Automatisierung : Industrieautomatisierer greifen zu aggressiven Absatzstrategien

Eine Lizenz glättete die Wogen: Obwohl es nicht gut aussah im Konflikt um verletzte Patente für Linearmotoren des amerikanischen Industrieautomatisierers Rockwell Automation: Lange schwelte der Streit mit dem deutschen Automatisierungstechnikhersteller Beckhoff. Jetzt wurde das Patentverletzungsverfahren gütlich beigelegt.

Die Amis gewährten den Deutschen eine Lizenz zur Nutzung von mehr als einem Dutzend ihrer Linearmotorpatente. Beide Seiten zeigen sich demonstrativ erleichtert. „Wir begrüßen die einvernehmliche Lösung dieser Angelegenheit“, gibt ein führender Rockwell-Manager zu Protokoll. Aufatmen auch auf der Gegenseite: „Mit dieser Vereinbarung haben wir eine gute Lösung für unsere Kunden außerhalb der USA gefunden“, sagt Beckhoff-Chef Hans Beckhoff. Sie könnten das Linearmotorsystem der Deutschen nun in ihre Maschinen integrieren. Der US-Kunde aber wird sich weniger freuen: Den Bestimmungen der Vereinbarung zufolge muss Beckhoff in den USA mit dem Markteintritt warten – und zwar ziemlich lang: gemäß Vereinbarung bis zum 30. Juni 2019.

Neue Härte

Das Wort Vereinbarung weckte in der Eletronik- und Automatisierungswelt nicht nur positive Assoziationen. Jahrelang wurde die Branche durch heimliche Absprachen und marktverzerrende Aktionen angepatzt – das zeigen die Fälle, die bei europäischen Wettbewerbshütern auf dem Tisch landeten (siehe Kasten). Mittlerweile muss die Branche nicht mehr um ihren Ruf fürchten. Längst herrscht beinharter Wettbewerb, der sich durch alle Segmente zieht.

Zwar besteht für den Abgesang der Industrieautomatisierung kein Grund. Aber die deutsche Elektroindustrie bilanzierte 2013 nicht eben euphorisch. „Die Umsätze in der Automation waren leicht rückläufig“, hieß es beim ZVEI-Fachverband Automation. Sowohl bei den elektrischen Antrieben, den Schaltgeräten als auch den Industriesteuerungen war der Aufragseingang rückläufig.

An die Stelle kontinuierlichen Wachstums tritt ein beinharter Verdrängungswettbewerb in bestehenden Segmenten. „Jeder ist betroffen, Steuerungshersteller genauso wie Roboterbauer“, heißt es in der Branche. Patentverletzungsverfahren sind nur ein Indiz für die neue Härte am Markt. Überlebensfähig bleibt, wer seine Märkte schützt. Durch Innovation – und durch saftige Rabatte.

Marktneuling

Eine jährliche Verdoppelung der Absätze: Solche Wachstumsraten kennen alteinge- sessene Roboterhersteller nur mehr von früher. Der dänische Roboterhersteller Universal Robots aber plant sie hingegen für die Jahre 2014 bis 2017 ein. Die Dänen – Hauptsitz ist die Hans-Christian-Andersen-Geburtsstadt Odense – sind ein neuer Player am Markt für Industrierobotik – und einer, den die etablierten Hersteller in Ausschreibungen immer mehr zu spüren bekommen.

„Die Dänen haben ein sehr einfaches, günstiges und flexibles Produkt“, erzählt ein Roboterspezialist. In der Nische Kleinroboter hat der Hersteller es in wenigen Jahren geschafft, sich mit leicht programmierbaren Geräten unter 20.000 Euro festzusetzen – und den großen Herstellern, deren Vorstoß mit KMU-Robotern anfangs eher zögerlich vonstatten ging, erste Marktanteile in dem neuen Segment wegzuschnappen.

„Konzepte von Robotern, von denen andere schon lange redeten, setzten die Dänen in die Tat um“, heißt es in der Branche. Bis 2017 soll der Umsatz des neuen Players auf 133 Millionen Euro anschwellen – im April wurde das neue Hauptquartier bezogen. Heuer sollen 2000 Stück abgesetzt werden, und die Fabrik imstande sein, 150 Roboter täglich zu produzieren. Die Mitarbeiterzahl katapultierte sich von fünf auf 110.

Ansporn

Für die etablierten Hersteller ist das eine ungewohnte Situation. Jetzt plötzlich inhaliert ein neuer Player einen Teil des Wachstums, mit dem die Branche ohnehin nicht sonderlich gesegnet ist. Und eine neue Drohkulisse entsteht für die großen Hersteller der Industrie. Nicht nur das KMU-Segment attackieren die Dänen nämlich. Auch in der Automobilindustrie haben sie den Fuß in der Tür.

Seit dem Vorjahr setzt der Autobauer BMW in seinem US-Werk Spartanburg Roboter der Dänen ein. Das klingt zunächst eher nach einer Tüftelei: „Wir setzen die neue Technologie ein, um zu lernen, welche neuen Möglichkeiten sich dadurch für uns ergeben“, sagt BMW- Anlagenplaner Stefan Baginski einer Zei- tung. Zugleich kündigt sich ein Paradigmenwechsel an: Große Kunden – speziell Automobilisten – listeten bisher stets nur ein, zwei Roboterhersteller, um den Aufwand für Instandhaltung und Logistik klein zu halten. Damit könnte es nun vorbei sein, wie der Vertrauensvorschuss zeigt, den es im US-Werk von BMW für das neue dänische Produkt gibt: „Einen neuen Player ins Boot zu holen spornt die etablierten Hersteller an“, hieß es dort.

Die Herren pflegen ein kollegiales, fast kameradschaftliches Verhältnis. Das zeigte eine Veranstaltung Mitte November: Das zertifizierte Trainingscenter für Robotik des WIFI Oberösterreich feierte sein 25-Jahres-Jubiläum. Es kamen fast alle: Die Chefs der Top-Player am heimischen Robotermarkt und auch die Vertriebsprofis.

Der Umgang untereinander: Zuvorkommend, man war zu Scherzen aufgelegt. Der Eindruck, den die versammelte Runde machte, war der einer Familie. Ein gemeinsames Marktfeld schweißt eben zusammen. Und einige kennen das Unternehmen des Mitbewerbers wohl fast genauso gut wie das eigene: Der Yaskawa-Europe-Vertriebsmann verkaufte früher etwa für Kontrahent ABB. Und trotzdem ist die Atmosphäre heute weniger unverkrampft als noch vor ein paar Jahren.

„Früher hat man für Märkte, auf die kein Produkt zugeschnitten war, keine Kraft verwendet“, erzählt ein Geschäftsführer eines heimischen Roboteranbieters. „Störfeuer, nur um andere zu sekkieren, waren äußerst selten“, schildert er. Doch das ist heute vorbei. Die Mittel zur Marktdurchdringung werden aggressiver – in der Industrierobotik wachsen „die Bäume nicht in den Himmel“, wie es ein Roboterexperte formuliert.

Wachstum – oder nicht?

Laut dem Roboterfachverband IFR stieg 2013 zwar die Zahl der weltweit abgesetzten Roboter um fünf Prozent. Die großen Spünge gelingen aber derzeit in Asien, europäische Produktionen fertigen „längst nicht mehr alle auf Anschlag“, heißt es in der Branche. Und so versucht man sich angesichts eines kleiner werdenden Kuchens die Mitbewerber vom Hals zu halten. Was immer schwerer wird – auch hierzulande: Der japanische Roboterhersteller Fanuc etwa attackiert im Österreich-Geschäft.

Erst mit einer Personalie – mit Thomas Eder wurde ein bestens vernetzter Mann von Fronius als Vertriebler geholt. Im heurigen Frühjahr dann legten die Japaner mit der Gründung einer eigenen Österreich-Niederlassung nach. „Sie versuchen, bei großen Key Accounts hineinzukommen“, beobachtet ein Mitbewerber. Die Japaner versuchen zudem, den Markt noch breiter zu bearbeiten. Sie forcierten zuletzt den CNC-Bereich – „klarerweise ergibt sich so die Möglichkeit, eine Tür für Roboterprojekte aufzustoßen“, ist ein Mitbewerber nicht eben erfreut.

„Wir führen keine Kriege, holen uns aber den Marktanteil, der uns in Österreich zusteht“, heißt es bei Fanuc. Fanuc sei zuletzt „überproportional gewachsen“ und liege nach eigener Einschätzung jetzt bei „knapp 20 Prozent.“ Fanuc würde sich hierzulande jetzt „größere Projekte herauspicken und dort mit Preisen, die dem Niveau des Automobilbereichs nahekommen, strategisch attackieren“, will ein Roboterhersteller beobachtet haben. Die große Gefahr fürs eigene Geschäft sehe er nicht. Es bindet jedoch Kapazitäten. „Man muss dagegenarbeiten“, schildert er. Etwa mit einer Serviceoffensive. Und es zwingt die Marktbegleiter, sich wie die Angreifer beim Produkt selber „breiter aufzustellen“.

Unter Druck

Geringes Marktwachstum, zugleich sehr starke und renommierte Unternehmen der Automatisierungstechnik, die sich allesamt engagierte Umsatzziele setzen: Thomas Lutzky beobachtet in der Branche wachsenden Wettbewerbsdruck. „Der Wettbewerb hat eine neue Qualität bekommen“, schildert der Geschäftsführer des Industrieautomatisierers Phoenix Contact Österreich.

„Unsere Kunden, allesamt Produktionsunternehmen, hinterfragen ihre Standorte und auf konjunkturellen Rückenwind ist nicht zu hoffen“, fasst er die schwierige Situation zusammen. Erschwerend komme hinzu, dass die renommierten Player zum Teil ähnliche Qualitäts- und Innovationsstrategien fahren würden. Und trotzdem fuhr das Unternehmen hierzulande zuletzt „zwei Jahre hintereinander ein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich“ ein, schildert Lutzky.

Das gelang über ein stetig wachsendes Produktportfolio – „das lebt das Unternehmen seit über neunzig Jahren“, meint Lutzky. Der Aufwärtstrend sei aber auch der Lohn für die organisatorische Neuausrichtung, die Phoenix Contact vor ein paar Jahren vollzog. Der Vetrieb des Unternehmens wurde gestärkt – Lutzky holte fünf zusätzliche Verkaufsprofis an Bord. Preislich regiert der Wettbewerb. „Die aktuellen Preise sind am Limit.“