SIHGA Nachhaltigkeit : Marc Simmer: Der Schrauben-King
„Done is better than perfect.“
Marc Simmer geschäftsführender Gesellschafter SIHGA
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Vom Olympiakader ins Familienunternehmen
Wenn Marc Simmer über Holzbau spricht, dann klingt das nach Überzeugung. Mit 31 Jahren steht der geschäftsführende Gesellschafter von SIHGA an der Spitze eines Unternehmens, das sich in einer von Unsicherheiten geprägten Baukonjunktur bemerkenswert stabil behauptet – und sich zugleich neu erfindet. Der Weg dorthin war weder geplant noch geradlinig.
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Dass Simmer einmal im eigenen Familienbetrieb landen würde, war lange unwahrscheinlich. Er selbst formuliert es so: „Das war immer das allerletzte, was ich machen wollte“, sagt er schmunzelnd. Früh entwickelte er den Wunsch, seinen eigenen Weg zu gehen. Sport war zunächst das Zentrum seines Lebens. Als Kitesurfer im österreichischen Olympiakader investierte er seine Zeit nahezu vollständig in Training und Wettkämpfe.
Als Kitesurfen aus dem olympischen Programm verschwand, fiel der Karriereplan in sich zusammen. Der Weg führte ihn an die Montanuniversität Leoben, später nach St. Gallen und schließlich zur Promotion. Danach zog es ihn – konsequent seinem Drang nach Eigenständigkeit folgend – in die Start-up-Welt nach Berlin. Dort baute er unter anderem ein Unternehmen mit auf, das mit digitalisierten Prozessen in kurzer Zeit stark wuchs. Viel Arbeit, wenig Schlaf. Die Rückkehr nach Österreich war letztlich ein Wendepunkt. Simmer stand bereits mit gepackten Koffern für einen Wechsel nach Los Angeles zu Investoren seines Berliner Projekts bereit, als die US-Regierung während der Pandemie europäische Einreisen blockierte. Ein Gespräch mit seiner Mutter führte ihn daraufhin erstmals ernsthaft in das von ihr aufgebaute Unternehmen SIHGA. Die Begegnung mit dem bodenständigen, mittelständischen Arbeiten im Innviertel beeindruckte ihn – und blieb.
Holzbau als Zukunftsmarkt
SIHGA, 2003 gegründet und heute rund 100 Mitarbeiter stark, hat sich als Premiumanbieter im Bereich Holzbau-Verbindungstechnik etabliert. Was mit Schrauben begann, die sich deutlich häufiger ein- und herausschrauben lassen als herkömmliche Produkte, hat sich zu einem Portfolio von rund 1.000 Artikeln entwickelt. Dazu kommen digitale Lösungen wie ein Feuchtemonitoring-System für große Holzbauprojekte – eine Entwicklung, die Simmer besonders vorantreibt.
Die Exportquote liegt bei rund 50 Prozent, auch weil der Holzbau international an Dynamik gewinnt. Trotz der Baukrise im konventionellen Markt bleibt der Holzbau einer der wenigen wachsenden Bereiche. Die Gründe sind bekannt: niedrigere CO₂-Bilanz, kürzere Bauzeiten, steigender politischer Druck zur Reduktion von Emissionen. Dass der Holzbau jährlich um rund 0,5 Prozent wächst, sei nicht spektakulär, aber viel wichtiger: kontinuierlich. „Österreich hat im Holzbau eine Art Silicon-Valley-Rolle“, sagt er. Die Kombination aus historischer Holztradition, starken Industrieunternehmen und innovativen KMU hat eine leistungsstarke Branche hervorgebracht. SIHGA ist in diesem Gefüge ein Spezialist für hochqualitative C-Teile – ein Bereich, der im Bauwesen enorme Bedeutung besitzt und gleichzeitig hohe Eintrittsbarrieren hat.
Wettbewerb
Die Konkurrenz ist namhaft, allen voran Würth. Und dennoch besetzt SIHGA mit patentierten Lösungen Marktsegmente, in denen große Anbieter nicht unmittelbar nachziehen können. „David gegen Goliath“, sagt Simmer – und lässt keinen Zweifel daran, dass der Wettbewerb zwar hart, aber motivierend ist. In der Holzbaubranche zählt Vertrauen, Verlässlichkeit und das Wissen, dass Fehlkalkulationen schnell sicherheitsrelevant werden können. Hersteller, die einmal akzeptiert sind, bleiben es meist langfristig. Zu den Projekten, bei denen SIHGA-Produkte im Einsatz sind, zählen das große Holz-Hybrid-Projekt LeopoldQuartier in Wien oder der Apple Store in London, der sowohl Schrauben als auch das Feuchtemonitoring nutzt. Ein prominenter Kunde ist zudem ein heimischer Brauseanbieter.
Organisationswandel
Mit Simmer hat SIHGA einen deutlichen Kulturwandel erlebt. Digitale Tools wie Asana oder Slack ersetzen seither interne Serverstrukturen, Entscheidungsprozesse wurden breiter abgestimmt, es wurden neue Organisationsformen etabliert. OKRs gehören nun zum Standard, Jahresplanungen wurden um Szenarien erweitert. Zugleich ist der Gründergeist nicht verschwunden. Um die Entwicklung digitaler Produkte im Haus zu stärken, kaufte Simmer eine Entwicklungsfirma hinzu. „Startup-Spirit“ nennt er das – wobei er das Wort mit einer Selbstverständlichkeit benutzt, die zeigt, dass der Geist von Berlin durchaus in Gmunden eingezogen ist.
Der Bau bleibt ein volatiles Umfeld. Die Zinspolitik bremst viele Projekte aus, besonders im Neubau. Sanierungen entwickeln sich hingegen stabil. Holz profitiert davon, dass viele Projekte schneller realisierbar sind als in der Massivbauweise. Gleichzeitig wirft Simmer einen kritischen Blick auf politische Kurswechsel. Dass Nachhaltigkeit und Klimaziele zuletzt an Momentum verloren haben, hält er für problematisch – nicht nur für seine Branche, sondern auch gesamtgesellschaftlich.
Seinen eigenen strategischen Zugang beschreibt er pragmatisch: Optionen offen halten, Projekte zu Ende bringen, sobald sich Chancen ergeben. „Done is better than perfect“, sagt er. Für die kommenden Jahre sieht Simmer SIHGA als Technologieanbieter, der analoges Produktwissen mit digitaler Sensorik verbindet. Ein wachsender Anteil der Fertigung soll ins eigene Haus geholt werden. Forschung, Design und Patententwicklung werden ausgebaut – nicht nur, um neue Produkte auf den Markt zu bringen, sondern um die Markenposition langfristig zu sichern.