Interview : "Wie lebt es sich ohne eigenen Schreibtisch, Herr Körbler?“

Herr Körbler, unser letztes Interview mit einem Philips-Chef fand noch in der großen Firmenzentrale am Wienerberg statt. Ihr Vorvorgänger Wiebo Vartjes hatte in der Vorstandsetage ein geräumiges Eckzimmer mit Blick auf Wien. Sie haben, wie man hört, keine eigenen Räumlichkeiten. Glauben Sie, Herr Vartjes hat Mitleid mit Ihnen?

Körbler: Wiebo hatte ein schönes großes Eckzimmer, das stimmt. Aber so wie ich ihn kenne, würde er mich um meine Arbeitssituation beneiden. Ich kann, wie meine Mitarbeiter auch, während eines Arbeitstages aus vielen Räumen wählen: Je nach Arbeitssituation belege ich Besprechungszimmer, Kreativräume, Ruheräume oder für die informelle Kommunikation im Unternehmen auch die Cafeteria. Das Konzept, bei dem unsere Mitarbeiter mitgeplant haben, kommt den Anforderungen in der geänderten Arbeitswelt weitaus mehr entgegen als eine abgeschottete Vorstandsetage.

Zeitgleich mit Ihrem Einzug in die neue Firmenzentrale hat sich auch die Gesamtstrategie geändert: Philips hat sich weitestgehend vom Elektronikgeschäft verabschiedet – und setzt auf Licht und Gesundheit. Der wohl größte strategische Umbau in der Firmengeschichte.

Körbler: Wir sind seit vielen Jahrzehnten im Gesundheitsbereich tätig. Und wir haben festgestellt, dass das Thema Gesundheit beim Endverbraucher einen immer stärkeren Stellenwert bekommt. Für uns macht es Sinn, dass unsere klassischen Health-Care-Angebote im Bereich Medizintechnik mit dem Bereich Consumer Lifestyle zusammenwachsen. Hier hat in den letzten Jahren ein dramatischer Bewusstseinswandel stattgefunden: Wir wollen uns gesünder ernähren, sportlicher sein, permanent – denken Sie an all die Apps in dem Zusammenhang – unseren eigenen Zustand messen. Unser Kernthema ist daher das "Continuum of Care" – von der Geburt über ein gesundes Leben, Prävention, Diagnostik, Therapie und Betreuung.

Der Philips-Standort Österreich hat im letzten Jahrzehnt einen dramatischen Bedeutungsverlust erfahren. Wie erleben Sie das als langjährige Philips-Führungskraft?

Körbler: Wenn Sie mit Bedeutung die physische Herstellung von Videorekordern oder Tonbändern meinen, stimmt das leider. Was ich sehe sind Veränderungen, auf die wir reagieren. Wesentlich ist, dass wir in unserem Strategieprozess Trends sehen und auf diese Trends reagieren. Heute würde keiner mehr fragen, warum wir vor zehn Jahren die Produktion von Faxgeräten eingestellt haben. Damals stand das im Raum. Sie kennen sicher ein paar große Firmen die die Veränderungen nicht mitgegangen sind. Aber wenn Sie die Innovation ansprechen: Ich glaube, was Ideen anbelangt, hat es einen Bedeutungsverlust Österreichs nie gegeben.

Kann die neue Strategie der Bedeutung Österreichs für Philips weltweit wieder mehr Leben einhauchen?

Körbler: Davon gehe ich aus. Unser Innovationszentrum in Klagenfurt ist für Philips enorm wichtig. Es ist eines von fünf globalen Philips Entwicklungszentren im Consumer-Lifestyle-Bereich und führend zum Thema "Gesunde Ernährung". Hier werden Küchengeräte für den Weltmarkt entwickelt, also für den asiatischen Raum genauso wie für Amerika oder Europa.

Das heißt die Kärntner wissen, was Russen wollen?

Körbler: Davon können Sie ausgehen. In Russland, das habe ich beispielsweise selbst erst vor Kurzem gelernt, wird die Qualität der Hausfrau daran gemessen, wie genau die Würfel von Wurst, Kartoffeln und Gemüse in der Soljanka geschnitten sind. Der in Klagenfurt entworfene Aufsatz für den Mixer ist in Russland ein Verkaufsschlager. Aber es gibt auch andere Beispiele. Beim Entsaften ist in Russland ist eine große Einfüllöffnung wichtig, da meistens sehr viele Äpfel (aus der Datscha) zu Saft verarbeitet werden; im asiatischen Raum hingegen wird sehr viel Wert auf die Saftausbeute gelegt.

Innovation kommt heutzutage oft nicht mehr aus den hauseigenen Laboren, sondern wird in Form von Start-ups oder Spinoffs zugekauft. Was können Sie tun, um im konzerninternen Wettbewerb um die besten Ideen aus Österreich zu punkten?

Körbler: Wir haben da zuletzt ganz schöne Erfolge gehabt. Etwa mit dem Einsatz eines Patientendatenmanagementsystem, das wir hier im Haus gemeinsam mit dem Institut für Computerwissenschaften der Med Uni und dem AKH konfiguriert haben. Ohne dass Ärzte zusätzlich dokumentieren müssen, schafft unser System, aus den Krankendaten von Patienten, Informationen für die Hygieneabteilungen zu generieren, um die Verbreitung resistenter Keime einzudämmen. Oder nehmen Sie das Start-up der Med Uni, das übrigens hier bei uns im Stockwerk sitzt: Mittels Softwarealgorythmen haben wir den Durchbruch in der Schlafanalyse geschafft. Seit dem 1. April ist Lumileds, die LED-Komponenten-Produktion, nun selbstständig und rund 80 Prozent wurden bereits an einen Investor verkauft. Die Herstellung der Lampen und Leuchten sowie Lichtsteuerungen verbleibt allerdings bei Philips. Die Themen LED, Energieeffizienz und Connectivity stehen im Fokus.

Robert Körbler, 51, ist seit 2014 Generaldirektor der Philips Austria GmbH. Zuvor war er für die Sparte Healthcare in Österreich zuständig. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Philips Österreich beschäftigt heute 550 Mitarbeiter, das Forschungszentrum in Klagenfurt ist Konzernweites Kompetenzzentrum für den Consumer Lifestyle Bereich.