INDUSTRIEMAGAZIN: Frau Christof, Sie haben am Green Peak Festival über die grüne Transformation der Industrie diskutiert. Welche Technologien treiben Sie aktuell in Christof Industries voran und warum?
Natalie Christof: Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Industrie klimafit zu machen. Ein besonders spannendes Beispiel ist Gigafarm in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort entsteht im „Food Tech Valley“ eine Anlage, die bis zu einem Prozent der industriellen Lebensmittelproduktion der Region vollständig nachhaltig abdecken wird. Das Herzstück ist ein Kreislaufsystem, das sechs Technologien miteinander verknüpft.
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Lebensmittelabfälle werden direkt vor Ort durch Larven der Schwarzen Soldatenfliege recycelt. Dabei entstehen Nebenprodukte wie organischer Kompost für den Einsatz in der Landwirtschaft, Tierfutter als Ersatz für nicht nachhaltiges Fischmehl und Sojaöl sowie Wasser für den Einsatz im Vertical Farming. Die eingesetzten Technologien ermöglichen auch die Rückgewinnung von bis zu 90 % des Ammoniumsulfats aus Abwasser zur Verwendung in Pflanzendüngern. Der Einsatz von organischen, biologisch abbaubaren industriellen Abfallprodukten ist so konzipiert, dass Wasser und Nährstoffe schrittweise an Nutzpflanzen in trockenen Regionen abgegeben werden. Ergänzt wird der Kreislauf durch Abwärmenutzung und neueste LED-Lichttechnik. In einer Trialfarm mit von Christof industrialisierten Landwirtschaftstechnologien schaffen wir eine Permakultur mitten in der Wüste. Mais, Hirse, Tomaten oder sogar Mangroven gedeihen dort unter industrialisierten Technologien, ohne teuer importierten Humus und mit massiv reduziertem Wasserverbrauch.
Das klingt wie ein Leuchtturmprojekt. Was bedeutet solche Projekte für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs?
Christof: Zum einen zeigt es, dass österreichisches Know-how weltweit gefragt ist. Unsere Verfahrenstechniker und Prozesstechniker entwickeln diese Lösungen hier und setzen sie international um. Zum anderen beweist es, dass Kreislaufwirtschaft mehr ist als ein Schlagwort: Wir sparen Ressourcen, schaffen lokale Wertschöpfung und reduzieren Abhängigkeiten von Importen. Gerade in energie- und wasserintensiven Bereichen ist das ein echter Standortvorteil.
Christof Industries wurde für seine ESG-Berichterstattung ausgezeichnet. Welchen Unterschied macht Transparenz im Stakeholder-Dialog?
Christof: Einen enormen. Wir haben früh begonnen, nicht nur Umweltkennzahlen, sondern auch soziale und Governance-Aspekte systematisch zu erfassen. Heute arbeiten wir mit über 140 Indikatoren. Das schafft Vertrauen bei Banken, Kunden, Lieferanten und nicht zuletzt bei unseren Mitarbeitenden. Transparenz ist eine Grundlage für bessere Entscheidungen. Und sie hilft, ESG nicht als Pflichtübung, sondern als Treiber für neue Geschäftsmodelle zu begreifen.
Waren die Investitionen, die in ESG-Reporting und nachhaltige Technologien getätigt wurden, ein Treiber, um das Unternehmen nachhaltig zu unterstützen und aus der Insolvenz zu holen?
Christof: Ja, definitiv. Die Investitionen in ESG-Reporting und nachhaltige Technologien haben uns geholfen, das Unternehmen neu auszurichten und fit für die Zukunft zu machen. Sie waren ein wesentlicher Faktor, weil sie unsere Prozesse effizienter gemacht, Vertrauen gestärkt und neue Chancen eröffnet haben – und genau das hat uns in eine erfolgreiche Richtung geführt.
Sie selbst arbeiten an der Schnittstelle zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Welche Themen sind in diesem Spannungsfeld besonders dringlich?
Christof: Planungssicherheit. Unternehmen brauchen klare Rahmenbedingungen, um in Transformation investieren zu können. In Europa erleben wir leider oft das Gegenteil: viele Vorgaben, wechselnde Zuständigkeiten, langwierige Verfahren. Die Emirate etwa zeigen, was möglich ist, wenn politischer Wille und wirtschaftliche Dynamik zusammenkommen. So entstehen etwa Projekte wie Gigafarm in Rekordzeit. Europa muss aufpassen, sich nicht selbst aus dem Spiel zu nehmen.
Sie sind global aktiv. Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen und wo Hürden?
Christof: Die Vereinigten Arabischen Emirate sind für uns ein Hotspot. Dort ist das Engagement da, Flächen sind verfügbar, und die Politik will Ergebnisse sehen. Singapur ist ein weiterer spannender Markt, wir verfolgen dort eine spannende Projektentwicklung, eine Energieanlage auf einem Schiff, das Abwasser trennt und recycelt. Schwieriger sind die USA und Teile Europas, hier treffen sich öfter zu viel Regulierung mit zu wenig Mut. In Großbritannien oder Frankreich gehen wir oft mit Partnern wie Siemens in Projekte, aber die Märkte allein zu bearbeiten, ist herausfordernd.
Welche langfristigen Ziele verfolgt Christof Industries im Kontext Green Industry?
Christof: Wir wollen weltweit Industrieprozesse klimafreundlicher machen. Mit innovativen Lösungen, von der Umrüstung von Gasturbinen auf Wasserstoff über Projekte für geschlossene Kreisläufe bis hin zu modernen Industrieanlagen, verfolgen wir ein klares Ziel: Emissionen drastisch zu reduzieren und Ressourcen nachhaltig im Kreislauf zu halten. Wir kommen aus dem klassischen Anlagenbau, aber unsere Zukunft liegt in der Green Industry. Europa hat dabei Nachholbedarf, aber global sehen wir enormes Potenzial.
Welche ersten Schritte sollen Unternehmen, die Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell verstehen wollen, jetzt setzen?
Christof: Man darf die Transformation nicht auf große Visionen verschieben. Oft sind es kleine Schritte in den Betrieben, die sofort Wirkung entfalten, etwa das Nutzen von Sekundärrohstoffen in der Stahlindustrie, das 80 Prozent Energie sparen kann. Wir sind Weltmeister im Müllsammeln. Jetzt müssen wir lernen, diesen Schatz systematisch zu heben. So wird Nachhaltigkeit von der „Last“ zu einem Geschäftsmodell, das Unternehmen resilienter und wettbewerbsfähiger macht.