Effizienzsteigerung : Produktionsoptimierung: Die Rückkehr der Lebensgeister

Vogl KBA-Mödling Produkltionsoptimierung
© Waldner

Eine Glitzerwelt. Die betritt man in Maria Enzersdorf. Über tausend Aggregate für Bogenoffsetdruckmaschinen im Mittelformat fertigt die KBA-Mödling jedes Jahr vor den Toren Wiens. Im matten Hallenlicht glänzen und blitzen die Unterbauten der Maschinen wie Edelsteine. Vielleicht die einzige Konstante, die es in den nächsten Monaten in der Halle geben wird. Denn die Niederösterreicher krempeln – unter Zuhilfenahme von Fenstertagen – ihre komplette Montage um. Statt Standplätzen wird es ab September eine getaktete Fließfertigung mit Luftkissen als Fördermittel geben. Mit der Umstellung, so glaubt der Betrieb, sind die Maschinen künftig um ein gutes Fünftel schneller zusammengebaut. Ein Ansatz, der in die Welt der schlanken Produktion passt. Und so erstaunt es nicht, dass der Linienleiter gerade einen Effizienzsteigerungskurs besucht. Der gestandene Meister paukt darin die Methoden der betrieblichen Optimierung. „Das wird die Umsetzung der Fließfertigung beschleunigen“, hofft der Technische Leiter Rudolf Vogl. Mitarbeitern neue Arbeitsweisen zu diktieren, sei nicht das Ziel des Linienleiters. Vielmehr die Mitarbeitermotivation. „Er wird seine Mannschaft mitziehen“, ist Vogl überzeugt. Schulungsoffensive. In den Krisenmonaten handelten viele Fertigungsbetriebe goldrichtig. In den Auftragsbüchern herrschte Flaute. Also lenkten sie ihre Energien in die Optimierung der Prozesse. Nicht neues neues. Doch früher schliefen im Aufschwung viele Projekte wieder ein. Die Betriebe haben dazugelernt. „In vielen Unternehmen laufen jetzt trotz guter Auftragslage konkrete Maßnahmen“, beobachtet Berndt Jung, Chef von Six Sigma Austria. Und noch etwas ist ihm aufgefallen. „Viele haben erkannt, dass Führungskräfte aus der zweiten und dritten Reihe eine Schlüsselrolle spielen“, erzählt Jung. Meister oder Teamleiter müssten stärker in Methoden- und Führungskompetenz gefördert werden. Anders schaffen es die Lehren der schlanken Fertigung „nicht bis ganz runter an die Maschinen“, sagt Jung. Im AMS-Qualifizierungsverbund „Fit for Business“, dem Qualifizierungsverbund Produktion Niederösterreich Mitte und der Zukunftsakademie Mostviertel beherzigen Unternehmen diese Ziele. INDUSTRIEMAGAZIN besuchte ihre Produktionsstätten – und fand neben vielen guten Vorsätzen schon etliche umgesetzte Maßnahmen vor. Autozulieferer ZKW: Produktionspuffer an der Maschine.Von vollen Auftragsbüchern kann der Autozulieferer ZKW berichten. Doch die Freude darüber ist nicht ungetrübt. Denn die Kostenschraube dreht sich bei den Wieselburgern weiter und weiter. Ohne mit der Wimper zu zucken gaben OEMs die Reduktion der Einkaufspreise „als Hauptziel für die kommenden Monate an“, weiß COO Wolfgang Vlasaty. Dennoch verfolgen die Niederösterreicher eine Vorwärtsstrategie. Demnächst will der Lichtsystemhersteller über 400 Millionen Euro Umsatz in der Gruppe erzielen (2010: 320 Millionen Euro). In den Krisenmonaten nutzte der Betrieb deshalb jede freie Minute für Wertstromanalysen. „Die größten Bestände nahmen wir heraus und schauten sie uns näher an”, erzählt Vlasaty. Ein Beispiel ist die mehrstufige Fertigung von Reflektoren. Die Wieselburger ließen nicht eher locker, bevor nicht eine deutliche Effizienzsteigerung nachgewiesen war. “Bisher war der Bereich des Kunststoffspritzens von der Oberflächenbehandlung getrennt”, so Vlasaty. Die Zykluszeiten der beiden Prozesse wollten nicht zueinander passen. „Die Kunststoffmaschinen produzierten in die Kiste“, so Vlasaty. Ein gut gemeinter Puffer, der dem Betrieb aber Produktionsfläche abzwackte. Also ergriff der Autozulieferer Maßnahmen. Einer automatischen Verkettung mit teurer Fördertechnik zeigten die Niederösterreicher von vornherein die rote Karte. Eine einfachere Lösung setzte sich durch. Die Werkstücke bleiben nun die ganze Zeit im – neu entwickelten – Werkstückträger eingespannt. Ohne umzurüsten gelangt dieser mitsamt dem Reflektor in die Bedampfungsmaschinen. „So ersparten wir uns einen ganzen Einlagerungs- und Handlingschritt“, so Vlasaty. Dort, wo sich früher das Pufferlager breit machte, laufen nun auf Hochtouren neue Maschinen. Die Mitarbeiter wurden mit dem Projekt aber nicht überfahren – deshalb ist das Ergebnis auch so stark. Der Autozulieferer entwickelte einen Prototyp des Trägers. „Im Team wurde er dann optimiert“, brachte Vlasaty ohne Zauberei eine Akzeptanzsteigerung für das Projekt zustande. Auch andere Maßnahmen greifen schon. Termin, Qualität, Kosten zählen bei der Auftragsvergabe immer. Deshalb hat sich der Betrieb Anfang 2011 ein Lean-Leitbild verpasst. „Der methodische Werkzeugkoffer ist zwar riesig“, so Vlasaty. Dennoch schaffte es der Betrieb, auf einem Blatt Papier die wesentlichen Ziele der schlanken Produktion zusammenzufassen. Die Zettel hängen an jeder Wand. Sie sollen Mitarbeiter daran erinnern, welcher Beitrag von ihnen erwartet wird. Ein Punkt ist die Selbstverantwortung. “Hier sehen manche Interpretationsspielraum“, lacht Vlasaty. Fortsetzung auf Seite 2.

Wittmann Battenfeld: Freiwillige Montagestation.Auch für andere ist das Thema Effizienzsteigerung mehr als ein Stockhieb auf den dicken Stamm. „Bei unseren elektrischen Spritzgießmaschinen krempelten wir den kompletten Montageprozess um“, erzählt Wittmann Battenfeld-Betriebsleiter Karl Parich. Kein Stein blieb bei dem Kottingbrunner Spritzgießmaschinenbauer auf dem anderen. Von einer Standplatzmontage stellte der Maschinenbauer auf eine Fließfertigung um. Eine Maschine setzt sich aus mehreren hundert Einzelteilen zusammen. “Nun sehen wir Materialengpässe viel früher“, sagt Parich. Mithilfe von Transporträdern schleusen die Niederösterreicher drei Baugrößen der Maschine von Station zu Station. Bis zu sechs Maschinen werden so pro Woche montiert – drei mehr als früher auf den Standplätzen. Möglich machte diesen Leistungsschub erst die Analyse von Wertströmen. Auch optimal bestückte Werkzeugwägen wurden eingeführt. Kein vollständiger Werkzeugsatz ist darin mehr enthalten. Sondern nur Werkzeug, ohne dem es nicht geht. “Die Suchzeiten gingen um ein Viertel zurück”, sagt Parich.Kaum weniger Effekt hatte die Installation eines standardisierten Montageplatzes für Hydraulikaggregate. Bisher war dies das Hoheitsgebiet eines speziell ausgebildeten Mitarbeiters. Dann gab es Schulungen für alle Montagemitarbeiter. „Jeder, der Luft hat, kann sich hier nun betätigen“, erklärt Parich. Er will das Thema schlanke Produktion künftig noch stärker auf Nachwuchsführungskräfte übertragen. Noch kommt sich der Betriebsleiter ein bisschen wie ein Wanderprediger vor. „Auch Kollegen sollen aber bald das Zepter schwingen“, meint er schmunzelnd. Büromöbelhersteller Bene: Job-Rotation in der Vormontage.„Wir sind ständig dabei, unsere Prozesse zu verbessern“, erklärt Friedrich Hartner. Das glaubt man dem technischen Direktor des Waidhofener Büromöbelherstellers Bene aufs Wort. 35 Kilometer Bürowände stellt der Betrieb jedes Jahr her – ohne kontinuierlichen Verbesserungsprozess wären die Niederösterreicher wohl nicht so weit gekommen. Die Einführung eines neuen Wandsystems gab der der Thematik wieder einen Schub. Für das Trennwandsystem „organisierten wir unsere Arbeitsplätze neu“, so Hartner. Und zwar gründlich. Tische mit Scherenhubbühne verbessern nun die Ergonomie beim Fertigen der bis zu vier Meter hohen Wände. Es sei ein gutes Gefühl, wenn keiner seiner Truppe am Abend „Kreuzschmerzen hat“, sagt der Produktionsexperte. Letztlich steigere das aber auch die Motivation und die Produktivität der Mannschaft. Eine jährliche Effizienzsteigerung von sechs Prozent erwartet sich das Management. Auch kleinere Maßnahmen würden greifen. Im Schnitt geht eine Wand durch die Hände von 60 Mitarbeitern. Dank fix definierter Plätze seien Werkzeuge wie ein Akkuschrauber nun „immer in Griffnähe“, so Hartner. Ein Novum ist auch die Anlieferung von Kleinteilen bis ans Montagesystem. Bisher brachte ein externer Partner Schrauben und Dichtungen ins Anlieferlager der Waidhofener. Neuerdings direkt an die Maschine. Drei Mal die Woche. „Es bringt ja nichts, im Lager die Teile noch einmal anzugreifen“, sagt Hartner.Übrigens: Seit einem dreiviertel Jahr tauschen die Mitarbeiter in der Vormontage untereinander in einem fixen Rad Arbeitsplätze. Das klang zunächst merkwürdig, kommt bei den Niederösterreichern aber mittlerweile an. „Die Arbeit wird nicht monoton“, beobachtet Hartner. Fortsetzung auf Seite 3.

Sanitärtechnikhersteller Geberit: Gründliche Maschinenreinigung. Eine jährliche Produktivitätssteigerung von drei Prozent hat sich der Pottenbrunner Sanitärtechnikspezialist Geberit fix vorgenommen. „Mit stärkerer Automation war das zuletzt schnell erreicht“, erzählt Geschäftsleiter Helmut Schwarzl. Nach und nach stellten die Niederösterreicher ihre Fertigung von Sanitärsystemen um. Nun gibt es statt der Lagerfertigung eine Fließfertigung. Auch Roboter gehören dazu. Sie bringen Teile für Waschtischsiphone von den Spritzgießmaschinen zu den Bearbeitungsmaschinen. Auch bei der Bearbeitung selber machen sich die dienstbaren Geister nützlich. Früher lag die Durchlaufzeit im Extremfall bei vier Wochen. „Jetzt sind wir mit weniger Personal in einem Tag durch“, sagt Schwarz stolz. Den finalen Schliff verpassten die Niederösterreicher ihrer Fertigung mit standardisierten Arbeitsplätzen. „Und wir haben unser Zwischenlager eliminiert“, so Schwarzl. Musste der Sanitärtechnikhersteller früher Halbfertigteile wie Siphoneinsätze in einem Hochregallager aufbewahren, gelangen die Teile jetzt ohne Umwege von Maschine zu Maschine. „Unsere internen Transportkosten reduzierten sich so um ein Drittel“, sagt Schwarzl.Auch derzeit laufen im Rahmen des Qualifizierungsverbundes Produktion Niederösterreich Schulungen. Einen Bereich, an dem der Betrieb noch an der Effizienzschraube drehen kann, hat der Manager bereits entlarvt. „Wir wollen die Verfügbarkeit der 16-Takt-Anlagen zur Herstellung von Elektroschweißmuffen erhöhen“, sagt Schwarzl. Mit den Muffen verbinden die Niederösterreicher beispielsweise Abwasserrohre aus Polyethylen. Noch sind die vier Maschinen ziemlich störanfällig. Deshalb hoffen die Pottenbrunner auf eine Verbesserung der Effektivität der Maschinen um zehn Prozent. “Damit könnten wir pro Maschine jedes Jahr 270.000 Muffen mehr produzieren”, rechnet Schwarzl vor. Schaffen will man das über eine Ausbildung zum Thema Grundreinigung von Maschinen. „Wir zerlegen sie und entlarven Störstellen“, so Schwarzl. Autozulieferer Hoffmann: Der optimale Automatikmodus. Ein Preisniveau, das auf Krisenniveau blieb: Damit machte zuletzt auch der Automobilzulieferer Hoffmann unfreiwillig Bekanntschaft. Kampflos hinnehmen wollten die Bad Goiserner das aber nicht. Jedes Jahr produzieren sie rund 350 Millionen Kohlebürsten für Starter. Als in der Krise weniger ging, klemmten sie sich hinter die Seminartische. Zwei Assistenten der Fertigungsleitung – und ein Qualitätsbeauftragter – paukten am Standort Oberösterreich mehrere Tage Methoden der schlanken Fertigung. Dann durchleuchtete der Betrieb die eigene Prozesswelt. „Nun ernten wir die Früchte dieser Arbeit“, schildert Fertigungsleiter Rudolf Posch. So gibt es fast keine Teamleiter mehr. Dafür mehr Teamsprecher, die alle zwei Jahre demokratisch gewählt werden. „Ob man es glaubt oder nicht – das ist ein großer Motivator“, erzählt Posch. Eine weitere Maßnahme betrifft die Maschinenbediener. Sie können jetzt auch rüsten. Der größte Satz dürfte jedoch mit der Analyse von Wertströmen gelungen sein. „Wir durchleuchteten einfach alles”, sagt Posch. Bald hatten die Oberösterreicher einen Hebel in der Hand. “Metallfreie Kohlebürsten fertigten wir bisher mehrstufig”, erklärt Posch. Es gab langsamere Takte wie das Pressen und Sintern. “Ein Brennzyklus dauerte 17 Stunden und auch die Laborfreigabe zog sich hin”, schildert der Produktionsexperte. Schneller ging es in den Bohr- und Schleifmaschinen. Angesichts idealer Sintertemperaturen von 200 Grad glückte die Verkettung der Maschinen aber.Kaum Chancen auf Verkettung sieht Posch derzeit bei den metallhaltigen Kohlebürsten. Hier herrschen Sintertemperaturen von 500 Grad vor – “sehr ungünstige Bedingungen”, meint er. Seine Produktivität will der Maschinenbauer aber trotzdem um fünf Prozent steigern. „Wir beschäftigen uns deshalb mit Geisterschichten“, schildert Fertigungsleiter Rudolf Posch. Entscheidend dabei dürfte eine bessere Zuführung von Materialien zu den Pressen sein. Das Gemisch aus aus Naturgrafit, Kupferpartikeln und Kunststoffen gelangt in kleinen Portionen zu den Maschinen. Die automatische Befüllung am Fülltrichter zeigte bei vier Maschinen bereits gute Ergebnisse. Jetzt untersucht der Betrieb noch genauer das Fließverhalten. „Wir wollen die Methode auf 40 weitere Pressen ausweiten“, sagt Posch. Druckmaschinenbauer KBA-Mödling: Lean-Production „light“ für Lehrlinge.Auch beim niederösterreichischen Maschinenbauer KBA-Mödling liegt die Latte hoch. Neben der Optimierung der Montage von Bogenoffsetdruckmaschinen gibt es weitere Projekte, durch die künftig stärker der Lean-Geist strömen soll. Im Produktionssegment Wertpapiermaschinen wird ein junger Vorarbeiter „nach Optimierungspotentialen suchen“, verrät der Technische Leiter Rudolf Vogl. Auch dieser Kollege ist in die Schulungen mit Six Sigma Austria eingebunden. Zwischen 20 und 30 dieser Maschinen bauen die Niederösterreicher in monatelanger Arbeit jedes Jahr zusammen. „Das ist klassische Standplatzmontage“, sagt Vogl. Rund 40.000 Fertigungsteile – darunter riesige Zahnräder und Druckzylinder – müssten dabei stets zum richtigen Zeitpunkt am Montageplatz sein. “Wir sind uns ziemlich sicher, dass sich die Teilebereitstellung optimieren lässt”, so der Produktionsexperte. Etwa durch mehr „vorgefertigte Aggregate“, sagt er.Nicht weniger ehrgeizig sind die Ziele im Ausbildungsbereich der Niederösterreicher. „Für unsere Lehrlinge stellen wir gerade eine Ausbildungsmontage auf die Beine“, erzählt Rudolf Vogl. Der Leiter der Einrichtung verinnerlicht sich gerade die Methoden der schlanken Produktion – ein echtes Novum. Das Jungvolk soll die wesentlichsten Prinzipien einmal kennen lernen. Vogl: „Auch angehende Mechatroniker sollen lernen, wie der gesamte Produktionsprozess aussieht“. In der Glitzerwelt der Niederösterreicher der doppelte Spaß.