IV Security & Defence : IV: "Regierung soll Industrielle Kooperationen in Industriestrategie verankern"

Peter Koren IV

„Wir erwarten, dass die industrielle Kooperation in der Industriestrategie der Bundesregierung verankert wird“: Peter Koren 

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Vor dem Hintergrund einer sicherheits- und industriepolitischen Zeitenwende hat die IV die Ergebnisse der Taskforce Security & Defence Industry vorgestellt. Ziel der Initiative ist es, die Rahmenbedingungen für industrielle Kooperationen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich zu verbessern und Österreich als starken Standort im europäischen Sicherheitsökosystem zu positionieren. „Österreich und Europa erleben derzeit eine sicherheits- und industriepolitische Zeitenwende, wie es sie seit Jahrzehnten nicht gegeben hat“, sagt IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren bei der Präsentation des Aktionspapiers. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe gezeigt, „wie verletzlich Frieden, Stabilität und Unabhängigkeit sind“. 

Zugleich sei deutlich geworden: „Wer Sicherheit will, braucht Industrie. Und wer wirtschaftliche Stärke will, braucht Sicherheit.“ In der Vergangenheit sei bei Rüstungsausgaben "nicht immer alles richtig gemacht" worden, so Koren. Daher liege der Industriellenvereinigung viel daran, "dass die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen entsprechend adaptiert werden, damit die Politik, die Beamten und die beteiligten Unternehmen Rechtssicherheit haben". Als Output gebe es nun ein Forderungspapier für die Organisation von Geschäften im Rüstungsbereich. Im Idealfall sollten diese schon bei den anstehenden Beschaffungen Niederschlag finden.

Die IV-Taskforce wurde am 3. April 2025 vom Bundesvorstand eingesetzt, um Handlungsempfehlungen zur Stärkung industrieller Souveränität, technologischer Resilienz und sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit zu erarbeiten. Über 65 Unternehmen aus Industrie, Energie, Finanzwirtschaft, Forschung und Technologie waren eingebunden. „Diese Breite ist kein Zufall“, so Koren, „sie zeigt, dass Sicherheit längst keine Nischenfrage mehr ist, sondern eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe.“ Ziel sei, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen zu adaptieren, damit Politik und Unternehmen Rechtssicherheit haben, etwa bei industriellen Kooperationen oder Exporten. „Wir haben mit allen relevanten Ministerien gesprochen und Vertreter der Europäischen Kommission eingebunden, um die Umsetzung rasch voranzubringen“, betonte Koren. Die Taskforce habe drei zentrale Themenfelder bearbeitet: industrielle Kooperationen im Rahmen öffentlicher Beschaffungen, rechtliche Klarheit bei Ausfuhrgenehmigungen sowie die Weiterentwicklung von Forschung und Entwicklung im Bereich Dual Use.

Sicherheitswirtschaft als volkswirtschaftlicher Motor

„Wenn wir über Verteidigung sprechen, sprechen wir nicht nur über Panzer, Drohnen und Beschaffung“, erklärte Erwin Hameseder, Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes und Vorsitzender der Taskforce. „Wir sprechen über Arbeitsplätze, Innovation und Standortentwicklung.“ Die Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft sei längst ein bedeutender volkswirtschaftlicher Motor. Laut einer Studie von Economica schafft sie jährlich 2,8 Milliarden Euro Wertschöpfung – fast ein Prozent der heimischen Bruttowertschöpfung – und sichert über 41.000 Arbeitsplätze. Rund 1,1 Milliarden Euro fließen jährlich an Steuern und Abgaben. „Sicherheit zahlt sich auch in Euro und Cent aus“, fasst Hameseder zusammen. „Wir wollen die enormen Wertschöpfungspotenziale, die in dieser Branche schlummern, stärker auf die europäische Ebene ankoppeln.“ Gleichzeitig brauche es „klare rechtliche Grundlagen“ für Industriekooperationen. 

„Bislang fehlen präzise Begriffsbestimmungen. Wir fordern eine gesetzliche Verankerung nach Artikel 346 AEUV, wo wesentliche Sicherheitsinteressen definiert sind, Inlandsanteile an Wertschöpfung festgelegt und transparente Prüfkriterien geschaffen werden“, so Hameseder. Dies solle über einen Single Point of Contact erfolgen. Darüber hinaus fordert die IV eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren. „Wir brauchen klare Fristläufe. Wenn eine Frist abläuft, muss das Verfahren automatisch zur Genehmigung führen“, sagte Hameseder. „Rechtssicherheit, Effizienz und Finanzierung sind die entscheidenden Hebel.“

Nachhaltigkeit und Finanzierung neu denken

Ein zentrales Anliegen betrifft die Finanzierung. „Sicherheitsinvestitionen dürfen nicht länger als ‚nicht nachhaltig‘ gelten“, so Hameseder. „Ohne Sicherheit gibt es keine Nachhaltigkeit.“ Die IV fordert daher ESG-kompatible Finanzierungsmodelle und eine Anpassung der EU-Taxonomie, damit Verteidigungsfinanzierungen als nachhaltig anerkannt werden. Banken und Investoren bräuchten hier klare politische Vorgaben: „Solange Brüssel das nicht ändert, können Finanzinstitute diese Projekte nicht eigenständig unter ESG-Kriterien finanzieren.“

Europa als Schlüssel zur industriellen Resilienz

Wolfgang Hesoun, Co-Vorsitzender der Taskforce und Vorsitzender des IV-Infrastrukturausschusses, hob die europäische Dimension hervor: „Unsere Sicherheit endet nicht an der Staatsgrenze. Wir müssen sie europäisch denken, planen und produzieren.“Die IV fordert daher den Aufbau einer starken europäischen Verteidigungsindustriebasis, an der Österreich aktiv mitwirkt. Ein zentrales Instrument seien die Defence Projects of Common European Interest (DPCEIs) – vergleichbar mit den IPCEI-Initiativen in der Mikroelektronik –, die länderübergreifende Großprojekte in Schlüsselbereichen wie Luftverteidigung, Cybersicherheit, Drohnenabwehr und Weltraumtechnologien ermöglichen sollen.

„Es geht darum, Kompatibilität zwischen Systemen herzustellen, die heute noch national organisiert und ineffizient sind“, betonte Hesoun. Ziel sei, nationale Eifersüchteleien zu überwinden und Schritt für Schritt gemeinsame europäische Strukturen zu etablieren.

Ein weiterer wichtiger Schritt sei der Defence Readiness Omnibus, den die EU-Kommission am 17. Juni 2025 vorgestellt hat. Dieses Maßnahmenpaket solle Investitionen in die Verteidigungsindustrie bis 2030 beschleunigen, Genehmigungsverfahren vereinfachen und bürokratische Hürden abbauen. „Damit entsteht erstmals ein kohärenter europäischer Rahmen, der Planungssicherheit schafft und Unternehmen Stabilität für langfristige Investitionen gibt“, so Hesoun.

Zehn Aktionspunkte als Fahrplan

Das IV-Aktionspapier bündelt zehn konkrete Maßnahmen, um Österreichs Sicherheitswirtschaft zu stärken – darunter: Aufbau einer nationalen Verteidigungsindustriebasis, klare rechtliche Grundlagen für Industriekooperationen sowie vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren. Es sollten "klare Fristläufe" fixiert werden. Und wenn binnen einer Frist nicht entschieden worden sei, sollte dies zu einer Genehmigung führen", sagt Koren. 

„Weckruf“

„Die Taskforce ist ein Weckruf zur richtigen Zeit“, resümiert Hameseder. „Sie soll dazu beitragen, die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Resilienz Österreichs zu stärken.“ Auch Koren verweist auf die nächsten Schritte: Der IV-Bundesvorstand habe die Taskforce beauftragt, sich über 2026 hinaus mit der Umsetzung der Maßnahmen zu befassen. „Wir erwarten, dass die industrielle Kooperation in der Industriestrategie der Bundesregierung verankert wird“, so Koren.