IM-Spezial: Infrastruktur und Kommunalwirtschaft : Österreichs beste Gemeinden

Der Knackpunkt ist die Brücke. Wenn die nicht so alt wäre, sagt Bürgermeister Franz Winkler, dann wäre alles anders. Die Brücke führt über die Safen, einen kleinen Fluss im Gemeindegebiet von Schönegg im Pöllautal. Gebaut hat man sie in den sechziger Jahren, ausgelegt auf damals völlig ausreichende zwölf Tonnen. „Die heutigen Lkw können da nicht drüberfahren. Dadurch sind die Flächen hinterm Fluss als Gewerbegelände unbrauchbar. Mit denen kannst du keinen Betrieb anlocken“, sagt Winkler.Beim Anlocken von Betrieben war Winkler in den letzten Jahren trotzdem erfolgreich. Ein Transport- und Touristikunternehmen, die Firma Retter, hat die neue Halle für ihre Busflotte in Schönegg errichtet – weil Schönegg auch Gewerbeflächen diesseits des Flusses anzubieten hatte. Und weil der Firmenchef aus der Gegend kommt. „Der mag halt seine Heimat“, sagt Winkler.Die Retter-Ansiedlung brachte, gemeinsam mit einigen anderen neuen Unternehmen, Schönegg nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch ein finanzielles Zuckerl: Im Vergleich zu 2001, als die Firmen noch nicht im Ort waren, ist das Grundsteueraufkommen pro Kopf um fast hundert Prozent gestiegen. Franz Winkler bleibt allerdings Realist: Wenn die Verkehrsanbindung nicht passt, da könne man sich als Bürgermeister noch so abkämpfen, größere Unternehmen werde man nicht holen können. „Wir haben glücklicherweise die L 406 in unmittelbarer Nähe, das ist die Hauptschlagader des Pöllautals.“ Zur nächsten Bundesstraße sind es fünf Kilometer, zur A2 zwölf Kilometer. Investorwunsch Schnellstraße Um einen Industrieriesen anzuziehen, wie es dem Sieger des INDUSTRIEMAGAZIN- Rankings (alle Ergebnisse des Rankings finden Sie hier), der südburgenländischen Gemeinde Heiligenkreuz an der Lafnitz, gelungen ist, reicht eine gute Verkehrsanbindung allein freilich nicht aus. Manchmal ist sie allerdings auch nicht so wichtig. Denn gerade in diesem Punkt hinkt Heiligenkreuz internationalen Standards etwas hinterher. In Randlage an der Grenze zu Ungarn gelegen, kämpft der Ort nach wie vor um eine Schnellstraße. Die Pläne zum Ausbau der S7 werden zwar seit gut zwanzig Jahren gewälzt, passiert ist bislang nicht viel.Die nicht ganz optimale Verkehrsanbindung hat die Lenzing AG dennoch nicht daran gehindert, 1997 ihr Lyocell-Werk im damals neu errichteten Wirtschaftspark Heiligenkreuz anzusiedeln. „Im Gegensatz zur Automobilindustrie ist bei Lenzing die Just-in-Time-Produktion nicht so sehr das Thema. Deshalb ist es für uns verkraftbar, wenn wir mit dem Lkw zwanzig Minuten länger brauchen, bis wir auf der Autobahn sind“, sagt Bernd Zauner, Geschäftsführer bei Lenzing Fibers GmbH. Für die Ansiedlung in Heiligenkreuz habe 1997 gesprochen, dass das Burgenland nach dem EU-Beitritt Österreichs zum Ziel-1-Fördergebiet geworden ist und dadurch stark an Attraktivität gewann. „Wobei man schon erwähnen sollte: Eine Investition muss sich auch dann rechnen, wenn es Förderungen gibt. Denn selbst wenn ich, sagen wir, zwanzig Prozent gefördert bekomme, muss ich trotzdem die restlichen achtzig Prozent selbst aufbringen.“Lesen Sie weiter: Chance für Pendler
Aus Lenzing-Sicht hat sich das Engagement in Heiligenkreuz gelohnt. Auch im Vergleich mit später erworbenen Lyocell-Werken in Großbritannien und den USA steht der burgenländische Standort gut da. Über die Jahre gab es eine ständige Kapazitätserweiterung, von anfänglich 10.000 Tonnen Lyocell hat man die Produktion auf inzwischen 60.000 gesteigert. Leitbetrieb Lenzing Für den Wirtschaftsstandort Heiligenkreuz war die Lyocell-Fabrik von Anfang an ein Leitbetrieb, der die Ansiedlung weiterer Unternehmen im Wirtschaftspark erleichtern sollte. Dass Heiligenkreuz von 2001 bis 2011 die Pro-Kopf-Einnahmen aus der Grundsteuer um gut 260 Prozent steigern konnte, liegt nicht zuletzt daran, dass sich im Schlepptau von Lenzing weitere Betriebe im Wirtschaftspark ansiedelten. Die flächenmäßig größte Investition erfolgte 2001, da kam das Laubholz-Sägewerk Theuerl und Tinzl nach Heiligenkreuz. Inzwischen wurde daraus nach einem Eigentümerwechsel die Abalon Hardwood GmbH, die mit rund 17,5 Hektar mehr Fläche im Park beansprucht als die Lenzing, die mit etwas über 11 Hektar auskommt.Die spezifische Randlage von Heiligenkreuz ist für die Gemeinde und den hier angesiedelten Park ein Vor- und Nachteil zugleich. „Das Südburgenland ist ja näher an der Steiermark als am Nordburgenland oder gar Wien. Ich bin in einer Stunde in Graz, nach Eisenstadt brauche ich zwei“, sagt Lenzing-Geschäftsführer Bernd Zauner und ergänzt: „Durch diese relative Abgeschiedenheit haben wir als großer Industriebetrieb ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal und sind als Arbeitgeber dementsprechend attraktiv.“Für den Großteil der Mitarbeiter, die in der Produktion tätig sind, stimmt das. Für Führungskräfte ist Heiligenkreuz allerdings nur dann interessant, wenn sie in irgendeiner Form eine Verbindung zur Region haben. „Wenn jemand überhaupt nichts mit der Gegend anfangen kann, ist es nicht leicht, ihm zu vermitteln, warum er ausgerechnet nach Heiligenkreuz kommen soll. Oft stellt sich auch die Frage einer angemessenen beruflichen Perspektive für den Partner“, erzählt Zauner. „Andererseits konnten wir einige sehr gute Leute holen, die aus der Region stammen, nach dem Studium in Wien geblieben sind und jetzt froh sind, zurückkommen zu können.“ Chance für Pendler Dass das Südburgenland ein sehr großes Potenzial an Arbeitskräften hat, die froh sind, einen Job in der Region zu bekommen, bestätigt auch Walter Lorenz, der Geschäftsführer des Wirtschaftsparks: „Anders als im Nordburgenland gibt es bei uns auch viele Wochenpendler. Und da ist das Interesse an einem Job in der Region natürlich noch größer als bei Tagespendlern. Dass man bei uns ziemlich einfach Fachkräfte bekommen kann, ist ein großer Vorteil des Standorts.“ Dann zählt Lorenz weitere Vorteile des Parks auf, allem voran große gewidmete Flächen, die Investoren zur Verfügung stehen. „An anderen Standorten scheitern Ansiedlungen oft daran, dass die Gemeinde einen Investor an der Hand hat, die aktuellen Besitzer aber die benötigten Flächen nicht verkaufen wollen. Bei uns sind die Flächen schon da.“Lesen Sie weiter: Gemeinde-Kooperation
Der Blick über den Wirtschaftspark zeigt, dass hier tatsächlich alles andere als Platzmangel herrscht. Die Anlagen von Lenzing dominieren das Bild, dann noch die Hallen von Abalon, aber ansonsten schweift der Blick über Wiesen und Blumen. Eher Puszta-Feeling als Industriehochburg.Insider geben daher auch unumwunden zu, dass der Park die in ihn gesetzten Erwartungen nur teilweise erfüllt hat. „Mit Lenzing hat man einen großen Betrieb holen können. Sonst herrscht aber ein ständiges Kommen und Gehen. Wenn, wie unlängst, die Ansiedlung eines Reifenhändlers, der in Heiligenkreuz ein Lager und zwanzig Arbeitsplätze errichtet, als Riesenerfolg gewertet wird, dann zeigt das, wie sehr man die Erwartungen inzwischen nach unten geschraubt hat“, analysiert einer, der die Hintergründe um den Park aus erster Hand kennt. Und er macht auch mangelnde Koordination für die leer stehenden Flächen verantwortlich: „Dass sich im benachbarten Jennersdorf eine Lederfabrik ansiedelte, ist schön für Jennersdorf, aber in Wirklichkeit hätte das Unternehmen hier in den Wirtschaftspark gehört.“Für den Bürgermeister von Heiligenkreuz, Eduard Zach, ist der Wirtschaftspark aufgrund der eher durchwachsenen Auslastung daher nicht nur ein Grund zur Freude. Pflichtbewusst sagt der Bürgermeister zwar: „Leitbetriebe wie Lenzing sind wichtig für die Region“, für weitere Informationen verweist er aber direkt an den Wirtschaftspark.Zach hat die Gemeinde erst vor kurzem übernommen, lange nach der Errichtung des Wirtschaftsparks. Dass der Park der Gemeindekasse erhöhte Einnahmen aus der Grund- und Kommunalsteuer bringt, freut den Bürgermeister zwar, mit dem Geld muss er allerdings Verpflichtungen abzahlen, die Heiligenkreuz in der Gründungsphase des Parks übernommen hat. Und damals rechnete man mit deutlich mehr Ansiedlungen und daher auch damit, dass man die vereinbarten Raten leichter abstottern wird können. Gemeinden-Kooperation Eine Riesenlast stemmen zu müssen, die die finanzielle Kraft einer einzelnen Gemeinde übersteigt, das wollte Josef Ziniel von Anfang an vermeiden. Der Bürgermeister von Frauenkirchen steht am Ufer des Neusiedler Sees, blinzelt in die untergehende Sonne und erzählt die Geschichte jener Investition, die die Grundsteuereinnahmen seiner Gemeinde immerhin um 122 Prozent gesteigert hat: die St.-Martins-Therme. „Das Resort war von Anfang an eine gemeinsame Idee von dreizehn Gemeinden. Der Standort ist zwar Frauenkirchen, den Nutzen haben aber alle.“ Um die Errichtung der Therme zu finanzieren, haben die Gemeinden eine Gesellschaft gegründet, der Betrieb wurde an den Gesundheitsdienstleister Vamed übertragen. Der Hotelberieb laufe sehr gut, bilanziert der Bürgermeister, nur bei den Tagesgästen gebe es ein gewisses Auslastungsproblem. „Das ist im Moment im Thementourismus generell so.“Lesen Sie weiter: Ringen um Flächen
Auch Ulrike Hille, Bürgermeisterin im 1700-Seelen-Ort Desselbrunn, glaubt, dass Kooperationen der richtige Weg sind, um Firmen anzulocken. Hille konnte ein Postverteilerzenturm mit achtzig Mitarbeitern für Desselbrunn gewinnen, was neben dem Zuzug von Jungfamilien zu einer Steigerung der Pro-Kopf-Grundsteuereinnahmen um über hundert Prozent führte. Sie will diesen Erfolg aber nicht überbewerten: „Wir liegen eben verkehrsgünstig, nahe an der Autobahn. Und es gab entsprechende Betriebsbaugründe. Man kann so einen Betrieb ja nicht einfach irgendwohin stellen.“ Es wäre daher durchaus sinnvoll, überlegt sie, wenn sich Gemeinden verstärkt entschließen würden, interkommunale Betriebsbaugebiete zu gründen. In ihrer eigenen Gemeinde ist aus einer entsprechenden Kooperation mit Nachbarn nichts geworden – der Gemeinderat hat einen entsprechenden Entwurf abgelehnt. Ringen um Flächen Um geeignete Flächen ging es auch, als sich im oberösterreichischen Nebelberg vor elf Jahren der Allrad-Spezialist Oberaigner Powertrain ansiedelte. Dass der Eigentümer aus dem benachbarten Rohrbach stammt, war bei der Entscheidung für Nebelberg hilfreich. Hilfreich war es aber auch, dass er von hier von Landwirten 22 Hektar Betriebsfläche ankaufen konnte. Und da, erzählt der Amtsleiter von Nebelberg, Karl Pfeil, kam die Gemeinde ins Spiel: „Wir haben als Gemeinde nicht so viel Möglichkeiten. Wir haben aber Überzeugungsarbeit geleistet, damit die Leute die Flächen verkaufen. Und wir haben die Anschlusskosten im Wert von 30.000 Euro übernommen.“ Wirklich gram kann Pfeil jenen Bauern, die ihr Land ursprünglich nicht hergeben wollten, allerdings nicht sein: „Bei einer Landwirtschaftsgröße von zwanzig Hektar sind fünf oder sechs Hektar, die einer verkaufen oder tauschen soll, unter Umständen eine Existenzfrage.“Schwierig wird es mit Grundstücken oft auch, wenn sich ein Leitbetrieb bereits angesiedelt hat. Dann schießen die Grundstückspreise in die Höhe. Oder zumindest die Vorstellungen der Besitzer darüber, was sie nun verlangen können. Wirtschaftsparks können das Problem durch Kauf auf Vorrat umgehen. Gevifte Kommunalpolitiker auch. In Sachsenburg im Drautal – Steigerung der Pro-Kopf-Erträge aus der Grundsteuer um rund 120 Prozent – hat die Gemeinde schon vor zehn Jahren Kaufoptionen auf Grund abgeschlossen. Schon damals dominierte die Hasslacher Gruppe, einer der größten Holzverarbeiter im Land, das Wirtschaftsleben des Ortes. Damals stand der vom heutigen Chef der Kärntner Industriellenvereinigung, Christoph Kulterer, geleitete Betrieb aber noch nicht in jener Blüte, in der er heute steht. „Wenn die Leute damals geahnt hätten, was für ein Boom das wird mit dem Hasslacher, hätten wir die Optionen nie so günstig bekommen“, erzählt Gemeindesekretär Hannes Hartlieb freimütig. „Man muss weitsichtig denken, man muss sich aber auch anstrengen. Das tut unser Bürgermeister. Schauen Sie Lendorf an, fünf Kilometer weg von uns. Die haben die gleiche ideale Lage, dort geht aber gar nichts weiter.“ Unbürokratisch Was Hartlieb mit perfekter Lage meint, ist gute Erreichbarkeit von Slowenien, Italien, Villach und Osttirol aus sowie ein flaches Tal, das viel Gelände für die platzintensive Holzindustrie bietet. Aber auch andere Investoren schätzen Sachsenburg inzwischen. So auch der Paketdienstleiter DPD, der hier sein zweites Kärntner Depot errichtet hat. „Für die Wahl des Standortes Sachsenburg war maßgeblich die gute verkehrstechnische Anbindung ausschlaggebend. Über die B 100 Drautal-Bundesstraße werden die Hauptzustellgebiete rasch erreicht“, sagt Rainer Schwarz, Geschäftsführer von DPD Austria. „Die Entscheidung wurde aber auch durch das rasche und unbürokratische Entgegenkommen der Gemeinde Sachsenburg sowie das Bestehen eines Gewerbegebietes mit entsprechenden Grundflächen erleichtert.“Lesen Sie weiter: Erfolgsfaktor Tourismus
Ebenfalls dem Charme von Sachsenburg, mehr noch aber der Nähe des Riesen Hasslacher ist der Erzeuger von Holzpellets Seppele erlegen, der seit einigen Jahren in Sachsenburg produziert. Und schließlich hat die ausreichend zur Verfügung stehende Gewerbefläche auch Hasslacher selbst dazu gebracht, den Standort Sachsenburg sukzessive zu erweitern. Was sich eben auch im Grundsteueraufkommen widerspiegelt. Erfolgsfaktor Tourismus Nicht immer steckt hinter höheren Pro-Kopf-Einnahmen aus der Grundsteuer allerdings eine Betriebsansiedlung. „Das kann unter Umständen auch durch andere Effekte bedingt sein, etwa den Ausbau von Kapazitäten im Tourismus“, erklärt Clemens Hödl vom KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung. Das trifft zum Beispiel auf Warth am Arlberg zu, wo man von 2001 bis 2011 dank Hotelbauten eine Erhöhung des Grundsteueraufkommens pro Kopf um 233 Prozent erreichte. „In Tourismusgemeinden kommt zusätzlich noch der Effekt dazu, dass diese Gemeinden oft sehr wenige hauptgemeldete Einwohner haben, wodurch der Pro-Kopf-Wert sehr schnell nach oben geht“, erklärt Hödl.Manchmal sind allerdings auch Eigenheiten der Statistik für Steigerungen verantwortlich. Die gerade 246 Einwohner zählende steirische Gemeinde Oppenberg konnte zwischen 2001 und 2011 das Pro-Kopf-Grundsteueraufkommen um 205 Prozent erhöhen. Doch weder hat in dem einsamen Bergdorf ein neues Hotel eröffnet, noch ein naturverliebter Investor seine Zelte aufgeschlagen. Die Änderung ergibt sich aus der unspektakulären Tatsache, dass es anlässlich des Besitzerwechsels bei einigen Grundstücken zu einer Berichtigung der Einheitswerte kam.