Air and Sea Carco : Frachtraten: Aus der Gefahrenzone

Aufatmen? Nach vier Jahren Dauerflaute ist schon Durchatmen ein Fortschritt. Die Seefrachtraten stehen seit der Krise von 2009 unter enormem Druck – als notorischer Frühindikator der Konjunktur ängstlich beäugt vom Rest der Welt. Mit dem Einknicken der Gesamtwirtschaft ging eine beispiellose Berg- und Talfahrt der Frachtraten einher: Nach einer Preisschlacht, die die Raten für einen TEU-Standardcontainer auf bis zu 500 US-Dollar drückte (ein Preisverfall von rund zwei Drittel), zogen sie vor einem Jahr stark an, um ab Herbst wieder ebenso stark zu fallen. Die Reedereien waren nicht nur mit massiven Überkapazitäten konfrontiert, hinzu kamen der hohe Dieselpreis und ein hausgemachtes Problem: In Erwartung gänzlich anderer Entwicklungen hatten sie immer größere Schiffe geordert und schrittweise damit begonnen, die kleineren Einheiten abzuwracken. Die Überkapazitäten verteilten sich also auch ungünstig. Seefracht: Zeichen der Entspannung Ein deutlich hörbares Aufatmen kam zu Jahresbeginn von der größten Containerreederei der Welt. Von einer „Befeuerung“ des Geschäfts sprach die Maersk Line. Der Zünder: überraschend starke Nachfrage via Asien, aber auch mehr Einfuhren nach China. Das reichte nicht, um die Überkapazitäten komplett abzubauen, doch Volumina und Frachtraten verbesserten sich.Auch die Analysten sehen die Container-Frachtraten seit Jahresbeginn auf Konsolidierungskurs. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW veröffentlichte kürzlich eine Prognose, wonach 2013 bei der interkontinentalen Luft- und Seefracht deutliche Preissteigerungen zu erwarten sind: „Wichtige Reedereien haben bereits in den vergangenen Wochen Erhöhungen ihrer Frachtraten insbesondere für die Verkehre von Asien nach Europa angekündigt.“ In ein ähnliches Horn stieß Anfang März die Fracht- und Logistik-Beratungsgruppe Seabury: Deren Experten rechnen für 2013 mit einem Wachstum des Frachtvolumens in der Seefracht von rund fünf Prozent, in der Luftfracht sollten sich rund 1,4 Prozent ausgehen.Optimistische Nachrichten kommen schließlich auch vonseiten der Financiers: Im laufenden Jahr sollten die Charterraten in den am stärksten von der Krise getroffenen Bereichen – Massengutfrachter, Containerschiffe und Rohöltanker – ihren Tiefpunkt erreicht haben, ließ die DVB Bank Anfang März wissen. Spätestens 2014 könne mit einer Verbesserung gerechnet werden. Preiserhöhungen nur in Nischen Eine Explosion der Frachtraten erwartet allerdings niemand. Klaus Hrazdira, als COO der Augustin Quehenberger Group für Kontraktlogistik in Luft- und Seefracht verantwortlich, bleibt gelassen. „Von den Reedereien wurden zwar Ratenerhöhungen angekündigt, aufgrund der nach wie vor bestehenden Überkapazitäten gehen wir aber nicht davon aus, dass diese auch durchsetzbar sein werden.“ Lesen Sie weiter: Luftfracht: "Ermutigende Zeichen"
Die Raten etwa für 20-Zoll-Container aus China zu den europäischen Mainports seien erstmals seit langem wieder um beziehungsweise unter 1.000 US-Dollar zu bekommen, dämpft Hrazdira allzu überbordenden Optimismus der Reedereien. „Grundsätzlich erwarten wir also eine stabile Ratensituation auf dem bestehenden – relativ niedrigen – Niveau.“ Tatsächliche Preiserhöhungen, beobachtet Hrazdira, gebe es derzeit nur in einzelnen Nischenbereichen wie etwa dem aus Europa abgehenden Reefer-Verkehr. Luftfracht: „Boden erreicht“ Stabilisation ist auch im Luftfrachtbereich der Tenor der Analysen. „Der Luftfrachtmarkt zeigt einige ermutigende Zeichen, doch es ist zu früh, um optimistisch zu sein“, meinte Tony Tyler, Generaldirektor der internationalen Luftfahrtorganisation IATA, vor wenigen Tagen.„Die Basisraten in der Luftfracht werden sich 2013 voraussichtlich nicht wesentlich verändern“, glaubt Joe Lässer, Direktor Air & Sea bei Gebrüder Weiss. „Beim Import von Asien nach Europa sind nach wie vor Überkapazitäten vorhanden, jedoch ist davon auszugehen, dass es auch in diesem Jahr keine großen Steigerungen des Importvolumens gibt.“ Die Folge: Kapazitäten werden aus dem Markt genommen, was wiederum zu Platz-Engpässen und Ratenerhöhungen führt. Generell sei derzeit infolge des starken Kostendrucks ein Trend weg von der Luftfracht hin zur Seefracht festzustellen.Die Exportraten in Europa hingegen könnten sich sehr wohl nach oben bewegen, vermutet Lässer. „Hier sind allerdings noch Unsicherheitsfaktoren zu bedenken, deren Auswirkungen nur sehr schwer abschätzbar sind. Besonders die Kraftstoffpreise und eventuelle Gebühren aufgrund der neuen EU-Sicherheitsbestimmungen für Luftfracht sind sehr unsicher und können mitunter zu höheren Gesamtkosten führen.“ Das wiederum würde sich langfristig auch auf die Auftragslage niederschlagen.„Infolge der rückläufigen Volumina im vergangenen Jahr sind die Luftfrachtraten auf praktisch allen Relationen kontinuierlich gesunken“, ergänzt Klaus Hrazdira, „sie dürften jetzt aber ebenfalls den Boden erreicht haben und über den Rest des Jahres relativ stabil bleiben.“ Wesentliche Erhöhungen seien erst wieder mit einer nachhaltigen konjunkturellen Erholung zu erwarten.Im Aufatmen darüber könnte das Durchatmen der Branche fast untergehen.