein leistungsfähiges Steuergerät, das lokal alle elektronischen Komponenten steuert und mit einer zentralen Recheneinheit verbunden ist. Für Volkswagen bedeutet das eine deutliche Reduktion der benötigten Kabel – was Gewicht spart, die Produktion vereinfacht und die Ausfallsicherheit erhöht.
Darüber hinaus ermöglicht die neue Architektur eine bessere Skalierbarkeit und schnellere Integration neuer Softwarefunktionen über Over-the-Air-Updates. Das ist besonders relevant, da VW in Zukunft stärker auf softwaredefinierte Fahrzeuge setzt. In Kombination mit Rivians Chip-Expertise kann der Konzern so die technologische Lücke zu US-Playern wie Tesla oder Lucid schließen und gleichzeitig Kosten und Komplexität im eigenen Produktionssystem reduzieren.