Auftragsforschung : Kleine Bühne
Eine schnelle Eingreiftruppe, wenn es brennt. Wenn Forschungsergebnisse auf den Tisch müssen. Zugleich gewiefte Taktiker, die den längerfristigen, ganzheitlichen Ansatz zur betrieblichen Qualitätsgestaltung vorantreiben: Die Stiftungsprofessur an der Uni Linz, deren Inbetriebnahme Anfang des Jahres besiegelt wurde, ist in erster Linie als Antwort zu verstehen. Auf eine Frage, die man salopp der Industrie zuschreiben darf: Als „peinlich gering“ bezeichnete die Industriellenvereinigung den F&E-Mitteleinsatz des Landes Oberösterreich zuletzt harsch. Und warf – wo doch die Produktionsforschung mit dem Aktionsfeld „Industrielle Produktionsprozesse“ im neuen Forschungsprogramm „Innovatives OÖ 2020“ unweigerlich Thema sei – die Frage auf: Braucht es nicht einen stärkeren Fokus auf die Produktionsforschung? Anfang 2015 nimmt das neue Institut für Integrierte Qualitätsgestaltung an der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der JKU seinen Betrieb auf.
Für die Linzer wird das wohl die erhoffte Profilschärfung bringen. Aber auch die Industrie erhofft sich Mitnahmeeffekte. „Was wir brauchen, sind neue Ansätze, um auch Gesamtsysteme qualitativ betrachten zu können“, sagt etwa Peter Neumann, CEO des Schwertberger Spritzgießmaschinenbauers Engel.
Forschungsboom
Die Episode aus der F&E-Metropole zeigt: Geforscht kann hierzulande gar nicht genug werden. Jährlich an die tausend Forschungsprojekte mit 650 Firmenpartnern haben allein die Forschungsabteilungen der UAR, Leitgesellschaft für außeruniversitäre Forschung in Oberösterreich, vorzuweisen. Auch Wolfgang Pribyl, Chef der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research, trat 2011 mit dem Ziel an, die Zahl der Aufträge aus der Wirtschaft zu steigern. Eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas hat gar ein Joint Venture zwischen der Stadt Wien, Wien Energie und Wiener Netze sowie dem Elektronikkonzern Siemens vorzuweisen: Am nordöstlichen Stadtrand Wiens entsteht mit der Seestadt Aspern gerade ein Hauptstadtviertel ausgerichtet auf Energieeffizienz und smarte IT. Auch ein Rundruf bei heimischen Auftragsforschungsinstituten zeigt: 2013 war ein starkes Jahr für die Profiforscher – und 2014 könnte ein noch stärkeres werden.
„Es läuft sehr gut“, sagt Jürgen Minichmayr, Geschäftsbereichsleiter bei Fraunhofer Austria. Die Auftragsforscher – „2004 ganz klein in Österreich begonnen“ (Minichmayr) – legen jährliche Wachstumsraten von zehn Prozent hin. Auch wenn sich Betriebe mancher Branchen derzeit tendenziell stärker dem Tagesgeschäft zuwenden müssen als strategische Fragen voranzutreiben – die Auftragslage des Forschungsinstituts in Wien-Wieden ist gut. Auch bei Profactor, Problemlöser in Steyr für die produzierende Industrie, kann man derzeit nicht klagen. Im fünfjährigen Vergleich schnitten die Oberösterreicher bei der Zahl der Industrieprojekte laut eigenen Angaben zuletzt um 30 Prozent besser ab – eine schöne Steigerung. Die heimische Landschaft angewandter Forschung müsse „auf keinen Fall den Vergleich mit Deutschland scheuen“, meint Martin Kozek, Forscher am Institut für Fertigungstechnik der TU Wien.
Auch wenn es beim Nachbarn zuweilen größere fachliche Breite und die Möglichkeit, mit mehr Ressourcen tiefer in die Materie einzudringen, gibt: „Es wird dort nicht professioneller als bei uns gearbeitet“, so Kozek. Ein Befund, den viele in der Industrie – sei es der Stahlriese Voestalpine oder Maschinenbauer – vorbehaltlos unterschreiben. Die Diskussion, was die heimische Auftragsforschung nun konkret ausmacht, erübrigt sich dadurch aber nicht, wie die jüngsten Debatten um den „Auftrag der Forschung“ zeigen. Wie Profiforscher die hochkompetitiven Jahre zuletzt ohne Schrammen überstanden – und ihre spektakulären Pläne für 2014.
Ist es eine Frage der Disziplin? Eine des finanziellen Polsters? Welche Tugenden die Arbeit der Forscherelite mit Industrieanschluss zu einem Erfolg machen, beurteilen im Zweifelsfall die Betriebe ganz gut. Recht machen können es ihnen die Institute aber nur schwer. „Weil alle einen Bauchladen anbieten, ist es schwer, den Überblick zu bewahren“, würde sich etwa ein leitender Konstrukteur eines oberösterreichischen Maschinenbaubetriebs klarere Schwerpunkte wünschen.
Sagt ein Forscher bei einer Fragestellung aber einmal „nein“, ist das auch nicht unbedingt geschäftsfördernd. Trotzdem darf die inhaltliche Neuausrichtung vieler F&E-Player – und Straffung ihrer Programme – durchaus als Erfolgsstory angesehen werden. So stellte sich die steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research organisatorisch neu auf: Mitte 2011 schlossen die Steirer die Umstrukturierung der zuletzt schon von mehr als 20 auf zuletzt 13 reduzierten Institute auf fünf große Organisationseinheiten ab. Auch bei der UAR, Leitgesellschaft für außeruniversitäre Forschung in Oberösterreich, tut sich organisatorisch einiges. Voraussichtlich schon Ende März übernimmt UAR die Mehrheitsanteile am der Industrie wohlvertrauten Forschungsbetrieb Profactor.
„Ein weiterer Grundstein für den Ausbau der Produktionsforschung in Oberösterreich“, meint UAR- Chef Wilfried Enzenhofer. „Die Einbindung in das Netzwerk stärkt unsere Position“, blickt auch Profactor-Geschäftsführerin Andrea Möslinger optimistisch in die Zukunft. Eine klare Fokussierung ist immer stärker auch an den anwendungsnahen Uniinstituten vorfindbar. Dort sind Managementvokabel wie Profilschärfung zwar weniger gut im Abgang.
Haarig wird es nämlich dann, wenn diese nur eins erreichen soll: Fördertöpfe effizienter anzuzapfen. Früher war „die Forschungslandschaft heterogener“, sagt TU-Wien-Forscher Martin Kozek. Es gab mehrere Forschungseinrichtungen ohne übertriebener Schwerpunktsetzung, „die durchs Interesse der Industrie gut und groß geworden sind“, sagt Kozek. Ganz negieren will er den Sinn der Schwerpunktbildung aber nicht. „Natürlich können so auch schwächere Institute im Mainstream der arrivierten Forschungsrichtungen mitsegeln, was per se nicht immer schlecht sein muss“, sagt Martin Kozek.
Mit der klareren inhaltlichen Abgrenzung der Förderprogramme jedenfalls steigt auch der Überlebensdruck auf die Forschungsdienstleister, „wo reinzukommen“. Manche Programme, vor allem jene, die eine gewisse Produktionsnähe erkennen lassen, sind vielfach überzeichnet. Experten beobachten, dass die Bandagen unter den Forschungsinstituten deshalb härter werden. So freut sich Heinz Seyringer, zuständig für Forschungskooperationen beim Lichtlösungsanbieter Zumtobel, über die „steigende Qualität“ der Anfragen, die F&E- Dienstleister an ihn richten. Zugleich beobachtet er eine rasante Zunahme der Anfragen. In schwachen Monaten prüfe er „zehn bis zwanzig Blindanfragen“.
In Stoßzeiten, etwa dann, wenn Förderprogramme auf Schiene gebracht werden, seien es mehr als doppelt so viele. Ganz geheuer ist ihm das nicht: Aufgrund der explosionsartigen Entwicklung müsse er spannende Projekte immer öfter wegschieben. „Wir müssen öfter einmal absagen, und betrifft das einen langjährigen Partner, ist das natürlich besonders bitter“, sagt Seyringer. Dass der Konkurrenzdruck auch unter Auftragsforschern zunehme, „steht außer Frage“, heißt es bei einem großen Forschungsinstitut. Dass Kunden mit „Direct Mails oder Ähnlichem“ genervt werden, könne man ausschließen. „Natürlich aber laden wir von Fall zu Fall Unternehmen ein, sich Projekten anzuschließen“, heißt es bei dem Forschungsbetrieb. Voestalpine-Forschungschef Peter Schwab sieht sich jedenfalls noch nicht von Forschungsanträgen geflutet. „Die Intensität stimmt“, sagt er.
F&E-Rahmenverträge
Klar ist aber schon: Mit dem Professionalisierungsschub stehen bei Forscherschmieden auch neue Modelle der Zusammenarbeit auf dem Prüfstand. „Wir bieten neben einzelnen Forschungsaufträgen auch F&E-Rahmenverträge an“, berichtet Jürgen Minichmayr, Geschäftsbereichsleiter bei Fraunhofer Austria. In den deutschen Fraunhofer-Instituten längst ein gut eingeführtes Standardmodell, soll jetzt der Funke auf die Alpenrepublik überspringen. Die Idee könnte der Industrie gut ins Ohr gehen: Einmal die Modalitäten, etwa Geheimhaltungsvereinbarungen, klären, in der Folge geht es nur mehr um – jederzeit abrufbare – Projektarbeit in einer exklusiven Partnerschaft. Wen Fraunhofer Austria damit anspricht: Praktisch jeden – „vom KMU bis zum Weltkonzern“.