Konjunktur : Deutsche Wirtschaft boomt nicht mehr - Kritik an der Regierung Merkel

Der jahrelange Wirtschaftsboom in Deutschland wird nach Einschätzung der Berliner Regierung 2019 fast zum Stillstand kommen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier halbierte die Wachstumsprognose, die zuletzt bereits deutlich gesenkt worden war. Im kommenden Jahr rechnet er allerdings mit Besserung. Das hält die Wirtschaft keineswegs für eine ausgemachte Sache.

Kritik der Industrie und der Familienunternehmen an der Regierung Merkel

Der Industrieverband BDI forderte spürbare Entlastungen, um den Abwärtstrend umzukehren. Altmaier äußerte dafür Verständnis, blieb konkrete Details aber schuldig. Er will sich für weniger Bürokratie und Abgaben einsetzen, erteilte einem klassischen Konjunkturpaket jedoch eine Absage.

Vor wenigen Tagen kam es auch von anderer Seite zu einem regelrechten Trommelfeuer an Kritik gegen den engen Vertrauten von Kanzlerin Merkel: Altmaier sei als Wirtschaftsminister eine komplette Enttäuschung, so die deutschen Familienunternehmen. Als positiver Kontrast dazu fällt zeitgleich wieder häufiger der Name von Friedrich Merz. Aktuell weitere Details: Harte Kritik der deutschen Wirtschaft an Minister Altmaier >>

Für 2019 geht die deutsche Regierung jetzt nur noch von einem Wachstum von 0,5 (2018: 1,4) Prozent aus. Ursprünglich waren es einmal knapp 2 Prozent. Doch vor allem die Handelsstreitigkeiten bremsen die Industrie. Und die Unsicherheiten rund um den Brexit lassen Firmen mit Investitionen zögern. "Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hat sich seit Mitte des vergangenen Jahres abgekühlt", sagte Altmaier. "Die gute Nachricht ist: Wir werden diese Schwächephase perspektivisch wieder überwinden." Für 2020 rechnet der CDU-Politiker mit einem Plus von 1,5 Prozent.

BDI fordert "eine echte Steuerreform"

"Jetzt sollte die Bundesregierung Investitionsanreize für Klimaschutz setzen und eine echte Steuerreform in Angriff nehmen", forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Die Politik darf keine weitere Zeit verlieren." Denn die Industrieproduktion werde 2019 stagnieren.

Auch der Wirtschaftsrat der CDU äußerte sich kritisch: "Steuersenkungen und Entbürokratisierung sind die entscheidenden Standortfaktoren, wenn der Industriestandort Deutschland in Zukunft attraktiv bleiben soll", sagte der Generalsekretär des Rates, Wolfgang Steiger. "Die Mittel für Investitionen stagnieren im aktuellen Haushaltsentwurf, für Klimaschutz gibt es sogar weniger Geld", bemängelte zudem die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin, Anja Hajduk.

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Altmaier verteidigte die große Koalition, die bereits für zahlreiche Impulse sorge, etwa über Investitionen in die Kinderbetreuung, mehr Kindergeld oder die Mütterrente. "Ich glaube, dass wir Konjunkturprogramme nicht benötigen." Sie seien oft nur ein Strohfeuer.

"Wir brauchen aber strukturelle Entlastungen und Anreize - und zwar bei Steuern, bei Abgaben und bei Bürokratie." Er habe für einen Bürokratieabbau eine Liste mit 27 Maßnahmen an die anderen Ministerien versandt und werde nach Ostern dazu Gespräche führen, um von seinen Kollegen mehr Zusagen zu bekommen. Das Finanzministerium teilte mit, keine Notwendigkeit für eine Unternehmenssteuerreform zu sehen.

Vorwurf des "Ankündigungsministers"

Altmaier wird immer wieder vorgeworfen, viel anzukündigen, aber vergleichsweise wenig davon umzusetzen. Aus dem deutschen Mittelstand waren zuletzt zudem kritische Töne gekommen, weil seine Industriestrategie vor allem große Konzerne im Blick hat und diese schützen will. Altmaier verteidigte sein Handeln und sagte beispielsweise, forschende Unternehmen würden künftig stärker gefördert. Der entsprechende Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz liegt Reuters vor. Er beinhaltet eine steuerliche Prämie in Höhe von jährlich etwa 1,27 Milliarden Euro. Die Kosten sollen sich Bund und Länder teilen.

Unternehmen sollen nach Altmaiers Vorstellungen in der jetzigen Konjunkturphase nicht zusätzlich belastet werden - "ein Moratorium bis die Wirtschaft wieder auf einem stabilen Wachstumskurs ist". Details wollte der CDU-Politiker allerdings nicht nennen. Der Regierung sei es etwa bis jetzt nicht gelungen, Sorgen im Zusammenhang mit der Reform der Immobilien-Grundsteuer auszuräumen. Hier werden deutliche Mehrbelastungen befürchtet. Das könnte auch Firmen treffen.

Vor allem der Konsum stützt momentan die deutsche Wirtschaft. Die Baubranche brummt. Der Arbeitsmarkt und damit die Löhne entwickelten sich gut, so Altmaier. "Die Beschäftigung dürfte bis zum Jahr 2020 auf knapp 45,7 Millionen Personen steigen und damit so hoch liegen wie noch nie zuvor. Gleichzeitig fällt die Arbeitslosenquote auf den historischen Tiefstand von 4,6 Prozent." Die Regierung geht davon aus, dass der private Konsum 2020 noch stärker zulegt und auch die Exporte der Industrie dann wieder mehr Impulse liefern. (reuters/apa/red)