Energieeffiziente Produktion : Effizienzschlacht

Opel Wien Energiebeauftragter Roman Szegner
© Thomas Topf

Schon aus der Ferne ist das Wummern hörbar. In der Energiezentrale des Getriebewerks Opel Wien steigert es sich zu ohrenbetäubendem Krach. Acht Kompressoren erzeugen hier nicht weniger als einhundert Millionen Kubikmeter Druckluft pro Jahr – der ganze Standort der Asperner wird versorgt. Einige der Kompressoren im Erdgeschoss haben schon mehr als 30 Jahre auf dem Buckel. Roman Szegner, Energiebeauftragter des Unternehmens, lenkt den Blick aber nach oben. Dort, auf der oberen Etage, verdichten seit kurzem zwei nagelneue Schraubenkompressoren Druckluft für die Motor- und Getriebefertigung – und das hocheffizient: Früher war eine bedarfsgerechte Regelung mit den ausnahmslos starren Kompressoren nicht möglich.

„Die hochgerechneten Betriebsstunden ergaben einen Leerlaufanteil von über 18 Prozent“, rechnet Szegner vor. Einer der neuen – deutlich kleiner dimensionierten – Kompressoren ist nun sogar frequenzgeregelt. Die Leerlaufverluste reduzierten sich so auf ein Minimum. Allein mit dieser Maßnahme spart das Getriebewerk pro Jahr mehrere zehntausend Euro ein. „Steigt der Verbrauch im Werk sprunghaft an oder fällt dieser am Ende einer Produktionsschicht ab, schaltet die neue übergeordnete Steuerung die Kompressoren entsprechend zu oder weg“, schildert Opel-Wien-Energieprofi Szegner.

Scheideweg

Die betriebliche Energieeffizienz als Groschengeschäft? Wohl kaum. Und trotzdem beobachten Experten eine gewisse Erschöpfung des Themas gerade auch auf Fachmessen. „Auf den letzten großen Maschinenbaumessen behandelten Firmen das Thema deutlich reservierter als vor zwei, drei Jahren“, so ein Produktionsleiter. Einige Hersteller würden, seitdem die Auftragsbücher voll sind, das Kapitel Energieeffizienz „nur mit spitzen Fingern anrühren – wenn überhaupt“, sagt er. Produktionmaschinen als „grün“ auszuflaggen, war lange sexy. Die „Lebenszykluskosten“ des Produkts wurden zur bestimmenden Größe. Jetzt würden viele Hersteller die Gewichte aber wieder „stärker in Richtung Durchsatz verschieben. „Im Prospekt, aber auch im Verkaufsgespräch“, bedauert der Experte.

Eine Strategie, deren Möglichkeiten spätestens an den Toren vieler Produktionsbetriebe enden. Zwar kennen viele CFOs laut einer Deloitte-Studie nicht einmal die Energiebilanz ihres Unternehmens. Das Gros heimischer Produktionsbetriebe lässt beim Energieeffizienzkapitel aber nicht locker. Viele Vorstände leisten sich sogar einen Energiebeauftragten. „Mit einem stattlichen Budget ausgestattet, erwartet sich die Führungsspitze dann von ihm ein Feuerwerk an Einsparungen“, sagt ein Produktionsexperte. Obwohl die Maschinenparks und Versorgungsnetze der Topproduzenten im Lande häufig ausgereizt sind: Die Einsparergebnisse bei Betrieben wie Voestalpine, Zumtobel oder Opel Wien sind sehenswert.

Das schafft nicht jedes Werk: Zum Partner im „GreenBuilding“-Programm der EU – dazu ernannte die Europäische Union Ende Oktober das deutsche Zumtobel-Werk Usingen. Die Partnerschaft kam nicht von ungefähr: Die Initiative honoriert Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor – und da hat der Lichtlösungsspezialist festen Boden unter den Füßen: Allein eine halbe Million Euro investierte der 180-Mann-Betrieb im Vorjahr in die Einführung eines Energiekonzepts mit Blockheizkraftwerk. Geld, das im deutschen Leuchtenwerk – spezialisiert auf medizinische Versorgungseinheiten – gut angelegt ist: „Die Aufnahme in das EU-Programm bestätigt uns, dass wir die richtigen Maßnahmen ergriffen haben“, sagt Zumtobel-Werksleiter Ralph Maier.

Das Blockheizkraftwerk leuchtet aus dem Maßnahmenbündel wie ein Edelstein heraus. In einem Prozess produziert es Strom und Wärme. Den Energiegehalt des Brennstoffs Erdgas nutzt die Anlage mit einem Gesamtwirkungsgrad von 91 Prozent aus. Die Energiebilanz konnte das neue Energiekonzept spürbar aufpolieren: Der Energieverbrauch sank um ein Fünftel – und auch der CO2-Ausstoß, so zeigten Messreihen nach den ersten zwölf Monaten – ging auf 450 Tonnen zurück.

Feine Messtechnik

Das Pendel zugunsten der Dornbirner, sie in den erlauchten Kreis der EU-Energiesparkaiser aufzunehmen, ließen aber wohl auch die weiteren umgesetzten Maßnahmen im deutschen Werk ausschlagen. So wurde von Erdöl auf Erdgas umgestellt. Eine bedarfsgerechte Steuerung der Wärmeversorgung umgesetzt. Und neben neuer Mess-, Steuer- und Regelungstechnik fand ein so genannter „Green-Building-Monitor“ Eingang in die Werkshalle: „Hier werden stets aktuell die Energieverbrauche angezeigt“, heißt es bei Zumtobel. In Summe spart der Betrieb in zehn Jahren so fast eine Million Euro ein.

Christian Sittenthaler ist der Mann mit dem Überblick. Er wacht über den Energieverbrauch in der Platinenfertigung der Voestalpine – und konnte zuletzt schöne Einsparungen am Produktionsstandort mit seinem Team erzielen. Zu den Spitzenverbrauchern am Linzer Voest-Areal gehört der Hersteller lasergeschweißter Platinen für die Autoindustrie zwar nicht. Und trotzdem redeten die Oberösterreicher das Thema nicht klein. Besonders beim zum Teil recht üppigen Standby-Verbrauch im Werk – „bei ungünstigen Umständen ein Drittel des Werts bei der Vollproduktion“ – setzte Sittenthaler die Hebel an. Ein ganzes Maßnahmenpaket wurde definiert: So brachte ein kontrolliertes Niederfahren der Lasersysteme in längeren produktionsfreien Zeiten einen schönen Einspareffekt – „und es kam zu einer Bewusstseinsbildung für das sensible Thema Energie unter den Mitarbeitern“, heißt es bei der Voestalpine.

Nebenzeitenreduktion

Zusätzlich optimierten die Linzer die Produktions- und Schichtplanung – „so erzielten wir möglichst geschlossene Produktions- und Stillstandsblöcke“. Auch die Nebenzeiten beim Schweißen nahm der Betrieb unter die Lupe – und reduzierte sie auf ein Minimum. Auch nicht von schlechten Eltern: Die webbasierte Steuerung für Licht, Lüftung und Klima. „Damit sind manuelle flexiblere Reaktionen auf unterschiedliche Produktionssituationen möglich“, heißt es bei der Voestalpine. Solcherart sparten die Linzer beachtliche 900.000 Kilowattstunden pro Jahr ein. Gleichzeitig wurden effizientere Lasermaschinen angeschafft. „Die Technologie entwickelte sich sprunghaft weiter“, so die Begründung.

Der Steckdosenwirkungsgrad älterer lampengepumpter YAG-Laser etwa liegt bei nur fünf bis sechs Prozent – CO2-Laser bringen es aufs Doppelte. Im Vergleich dazu liegen die Wirkungsgrade neuer Hochleistungslaser bei über 35 Prozent. Dass sich die Ersatzinvestition auszahlt, lag also auf der Hand. Innerhalb eines Jahres ersetzte der Betrieb vier Lasermaschinen durch neue Modelle. Auch hier sind die Einsparungen mit rund 1,6 Gigawattstunden Strom beachtlich.

Es war zunächst nur ein Bauchgefühl. Die Nutzung der Abwärme von Kompressoren – das schien Roman Szegner äußerst verlockend. Doch Abwärme mit mehr als 90 Grad – so die bittere Gewissheit im Wiener Werk – ließe sich aus den Kompressoren beim besten Willen nicht für die werkseigene Warmwasserversorgung oder die Klimatisierung von Feinmessräumen auskoppeln. Ein Problem – lag doch das erforderliche Temperaturniveau in der Industrieheizung zu dieser Zeit deutlich höher: nämlich bei 110 Grad. Andere hätten – derart entmutigt – jetzt vielleicht das Handtuch geworfen.

Nicht Szegner. „Stufenweise – also immer um ein, zwei Grad – reduzierten wir das Temperaturniveau der Heizung“, erzählt der Energiebeauftragte. Das überraschende Ergebnis der wochenlangen Tests: Nur eine einzige Gruppe von Verbrauchern in der gesamten Opel-Produktion benötigte tatsächlich eine Vorlauftemperatur von mindestens einhundert Grad: Die Vorheizung der Kühlwasserversorgung an den Motorprüfständen. Jetzt war Szegner doppelt angespornt.

Absenken der Heiztemperaturen

Und er hatte Erfolg. Aufseiten der Fernwärme Wien stieß Szegner mit der Frage, ob ein Absenken der sekundärseitigen Heizungstemperatur auf 85 Grad möglich sei, alles andere als auf taube Ohren. „Die Herrschaften dort waren sogar sehr daran interessiert“, so der Energieexperte. Der einfache Grund: Auch für die Fernwärme Wien war das für Wien-Aspern garantierte Temperaturniveau bei der Industrieheizung in Wirklichkeit außergewöhnlich hoch. „Sie betrieben in Kagran dafür extra einen Kessel“, so Szegner. Ein neues Vertragswerk über die Herabsetzung der Temperaturen (Szegner: „eine klassische Win-win-Situation“) war schnell aufgesetzt – und alsbald ein Temperaturniveau von 85 Grad zur Nutzbarmachung der Kompressorenabwärme realisiert. Auch für die Motorenprüfstände, die höhere Temperaturen brauchen, fand sich eine zufriedenstellende Lösung: „Eine Aufheizung des Kühlwassers erfolgt nun nach längeren Stillständen – etwa nach dem Wochenende“ – elektrisch“, so Szegner. Die Einsparungen des Projekts dürften auch hier noch höher ausfallen. „Wir sind gerade am Verifizieren der Messdaten“, verrät Roman Szegner.

So viel scheint aber klar: Die aus der Drucklufterzeugung gewonnene Wärme dürfte annähernd an den gesamten Heizbedarf des 12.000 Quadratmeter großen Verwaltungsgebäudes für 200 Mitarbeiter herankommen. Kein schlechter Wert.