Stahlhandel : Schmolz + Bickenbach: Handelstöchter werden „nur als Paket verkauft“

Der Stahlhandel ist heute kein profitables Geschäft mehr, längst haben sich große Stahlproduzenten wie die Voestalpine oder Cognor aus dem wachstumsschwachen Geschäft zurückgezogen. Fast alle heimischen Stahlhandelshäuser schreiben rote Zahlen. Kein Wunder: Bei lahmender Konjunktur, Preisverfall, Überkapazitäten und Margenschwäche bricht der Markt ein. Zuletzt ist der Stahlhändler Bogner Edelstahl mit 45 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz geschlittert.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Schweizer Stahlkonzern Schmolz+Bickenbach (S+B) seine Distributionseinheiten zum Verkauf anbietet. Schon letztes Jahr hatte S+B seine Handelstöchter feilgeboten – ohne Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt hat der französische Konzern Jacquet Metal Service, mit dem S+B heute in Verhandlungen steht, Interesse an den Handelstöchtern bekundet. Niemand weiß, woran der Verkauf schließlich gescheitert ist, es wurde aber spekuliert, dass kein Interessent ein akzeptables Angebot gemacht hätte. Daraufhin wurde der Verkaufsprozess im Dezember eingestellt.

Entscheidung könnte noch im März fallen

Nun stehen die Handelstöchter wieder zum Verkauf, Schmolz+Bickenbach führt exklusive Verhandlungen mit Jacquet Metal Service. Die Exklusivitätsvereinbarung läuft noch bis Ende Juni. Österreich-Chef Herbert Zraunig rechnet auf Nachfrage des INDUSTRIEMAGAZINS aber mit einer raschen Entscheidung: „Meiner Meinung nach könnten Entscheidungen dazu noch im März fallen. Ich gehe davon aus, dass es recht zügig gehen wird.“

Zum Verkauf stehe aber nur das „gesamte Konstrukt“, so Zraunig – also die deutsche Distribution mit den Benelux-Ländern Belgien und Holland, und Österreich. „Das ganze wird nur im Paket verkauft.“

Was konkret mit der Österreich-Tochter passieren wird, sollte es zum Verkauf kommen, kann Zraunig nicht beantworten. „Meinen Mitarbeitern kann ich nur dasselbe sagen, was in den Medienberichten steht. Nämlich dass der Verkauf bevorsteht und Jacquet Metal eventuell ein strategischer Partner wird. Alles weitere wird man in nächster Zeit sehen.“

Heimischer Markt stagniert

Derzeit sei eine Marktbereinigung in Gang, denn es gebe „etliche Marktbegleiter, die sich in finanzieller Misslage befinden“, so Zraunig, der eine problematische Situation vor allem am heimischen Markt sieht. „Er stagniert. Zwar sieht der Bereich Maschinenbau nicht so schlecht aus, aber die Bauwirtschaft ist sehr zurückhaltend.“ Jacquet Metal sei aber ein gutes Unternehmen mit positiver Finanzlage. „Ich kann mir vorstellen, dass sich der Distributionszweig von Schmolz+Bickenbach nach der Übernahme positiv gestalten wird.“

Die zum Verkauf stehenden Einheiten erwirtschafteten im vergangenen Jahr mit rund 1.000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro. Österreich hat dabei mit 41 Mitarbeitern etwa 45 Millionen zum Umsatz beigetragen, die heimische Niederlassung sei dabei nicht die kleinste, wie Zraunig beteuert. Insgesamt erzielte S+B im vergangenen Jahr einen Umsatz von 3,34 Milliarden Euro und beschäftigte 10.000 Mitarbeiter.

Sollte der anvisierte Verkauf zustande kommen, würde die an der Pariser Börse notierte Jacquet Metal Service, die ihren Sitz in Lyon hat, zum wichtigsten europäischen Distributor von Stahlprodukten für die Werkzeugmaschinen- und Automobilindustrie.

Der französische Konzern hat in den letzten Jahren verschiedene Akquisitionen getätigt, 2010 wurde beispielsweise der französische Stahlhändler IMS übernommen. Das Unternehmen verfügt auch über Aktivitäten in Deutschland und Kanada. 2014 erzielte Jacquet Metal Service mit 2.400 Beschäftigten bei einem Umsatz von 1,13 Milliarden Euro einen Gewinn von 25,2 Millionen Euro.

Erst in der vergangenen Woche hatte das S+B-Management etwas überraschend bei der Bilanzvorlage den erneuten Anlauf zur Devestition bekannt gegeben. Der Stahlkonzern präsentierte erstmals seit drei Jahren wieder schwarze Zahlen. Unter dem Strich blieben 50 Millionen Euro nach einem Defizit im Vorjahr.

Schmolz + Bickenbach wurde 1919 in Düsseldorf als Stahlhandelsunternehmen gegründet. Fast 90 Jahre später, 2003, übernahm die weiterhin familiengeführte Schmolz + Bickenbach-Gruppe, die bisher in der Stahlverarbeitung und im Stahlhandel tätig war, die Aktienmehrheit am börsennotierten Stahlproduzenten Swiss Steel AG. In den kommenden Jahren wurden mit den Edelstahlwerken Südwestfalen und Edelstahl Witten-Krefeld zwei deutsche Stahlproduzenten übernommen, außerdem die französische Ugitech-Gruppe und die amerikanische A. Finkl & Sons Group. Damit wurde die Schmolz+Bickenbach-Gruppe der weltweit größte Produzent von Werkzeugstahl. Die Gruppe ist außerdem weltweit die Nummer 1 bei der Produktion von rostfreien Langprodukten.

Nach acht Jahren an der Spitze musste Verwaltungsrats-Präsident Michael Storm zurücktreten. Er wurde mit Vorwürfen konfrontiert, etwa 1,5 Millionen Euro veruntreut zu haben. Nach hohen Verbindlichkeiten durch Zukäufe und einer schwierigen Stahlkonjunktur verzeichnete S+B einen hohen Konzernverlust. Währenddessen verbündeten sich die Familienaktionäre um Michael Storm, die zu diesem Zeitpunkt knapp 40% der Aktien hielten mit dem russischen Oligarchen Wiktor Wekselberg und verkauften an dessen Gesellschaft Renova, beziehungsweise deren Tochter Venetos, einen Anteil von 25,3 Prozent. Nach einer Kapitalerhöhung und einer Neubesetzung des Verwaltungsrats steht S+B nun vor dem Verkauf seiner Distributionseinheiten. (mi/apa/sda)

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