Unternehmensfinanzierung : Raiffeisen Oberösterreich-Chef Heinrich Schaller: "Die Stimmung ist mies"

Herr Schaller, haben Sie die Ablöse der Regierung Faymann so schnell erwartet?
Heinrich Schaller Nein. Definitiv nicht.
Kann ein neuer Bundeskanzler das Steuer noch herumreißen?
Schaller: Ich gehe davon aus. Der neue Bundeskanzler Kern verfügt über Wirtschaftskompetenz. Und das halte ich für einen ganz wichtigen Faktor, um die Dinge in unserem Land wieder zu verbessern Erst wenn es im Bereich der Wirtschaft wieder zu dynamischen Entwicklungen kommt, wird sich das Blatt wenden.
Dem politischen System Österreichs wird ein überdurchschnittliches Beharrungsvermögen nachgesagt. Reicht die Zeit?
Schaller: Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass sich alles von Heute auf Morgen umsetzen lässt. Dass Österreich und seine Regierung nach 18 Monaten mit dem Umbau noch nicht fertig sein werden, ist ziemlich klar. Aber wenn spürbar wird, dass die Koalition auf einmal funktioniert, kann eine sehr positive Stimmung entstehen.
Geht es dabei nur um Psychologie?
Schaller: In den Anfängen schon. Die miese Stimmung im Land ist aus meiner Sicht ein Hauptfaktor, der Österreich in den letzten Jahren zu schaffen macht. Aus den ersten Wortmeldungen darf man schließen, dass sich Ton und Sprache verändern. Es wird sich bald entscheiden, ob der Stimmungsumschwung gelingt. Es ist aber klar, dass es mit Atmosphäre allein nicht getan ist. Die neue Regierung verfügt bei mir über Vorschusslorbeeren. Wenn sie die Zeit nutzt und versucht, Dinge anzupacken, dann sehe ich durchaus die Chance, dass ein neuer Kurs machbar ist.
Nicht nur das Land, auch Raiffeisen hat an seiner Spitze Probleme. Kann die Zusammenführung von RBI und RZB die Probleme der Spitzeninstitute von Raiffeisen lösen?
Heinrich Schaller: Ich habe zur Fusionsfrage nicht mehr zu sagen, als ich schon getan habe. Jetzt läuft die Prüfung.
Lassen Sie mich dennoch nachhaken. Verstehen Sie Aktionäre, die sich gepflanzt fühlen? Vor elf Jahren wurde die Aufteilung noch mit Verweis auf die Ostfantasie argumentiert. Heute heißt es, dass dies doch keine so gute Idee gewesen wäre.
Schaller: Sie dürfen nie vergessen, dass sich die Rahmenbedingungen massiv verändert haben. Ich glaube, dass das auch von Aktionären so gesehen wird. Die Fusion ist derzeit in Prüfung. Das wird bis in den Herbst dauern. Wenn alles geklärt ist, bin ich sicher, dass die große Mehrheit der Aktionäre einen solchen Kurs gutheißen kann.
Hat Raiffeisen die Ostfantasie ausgelebt?
Schaller: Nein, das glaube ich nicht. Es wurde ja nicht gesagt, dass man sich aus dem Osten zurückzieht. Das Ostgeschäft ist in der RBI unverändert das zentrale Asset. Es ist bekannt, dass der Kurs der Redimensionierung der RBI fortgesetzt wird, aber das ist in keiner Weise ein Rückzug.
Innerhalb von Raiffeisen gab es auch Befürworter, die die RLB Wien Niederösterreich und andere Landesbanken fusioniert sehen wollen. Wo stehen Sie bei diesen Überlegungen?
Schaller: Ich sehe die aktuellen Prüfungen für eine RZB-RBI-Fusion positiv. Anders stehen die Dinge in Bezug auf uns: Eine Miteinbeziehung der RLB Oberösterreich ist nie zur Diskussion gestanden. Wir haben immer gesagt, eine Fusion mit Oberösterreich gibt es nicht.
Der Raiffeisen-Geldsektor besteht aus Genossenschaftsbanken, Landesbanken und Spitzeninstituten. Macht die Dreistufigkeit noch Sinn?
Schaller: Das Modell Oberösterreich hat gezeigt, dass diese Struktur funktioniert. Wir sind näher am Kunden. Wer den Raiffeisen-Sektor analysiert, wird entdecken, dass die vielen kleinen Regionalbanken mit der Landesbank sehr, sehr gut zusammenarbeiten. Das müssen und werden wir intensivieren. Ich glaube nicht, dass diese Kooperationen überregional so gut funktionieren würden.
Die RLB Oberösterreich galt auf Grund der vielen mittelständischen Firmenbeteiligungen bislang als KMU-Bank. Jetzt haben Sie die Kürzung von Betriebsmittelkrediten und ungenutzten Finanzrahmen angekündigt. Gehen Sie einen Schritt zurück?
Schaller: Nein. Wir gehen nicht zurück. Es stimmt, dass die RLB OÖ eine Phase der Restrukturierung hinter sich hat. Und wir mussten signalisieren, dass wir nicht jede Finanzierungsleistung zu jeder vom Kunden gewünschten Kondition erledigen können. Da haben wir das Portefeuille gesichtet und uns neu aufgestellt.
Agiert die RLB OÖ bei Unternehmensfinanzierungen heute so vorsichtig wie jede andere Bank auch?
Schaller: Wir haben klar gemacht, dass wir bei einem Margen-Wettkampf nicht mehr mitmachen. Ich lasse mich da nicht mehr unter Druck setzen. Wir können den Vorgaben der Aufsicht und den Regeln von Basel III nicht entkommen. Die sind jetzt Teil unseres Geschäfts – ob wir wollen oder nicht.
Wie kommentieren Sie den 90prozentigen Forderungsausgleich für HETA?
Schaller: Die Raiffeisenlandesbank OÖ zählt selbst nicht zu den HETA-Gläubigern. Wir sind nur indirekt durch unsere Beteiligungen an den Hypos in Oberösterreich und Salzburg tangiert. Die Hypos wiederum sind durch die gemeinsame Pfandbriefstelle involviert. Aber grundsätzlich halte ich das Angebot, wie es jetzt auf dem Tisch liegt, für akzeptabel.
Wie wird sich diese Einigung in der Bilanz auswirken?
Schaller: Die RLB OÖ musste ja jene Risikovorsorgen, die von den Hypos in Oberösterreich und Salzburg im Zusammenhang mit der HETA getroffen wurden, anteilig in der Bilanz nachvollziehen. Die Einigung hätte einen positiven Effekt in unserer Bilanz. Wir könnten Wertberichtigungen im Ausmaß von etwas mehr als 30 Millionen Euro auflösen.
Spüren Sie die angekratzte Reputation des Finanzplatzes Österreichs?
Schaller: Leider in einem sehr starken Ausmaß. Österreichische Banken haben seit dem Ausrufen des Heta-Moratoriums massive Schwierigkeiten, sich mittel- und langfristige Gelder im Ausland, insbesondere in Deutschland, zu besorgen. Und wenn der Zustand anhält, müssen wir uns intensiv Gedanken machen, wie österreichische Banken international zu langfristiger Liquidität kommen.
Verspricht die Einigung hier Besserung?
Schaller: Die Lage wird sich entschärfen, davon bin ich überzeugt. Der Ruf lässt sich wieder verbessern. Ob er sich zu Gänze wieder herstellen lässt, da bin ich mir nicht sicher.
Ist dies das Ende der Landes- und Bundeshaftungen?
Schaller: Die Haftungen werden von den internationalen Investoren kritischer gesehen als früher. Aber das Ende ist es nicht.
Österreich gilt prinzipiell als overbanked. Der Raiffeisen-Sektor ist in der Standortanzahl unangefochtener Spitzenreiter. Werden Sie in Oberösterreich Standorte schließen?
Schaller: Dies steht gar nicht in meiner Macht. Dies können nur die Genossenschaften vor Ort. Es wird da oder dort zu Zusammenführungen kommen, über die die Genossenschafter entscheiden werden. Aber auch die unterliegen den Regeln der Betriebswirtschaft. Ich kann aber versichern, dass man keine große Schließungswelle erleben wird. Das ist die Strategie, die in Oberösterreich umgesetzt wird.
Ihr Vorgänger Ludwig Scharinger hat die RLB OÖ zu einer Bank mit mehr als 550 Firmenbeteiligungen gemacht. Sein Credo war, lieber in Unternehmen als am Aktienmarkt zu investieren. Wie stehen Sie zu dieser Beteiligungsstrategie?
Schaller: Unser Haus wird diese Strategie definitiv weiter verfolgen. Ich verstehe bis heute nicht, warum man die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen nicht als Bankkerngeschäft sieht. Als Kapitalgeber kann ich nicht nur in Form der Dividenden wie bei Aktien, sondern auch an der Wertentwicklung des Unternehmens profitieren. Wir werden daher diesen Weg nicht aufgeben.
Sie haben die Zahl der Beteiligungen um 75 gesenkt. Wie ist dies zu interpretieren?
Schaller: Wir haben Zwischengesellschaften rausgenommen, die ursprünglich aus diversen verwaltungstechnischen oder auch steuerrechtlichen Gründen eingezogen wurden. Bei den operativen Unternehmen und Beteiligungen haben wir in Summe sogar zugelegt.
Wann greift die RLB OÖ operativ in Beteiligungsunternehmen ein?
Schaller: Operativ greifen wir gar nicht ein. Wir ziehen uns sehr stark auf die Position eines Controllers zurück. Wenn es um Positionen im Management geht, reden wir im Ausmaß unserer Anteile natürlich mit. Bei Beteiligungen an Finanzinstituten, wo wir die Mehrheit haben, werden wir dagegen schon hin und wieder aktiv.
Ihr Vorgänger galt als hemdsärmeliger Entscheidungsmensch, der mehr auf seine Intuition als auf eine Due Dilligence Wert legte. Sie gelten als Banker und Zahlenmensch. Stimmt das?
Schaller: Das Management einer Bank verlangt heute völlig andere Methoden. Wie ich vorhin bereits gesagt habe: Das Umfeld hat sich für Banken komplett geändert. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind wesentlich strenger geworden, der Bedarf an Eigenkapital ist erheblich gestiegen. Dazu kommen neue Herausforderungen aus dem digitalen Wandel. Dotierung von Rücklagen, Bemessung von Risiken nach vorgegebenen Methoden oder die Stärkung des Kernkapitals rauben viel von der Entscheidungsfreiheit, die früher im Bankgeschäft verfügbar war. Wer heute eine Bank führt wie vor zehn Jahren, wird gegen die Wand fahren.
Abschlussfrage: Die Panama Papers haben offengelegt, dass die RBI Offshore-Geschäfte mit dem Firmenkomplex des ukrainischen Präsidenten Poroschenko in Höhe von 115 Millionen Euro getätigt hat. Skandal oder Bankalltag?
Schaller: Solange solche Geschäfte gesetzlich erlaubt sind, muss man sie auch tätigen dürfen. Da verstehe ich eine Vorverurteilung wirklich nicht. Wenn man diese Konstruktionen nicht will, muss man derartige Geschäfte verbieten. Herumjammern hilft niemandem.
Halten Sie es für unzulässig, dass man derartigen Offshore-Konstruktionen mit einer grundsätzlichen Skepsis begegnet?
Schaller: Ich habe kein Problem, wenn man solche Geschäfte auf Einhaltung der Richtlinien und Regelungen überprüft. Steuerhinterziehung ist strafwürdig. Aber Steueroptimierung im Rahmen des Erlaubten muss möglich sein.