B&C Industrieholding : Einer für alle. Alle für keinen.

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Als man beim Faserhersteller Lenzing in der letzten Augustwoche die Halbjahresergebnisse präsentierte, stand erstmals ein neues Gesicht im Rampenlicht: Der frisch gebackene Vorstandsvorsitzende Stefan Doboczky. Der gebürtige Kärntner war mit 1. Juni vom niederländischen Chemiekonzern Royal DSM kommend auf den Lenzinger Chefsessel gehievt worden. Er ersetzt den langjährigen CEO Peter Untersperger, der im März überraschend seinen Rückzug bekannt gegeben hatte, – "aus freien Stücken", wie in den offiziellen Stellungnahmen betont wird.

Dass Doboczky eine Verdreifachung des Nettohalbjahresgewinnes verkünden durfte, lag vor allem im Interesse der Mehrheitseigentümer, der B&C Industrieholding, dem größten – und unbekanntesten – privaten Industrie-Eigner Österreichs. Die Ablöse Unterspergers hatte in Investoren- und Analysten-Kreisen für Unruhe gesorgt, da er in Lenzing für das laufende Spar- und Restrukturierungsprogramm als zentrale Handlungsfigur gegolten hatte. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende und B&C Holding-Geschäftsführer Michael Junghans sah dies anders. Untersperger musste ein Jahr vor Vertragsende gehen. Wie schnell die Mühlen bei B&C mahlen können, musste Michael Junghans schließlich selbst zur Kenntnis nehmen. Er bezieht inzwischen ebenfalls sein Managergehalt von anderer Stelle. Er ist seit 1. Mai Vorstandssprecher der vom HCB-Skandal gebeutelten Wietersdorfer Holding in Kärnten.

Diffuse Wirtschaftsmacht

Die Managementwechsel werfen ein Schlaglicht auf einen industriellen Player, der ansonsten in der Öffentlichkeit betont zurückhaltend agiert: die B&C Industrieholding sowie deren 100 Prozent-Eigentümerin, die B&C Privatstiftung. Sie kontrolliert mehrheitlich den Faserhersteller Lenzing (67,6 Prozent der Aktien), den Kunststoffhersteller Semperit (54,2 Prozent) und den Aluminiumhersteller AMAG (52,7 Prozent).

5.100 Industriejobs stehen alleine in Österreich auf der Payroll der B&C-Beteiligungen. Weltweit sind es 14.500 Mitarbeiter. Die drei Unternehmen schütteten zwischen 2011 und 2014 eine halbe Milliarde Euro Dividende aus.

Cui bono?

Über den Geldregen kann sich im Falle der B&C Holding kein Aktionär oder Eigner ad personam freuen. Aus dem einfachen Grund: Weil es keinen gibt. Die Privatstiftung, die die operative Managementholding mit deren 17 Mitarbeiter zur Gänze kontrolliert, gehört sich selbst. Jeder, der irgendwann einmal mit Stiftungen und Stiftungsrecht zu tun hatte, wurde mindestens einmal mit diesem Juristensatz abgespeist. Für Verständnis sorgt diese Erklärung aber selten.

Für Wolfgang Hofer ist dieses Spezifikum nichts besonders. Er ist Wirtschaftsanwalt und für ihn macht es wenig Unterschied, "ob Eigentumsrechte einer juristischen oder natürlichen Person gehören." Wolfgang Hofer ist Aufsichtsratspräsident der operativen B&C Holding und einer von drei Vorständen in der Privatstiftung. Wolfgang Hofer gilt – gemeinsam mit dem damaligen Bank Austria-Vorstand Franz Zwickl – als einer der Schöpfer des B&C-Stiftungsvertrages aus dem Jahr 2000, der unter Juristen als Schulbeispiel einer wasserdichten Stiftungsgründung gilt. Er ist als Aufsichtsratspräsident das Bindeglied zwischen dem Holding-Management und dem Stfiftungsvorstand, dem immer noch Ex-Bank-Austria-General Erich Hampel vorsitzt. Dritter im Bunde ist der frühere Ernst & Young-Geschäftsführer Georg Bauthen.

Begünstigte: Die "Allgemeinheit"

Ohne Hofers Wissen geht im Umfeld der B&C Gruppe nichts. "Unser Stiftungszweck ist die Förderung des österreichischen Unternehmertums. Und dem kommen wir auch nach", beharrt der Wirtschaftsanwalt auf der Einfachheit des Konstruktes. Begünstigte sind die "Allgemeinheit" sowie die "Empfänger konkreter Fördermaßnahmen." Die Bank Austria, bis 2000 Eigentümerin der eingebrachten Unternehmen und mit der Stiftungsgründung Empfängerin der Dividenden (in Form eines Sondergenussrechtes), ist seit 2009 de jure außen vor: Damals kaufte die B&C-Stiftung der Bank Austria das Genussrecht um 1,06 Milliarden Euro ab. Das Geldinstitut war mitten in der Bankenkrise für jeden Liquiditätszuschuss empfänglich. Seither gibt es für die Bank Austria keinen direkten Zugriff auf die B&C-Stiftung. Der Stiftungsvorstand erneuert sich selbst.

Ein Ex-Mitarbeiter der Bank Austria unterstreicht, dass "die B&C-Leute nach 2001 nie nachgefragt haben, ob sie was machen dürfen oder nicht. Nach der Ablöse der Genussrechte erst recht nicht." So sei der Einstieg und die Mehrheitsübernahme bei der oberösterreichischen AMAG ohne jede Mitsprache der Bank Austria zustande gekommen. "Die Stiftungsräte haben das letzte Wort. Und die agieren im kontrollfreien Raum", so seine Zusammenfassung. Aktive und geschasste Vorstände der drei Kernbeteiligungen bestätigen dies: Ein pensionierter Banker (Hampel), ein Steuerberater (Bauthen) und ein Rechtsanwalt (Hofer) stellen in einem 15.000 Mitarbeiter-Konzern über eine weitgehend ehrenamtliche Funktion die Weichen. Sie sind dabei niemandem Rechenschaft schuldig.

Hyperaktiv

Den drei Stiftungsräten steht ein Holding-Management gegenüber, das als "zeitweise hyperaktiv" bezeichnet wird. Vor allem die Lenzinger Belegschaft tat sich in den vergangenen Winter- und Frühjahrsmonaten schwer, zwischen eigenen Vorständen und den B&C-Vertretern zu unterscheiden. Das Zweiergespann Michael Junghans und Hanno Bästlein, Aufsichtsratsmitglied der B&C Holding, fand sich zumindest zweimal die Woche am Hof von Lenzing ein, um das Cost-Cutting-Programm des damals agierenden Vorstandes zu beaufsichtigen. "Manchmal behandelten sie Untersperger, als ob er morgen gefeuert werden würde. Und dann war wieder alles eitel Wonne. Auf alle Fälle haben die Wiener mehr mitgeredet, als für einen funktionsfähigen Vorstand in einem Unternehmen gut sein kann", sagt ein Lenzinger Belegschaftsvertreter, der wenig Sinn in der Doppelbeschattung durch die B&C-Manager sieht. "Den Neuen lassen's jetzt wenigstens in Ruhe", heißt es zum Schluss.

Partner

Mit dem Abgang des erfahrenen Michael Junghans hat die Figur von Hanno Bästlein im operativen Management an Kontur gewonnen. Hanno Bästlein hatte als Ex-AMAG-Vorstand und Ex-Constantia-Packaging-Chef maßgeblichen Anteil an der Übernahme der AMAG durch die B&C Holding. Obwohl er offiziell nur Aufsichtsrat der B&C und kein aktives Mitglied der Geschäftsführung ist, hat er von Junghans den Vorsitz des Lenzinger Kontrollgremiums übernommen. Dessen Nachfolger in der Geschäftsführung, der 40-jährige Ex-Palfinger-Manager Felix Strohbichler, muss als zweiter stellvertretender Vorsitzender am Aufsichtsratstisch von Lenzing Platz nehmen. Der wachsende Einfluss von Hanno Bästlein soll mit ein Grund gewesen sein, warum sich Michael Junghans lieber für einen Job in Klagenfurt entschied, als weiter eine Beteiligungsholdung von 3,6 Milliarden Industrieumsatz zu managen.

Erneuerung

Im Umfeld der B&C Gruppe wird bereits heftig diskutiert, wer nach den drei aktuellen Stiftungsvorständen die Weichen in der B&C Gruppe stellen wird. Erich Hampel gilt spätestens seit der Rückgabe des Holding-Aufsichtsratsvorsitzes im September als amtsmüde. Ob sich Willibald Cernko den Job antut, gilt als höchst unsicher. Sein Interesse an Zusatzjobs gilt als überschaubar. Er wird sich allerdings einem Ruf aus Mailand nicht entziehen können: wenn es darum geht, den direkten Einfluss der Bank Austria und damit der UniCredit wiederherzustellen.

Herr Dr. Hofer, die B&C Privatstiftung hat als Stiftung keine Eigentümer und – nach Kauf der Substanzgenussrechte von der Bank Austria – auch keine Geldbegünstigten. Wer entscheidet dann über so große Projekte wie den Ankauf der AMAG-Beteiligung?

Wolfgang Hofer Bei uns laufen die Prozesse wie in jeder Beteiligungsholding. Wir verfügen über eine professionelle Geschäftsführung und Beteiligungsmanager, die sich um die Unternehmen kümmern. Und natürlich beobachten wir den Markt. Wenn es Interesse an einem Zukauf gibt, werden in einem Projektteam die entsprechenden Markt- und Unternehmensanalysen gestartet. Das Prozedere ist da nichts Ungewöhnliches. Letztlich entscheidet der Aufsichtsrat der B&C Industrieholding.

Und was ist dann die Aufgabe der Stiftungsvorstände?

Hofer Die Stiftungsvorstände sind für die Einhaltung des Stiftungszweckes verantwortlich. Und der hat die Förderung des österreichischen Unternehmertums zum Ziel. Sie bestellen den Aufsichtsrat und stecken letztendlich die Rahmenbedingungen ab, in deren Grenzen die B&C Industrieholding agiert.

Wie tickt die B&C am Beispiel AMAG?

Hofer Der Einstieg hat ja eine Geschichte. Wir haben uns für Ranshofen bereits interessiert, als das Unternehmen noch zur Constantia Packaging gehört hat und auf den Markt gekommen ist. Allerdings waren wir 2009 nach dem Genussrechtekauf von der Bank Austria nur begrenzt liquide. Wir haben dafür im Zuge eines Aktientausches Unterbeteiligungen an z. B. Semperit und/oder Lenzing angeboten, was aber nicht akzeptiert wurde. Nachdem die J.P. Morgan Beteiligungstochter One Equity Partners bei der AMAG eingestiegen ist und die damalige B&C Holding wieder über den notwendigen finanziellen Spielraum verfügt hat, sind die Dinge 2012 wieder ins Rollen gekommen.

Welche Rolle hat dabei Hanno Bästlein gespielt? Er war AMAG-Vorstand, Vorstandsvorsitzender der Constantia Packaging und Partner bei One Equity Partners und stand damit auf der Verkäuferseite. Heute gilt er als einflussreicher Manager der B&C.

Hofer Herr Bästlein war unser Ansprechpartner bei Constantia und wusste daher, dass wir uns für die AMAG interessieren. Als die Zeit wieder reif war, haben wir das Thema mit ihm als Verkäufervertreter wieder aufgegriffen. Herr Bästlein verfügt über eine lange Erfahrung im Industriemanagement. Und dieser Kenntnisse und Fähigkeiten bedienen wir uns seit 2014, als er zur B&C stieß.

Mit der Abberufung von Lenzing-CEO Peter Untersperger hat das B&C-Management im Frühjahr einen Paukenschlag gesetzt. Warum die drastische Entscheidung?

Hofer Herr Untersperger hat Großes für die Lenzing geleistet. Aber die Lenzing hat nicht nur ein Kostenproblem. Das Unternehmen hat zusehends seinen Technologievorsprung eingebüßt. Der Aufsichtsrat der Lenzing war daher der Überzeugung, dass es nach Durchführung des Hauptteiles des Kostensenkungsprogrammes eine durchgreifende Neuausrichtung brauchte. Herr Doboczky steht dafür. Manchmal braucht es einen neuen Besen.

Gilt das auch für den Weggang des B&C-Geschäftsführers Junghans? Es heißt, die Chemie zwischen ihm und Ihnen als sein Aufsichtsratsvorsitzender hätte nicht mehr gestimmt.

Hofer Wir sind mit Semperit und mit Lenzing zwar in der Chemiebranche tätig, aber der Wechsel von Herrn Junghans hat mit Chemie gar nichts zu tun. Er wollte sich in Richtung operative Industrie verändern und wir haben seine Entscheidung respektiert. So einfach war das.

Die B&C hat mit dem Verkauf der Lotterien-Anteile an die Novomatic im Juni den Plänen des Finanzministers einen Strich durch die Rechnung gemacht, die Casinos Austria zur Gänze in die Hände der Republik bzw. ÖBIB zu bringen. Ist das als Statement zu verstehen?

Hofer Ein Statement gegen irgendjemanden war das sicher nicht. Wir wollen mit unseren Beteiligungen grundsätzlich maßgeblichen Einfluss nehmen. Das konnten wir mit den annähernd acht Prozent an den Lotterien nicht. Daher haben wir bereits vor Jahren Gespräche mit den Casinos und den Großaktionären der Raiffeisen-Gruppe aufgenommen, ob man Anteile und Einfluss nicht bündeln soll. Dort hat sich schlicht und einfach niemand für unseren Vorschlag interessiert. Jetzt ist mit Novomatic ein hervorragendes österreichisches Unternehmen eingestiegen, das, wie wir hören, auch für das Finanzministerium als künftiger strategischer Partner der Casinos und Lotterien in Frage kommt.

Wenn in der Stiftungsurkunde der Stiftungszweck mit "Förderung des österreichischen Unternehmertums" angegeben wird, bedeutet dies, dass die B&C kein ausländisches Industrieunternehmen kaufen darf?

Hofer Prinzipiell interessieren wir uns bei Zukäufen für Unternehmen mit österreichischen Konzernsitzen. Man soll niemals nie sagen. Man kann ja erstklassige ausländische Unternehmen zu österreichischen machen.

Wolfgang Hofer ist Wirtschaftsanwalt und Partner der Kanzlei Grohs Hofer. Er galt lange Zeit als Vertrauensanwalt des Vorstandes der Unicredit Bank Austria und deren Vorgängerinstitute. Hofer ist seit Gründung der B&C Privatstiftung Ende 2000 im Vorstand der B&C Privatstiftung und Aufsichtsratsmitglied der B&C Industrieholding GmbH. Seit September 2014 führt er den AR-Vorsitz der B&C Industrieholding GmbH.