SAP Künstliche Intelligenz Supply-Chain : „Der Business-Case muss passen – auch bei KI“

Dominik Metzger  Andreas  Wagner SAP

Dominik Metzger, President und Chief Product Officer für das globale Supply Chain Management bei SAP und Andreas  Wagner, Geschäftsführer SAP Österreich: "China ist ein zentrales Thema – sowohl als Markt als auch als Konkurrent"

- © SAP; Atelier Schulte

Herr Wagner, Sie sind seit Jahresbeginn Geschäftsführer von SAP Österreich. Mit welchen Zielen sind Sie angetreten, und wo sehen Sie aktuell die größten Handlungsfelder für Ihre Kunden?

Wagner:  Ich bin mit zwei Zielen angetreten: erstens, SAP und unser großes SAP Ecosystem in Österreich zu stärken, und zweitens, die heimische Wirtschaft generell als strategischer Partner wettbewerbsfähiger zu machen.

Der Standort Wien ist historisch wichtig, nächstes Jahr feiern wir 40-jähriges Jubiläum. Wir haben aktuell 695 Mitarbeiter, so viele wie nie zuvor, darunter ein globales Support Center und über 100 Entwickler. Wir werden weiterhin in den Zukunftsbereichen Mitarbeiter einstellen.

 

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Das größte Handlungsfeld für unsere Kunden ist der extreme Druck, dem die österreichische Industrie ausgesetzt ist, vor allem durch hohe Energie- und Bürokratiekosten, fehlende Rohstoffe und geopolitische Veränderungen. Wir haben in Österreich zudem noch sehr fragmentierte und komplexe IT-Landschaften, die Transformationen behindern. Die Veränderungsbereitschaft ist zwar groß, aber der Business Case muss immer passen – auch bei KI.

Wo sehen Sie für Österreich die größten Risiken und Chancen?

Wagner: China ist ein zentrales Thema – sowohl als Markt als auch als Konkurrent. Österreichische Unternehmen haben oft nicht die Möglichkeit zur Skalierung. Sie können nur bestehen, wenn sie in neue Technologien investieren und europäische Allianzen stärken. Wir dürfen nicht mehr glauben, dass die Chinesen nur kopieren, sie sind bei Innovationen mittlerweile viel schneller. 

Chancen liegen in KI, Cloud und der Standardisierung von Prozessen. Wer hier vorangeht, sichert seine Wettbewerbsfähigkeit.

Österreich ist geprägt von einem starken industriellen Mittelstand. Welche Rolle spielt diese Tatsache für SAP?

Wagner: Eine sehr große: 80 Prozent unserer Kunden sind aus dem Mittelstand. 

Und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Cloud?

Wagner: Der Mittelstand profitiert extrem von der Cloud, da er im Gegensatz zu Großunternehmen wie OMV oder Swarovski oft nicht die internen IT-Ressourcen und Experten hat. Mit Cloud-Lösungen kaufen Unternehmen Innovation quasi automatisch ein – von KI über Standardisierung bis hin zu Sicherheitsfunktionen. Gleichzeitig ist das Thema Datensouveränität überaus wichtig: Wir bieten Lösungen an, bei denen Daten in der EU bleiben oder höchste Souveränitätsanforderungen erfüllen.

Herr Metzger, auf der Sapphire, der SAP-Hausmesse, haben Sie ein neues Business-Suite-Paket für Supply Chain Management (SCM) vorgestellt. Was sind die wichtigsten Neuerungen – und welche Probleme adressieren Sie damit?

Metzger: Unser zentrales Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit SAP deutlich einfacher zu gestalten. Christian Klein hat auf der Sapphire 2025 klar gesagt: „Wir machen es einfacher, mit SAP Geschäfte zu machen.“Genau daran orientiert sich die neue SAP Business Suite. Die Lösungen sind modular aufgebaut und skalierbar, sodass Unternehmen klein starten und mit ihrem Wachstum mitwachsen können. Klare Verträge und transparente Preisgestaltung beseitigen Komplexität beim Kauf und Management von Lizenzen. Alle Pakete sind KI-gestützt, basieren auf einer harmonisierten Datenbasis und unterstützen End-to-End-Prozesse über sämtliche Geschäftsbereiche hinweg – vom Einkauf über Logistik bis zu Finanzen.

Wir haben die Suite zudem stark an die Bedürfnisse der sogenannten Buying Centers angepasst, also an die Entscheiderbereiche im Unternehmen. Damit können unsere Kunden schneller Mehrwert erzielen – mit vorkonfigurierten, rollenbasierten Funktionen, die sich nahtlos in bestehende Prozesse integrieren.

Viele Unternehmen zögern bei der Einführung neuer Technologien, weil sie den Integrationsaufwand scheuen.

Metzger: Genau deshalb haben wir die SAP Business Suite stark vereinfacht. Sie enthält vorkonfigurierte Rollen und eine gemanagte Integration. Kunden müssen sich nicht mehr selbst um Schnittstellen kümmern – das übernimmt SAP. Sämtliche API sind offengelegt und detailliert beschrieben. Wir wissen, dass viele Unternehmen an unverknüpften Daten oder isolierten KI-Lösungen scheitern. Unsere Antwort darauf ist die Integration von Daten, KI und Anwendungen in einer Lösung. KI ist bei uns kein Add-on, sondern integraler Bestandteil jedes Geschäftsprozesses. So wird die Einführung neuer Technologien deutlich einfacher – und der Mehrwert entsteht schneller.

Lieferketten sind seit Jahren von Unsicherheit geprägt, denken wir an geopolitische Spannungen oder Zollthemen. Können digitale Lösungen helfen, hier resilienter zu werden?

Metzger:  Absolut. Das SAP SCM Portfolio eliminiert Prozesssilos, verknüpft Daten und KI, prognostiziert Störungen und schafft Feedbackschleifen. Der große Vorteil unserer Lösungen ist, dass die notwendigen Daten größtenteils bereits in der SAP-Systemlandschaft vorliegen. Zum Beispiel bieten wir mit unserem Produkt SAP Global Trade Services innerhalb der SAP Business Suite eine Zollschnittstelle, die die relevanten Zollsätze für Ein- und Ausfuhr pflegt. 

Ein entscheidender Punkt ist die Vernetzung: Über unser SAP Business Network ermöglichen wir den Austausch von B2B-Einkaufs-, Verlade- und Rechnungsstellungsprozessen. Wir haben in unserem Netzwerk 2,4 Mio. Partner mit 780 Mio. B2B-Transaktionen pro Quartal. Dies ist ein Datenschatz, der unseren Kunden anonymisiert zur Verfügung gestellt wird. Diese Plattform schafft Transparenz über sämtliche Stufen der Lieferkette hinweg und ermöglicht es, Risiken frühzeitig zu erkennen – von Preissteigerungen einzelner Lieferanten bis zu geopolitischen Veränderungen. 

Herr Wagner, wie sehen Sie die Supply-Chain-Problematik für österreichische Unternehmen?

Wagner: Österreichische Unternehmen müssen sich auf drei Unsicherheitsfaktoren einstellen: neue Handelsrealitäten, immer komplexere Vorschriften und technologische Entwicklungen. Wichtig ist, von Single-Source-Strategien abzugehen und Multi-Source-Modelle zu etablieren. Das strategische Denken muss schon beim Produktdesign beginnen, um zukünftige Lieferanten und Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Besonders wichtig ist es, Datensilos aufzubrechen – innerhalb von Unternehmen wie auch entlang der Wertschöpfungsketten. Nur so können KI und Cloud ihr Potenzial entfalten.

 

Andreas  Wagner, Geschäftsführer SAP Österreich: "Chancen liegen in KI, Cloud und der Standardisierung von Prozessen. Wer hier vorangeht, sichert seine Wettbewerbsfähigkeit"

- © Atelier Schulte

Neben Effizienz und Resilienz wird auch Nachhaltigkeit immer wichtiger. Wie können Unternehmen mithilfe digitaler Werkzeuge ihre Lieferketten ökologischer gestalten?

Metzger:  Wir adressieren Nachhaltigkeit über mehrere Ebenen. Die erste ist die Integration in den operativen Prozess. Nehmen Sie zum Beispiel unser Transportmanagementsystem. Dort haben wir die Möglichkeit geschaffen, CO₂-Werte von Dienstleistern direkt abzufragen und bei der Routenplanung zu berücksichtigen. Kunden können Transporte nicht nur nach Kosten und Dauer, sondern auch nach dem CO₂-Fußabdruck optimieren.

Der zweite große Block ist unser spezielles Nachhaltigkeitsportfolio mit Lösungen für Reporting und Management. Dazu gehört der SAP Sustainability Control Tower zur Erfüllung von Berichtspflichten und Tools für das SAP Sustainable Footprint Management, die sich um die Reduzierung von Verpackungsmaterialien kümmern.

Dominik Metzger, President und Chief Product Officer für das globale Supply Chain Management, SAP: "Unser zentrales Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit SAP deutlich einfacher zu gestalten"

- © Ingo Cordes

Ganz wesentlich ist das Green Ledger. Ziel ist es, den Materialfluss und den Finanzfluss mit einer dritten Schicht zu synchronisieren: der Nachhaltigkeitsbuchhaltung. Das bedeutet, dass bei jeder Transaktion – etwa einem Transport- oder Einkaufsauftrag – der CO₂-Ausstoß oder andere Umweltkennzahlen direkt in den operativen Prozess integriert und bei jeder Transaktion mitgeführt werden kann.

Ein Blick nach vorne: Wie sieht Ihre Vision für die kommenden fünf Jahre aus? Was sollten CIOs im Blick haben?

Metzger: Ganz klar: Künstliche Intelligenz. Wir gehen in Richtung autonomer Lieferketten, in denen KI-Agenten nicht nur Prognosen erstellen, sondern zunehmend auch operative Entscheidungen treffen. Daneben werden weitere Technologien wie digitale Zwillinge, Ambient Intelligence oder smarte Simulationen wichtig werden, um Prozesse flexibler und intelligenter zu gestalten.

Wagner: Meine Vision ist ein voll digitalisierter österreichischer Wirtschaftsstandort mit mehr Resilienz, mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Dazu gehört auch das Thema der digitalen Souveränität, um unseren Kunden im europäischen Softwarebereich die gewünschte Datensicherheit bieten zu können.

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