Österreichs wichtigste Defence Startups : Defence Startups: Wie junge Tech-Firmen militärische Innovation denken

Sie sind jung, haben prominente Investoren an Bord und üben sich gemäß des Leitspruchs "loose lips sink ships" in Verschwiegenheit: Österreichs junge Player im Verteidigungsgüterbereich
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Der Defence-Sektor rückt zunehmend ins Visier österreichischer Technologie-Startups. Und das Potenzial militärischer Partnerschaften ist erheblich. Wenngleich der nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor erschaffene Leitsatz "loose lips sink ships" gilt: Auch bei Start-ups des Defence-Bereichs sei gesagt, dass unbekümmertes Reden zuweilen fatale Folgen zeitigen kann. Verschwiegenheit ist also ein Asset.
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Beim Wiener Mixed-Reality-Spezialisten NXRT etwa macht der Defence Bereich bereits 15 Prozent des Umsatzes aus. Mit Lösungen wie dem Fahrsimulator Heroride oder der Visualisierungssoftware HeroShowadressiert man etwa Trainingsanwendungen für militärische Fahrzeuge – eigens dafur wurde ein Defence-Experte ins Unternehmen geholt. Auch das Robotik-Startup Taurob zeigt Präsenz: Seit über einem Jahrzehnt entwickelt Taurob ferngesteuerte UGVs für den Einsatz in gefährlichen Umgebungen. Die robusten, autonomen Robotikfahrzeuge kommen beim Bundesheer im Bereich ABC-Abwehr zum Einsatz. "Solange es keine Angriffsfunktion ist, sind wir offen", heißt es im Unternehmen. Fünf aufstrebende Defense-Tech-Startups und Scale-ups im Porträt.
voidsy: Die Hightech-Prüfer
Zerstörungsfreie Präzision aus Wels: voidsy mit Hightech-Prüfsystemen für Aerospace-Weltmarkt.
Das in Wels ansässige Startup voidsy hat sich auf ein hochspezialisiertes Gebiet der industriellen Messtechnik konzentriert: die zerstörungsfreie Prüfung von Bauteilen auf strukturelle Unregelmäßigkeiten und Defekte. Die Besonderheit: Das Verfahren arbeitet vollkommen kontaktlos. Das System „3D V-ROX“ nutzt eine spezielle Form der aktiven Thermografie, die insbesondere in Luft- und Raumfahrtanwendungen neue Maßstäbe setzen soll. Das siebenköpfige Team rund um Holger Plasser, der 25 Prozent am Unternehmen hält, verfolgt einen klaren Kurs: Qualität vor Quantität. Die Stückzahlen bleiben bewusst niedrig, der Wert der Einzelgeräte dafür hoch. Die Einstiegspreise bewegen sich im Bereich von 100.000 bis 150.000 Euro – abhängig von Ausstattung und Softwareumfang.
voidsy hat sich in einem komplexen Marktumfeld positioniert. Die Technologie ist dual-use-fähig, kann also sowohl in zivilen als auch militärischen Anwendungen eingesetzt werden. Entsprechend komplex gestalten sich Exportprozesse – insbesondere bei Endverbleibsfragen. „Wir kommen aus dem zivilen Bereich. Unsere Technologie ist nicht bösartig – aber Luft- und Raumfahrt ist oft militärisch“, erklärt Plasser. Der dual-use-Status bringt Herausforderungen mit sich, aber auch Chancen: Insbesondere im militärischen Umfeld sind Budgets weniger restriktiv, was bei Ausschreibungen zusätzliche Optionen eröffnet. Als Kunden zählt man namhafte Luft- und Raumfahrtkonzerne in Europa und in den USA – Namen werden aus Diskretionsgründen nicht genannt.

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Vor Serienüberleitung
Technologisch befindet sich das Unternehmen in der Zielgeraden zur Serienüberleitung. Nach sieben Prototypengenerationen ist das Gerät hardwareseitig eingefroren – derzeit läuft der Prozess zur europäischen CE-Konformitätserklärung. Die Software hingegen bleibt offen für Weiterentwicklungen: Optional sollen künftig etwa dreidimensionale Ergebnisdarstellungen verfügbar sein – insbesondere für Anwendungen, die klassische Ultraschallprüfungen ersetzen sollen.
Finanziell wurde das Projekt maßgeblich durch Förderprogramme gestützt. Besonders das aws Preseed Deep Tech Programm sowie Unterstützung durch die FFG halfen, die jährlich rund 1,5 Millionen Euro umfassenden Entwicklungskosten zu stemmen. Aktuell steht zudem eine Seed-Finanzierungsrunde der aws vor dem Abschluss. voidsy ist heute bereits global aktiv – von Europa über die USA bis nach China. Der chinesische Luftfahrtmarkt sei „riesig und spannend“, so Plasser. An eine Vernachlässigung ist nicht zu denken – denn für ein kleines Team aus Oberösterreich ist der internationale Maßstab längst Alltag.

Viewpointsystem: Die Eye-Tracker
Wie lassen sich menschliche Wahrnehmung und Entscheidungsfähigkeit in hochdynamischen Einsatzszenarien optimieren? Nils Berger, CEO des Wiener Unternehmens Viewpointsystem, liefert mit seiner Technologie eine Antwort.
Das Unternehmen hat sich auf Eye-Tracking-Brillen spezialisiert – smarte, leichte Wearables, die in Echtzeit aufzeichnen, wohin ein Mensch blickt, wie er Informationen verarbeitet und welche kognitiven Muster dabei ablaufen. Im zivilen Bereich längst im Einsatz, etwa zur Optimierung von Arbeitsabläufen in der Industrie oder zur Unterstützung im Gesundheitswesen, hat Viewpointsystem in den vergangenen Jahren konsequent den Schritt in den Verteidigungsbereich gewagt. Im Zentrum steht dabei eine klare Zielsetzung: die Verbesserung der situativen Wahrnehmung und Entscheidungsqualität von Einsatzkräften – sei es bei Soldaten, Piloten oder Spezialkräften.
Die Brillen von Viewpointsystem kombinieren Kameras, Infrarotsensoren und smarte Software zu einem System, das nicht nur aufzeichnet, sondern analysiert – und im nächsten Schritt Trainingsrückschlüsse ermöglicht. In realitätsnahen Übungsszenarien kann so beispielsweise analysiert werden, ob der Blick eines Soldaten in einem Raum auf potenzielle Bedrohungen gelenkt ist oder ob Reize wie Licht und Bewegung zu Fehlfokussierungen führen. Ein entscheidender Vorteil, wie Berger betont: „Im Ernstfall zählt nicht, alles zu sehen, sondern das Richtige.“
ABITS
Ein zentrales Projekt in diesem Kontext ist ABITS – ein internationales Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das gemeinsam mit Partnern wie Guardiaris aus Slowenien und dem italienischen Sensorik-Spezialisten Smartex betrieben wird. Ziel ist die Entwicklung einer umfassenden Indoor-Trainingslösung, in der Eye-Tracking mit biometrischen Daten wie Puls, Temperatur oder Muskelaktivität verknüpft wird. Finanziert wird das Projekt mit Mitteln aus dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF), durchgeführt wird es in Zusammenarbeit mit den Verteidigungsministerien Österreichs, Sloweniens und Dänemarks. Die Trainingsdaten sollen nicht nur Aufschluss über das aktuelle Leistungsvermögen der Trainees geben, sondern auch langfristig zur Verbesserung von Ausbildungskonzepten beitragen.

Operative Szenarien
Berger denkt weiter. Neben der Ausbildung rücken zunehmend auch operative Szenarien in den Fokus. So ermöglichen die smarten Brillen auch Remote Support – also die Fernunterstützung durch Experten in Echtzeit. In Einsätzen etwa bei der Wartung von Fahrzeugen oder technischen Anlagen im Feld kann ein Techniker durch die Brille mit einem Fachmann am anderen Ende der Welt verbunden werden, der das Sichtfeld des Trägers teilt und präzise Anweisungen gibt. Eine Funktion, die nicht nur die Effizienz, sondern auch die Sicherheit erhöht.
Berger sieht sich mit Viewpointsystem an der Schwelle zu einem Technologiewandel in der Verteidigung. „Wir müssen den Faktor Mensch nicht durch Technik ersetzen – wir müssen ihn durch Technik stärken“, erklärt er.
In der Praxis bedeutet das: Menschliche Intuition, Reaktion und Urteilsvermögen werden durch datenbasierte Analyse und gezielte Optimierung ergänzt – ein Ansatz, der im militärischen Kontext auf großes Interesse stößt.
Dass Eye-Tracking dabei zu einem strategischen Tool im Verteidigungsbereich werden könnte, erscheint – angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre – alles andere als utopisch.

Finanzierung als Lücke
Hierzulande haben es Defence-Unternehmen mit der Banken-Finanzierung schwer - auch Venture Capitalgeber sind rar.
"Deutsche Banken öffnen sich der Rüstungsbranche", lauteten die Schlagzeilen. Große Geldhäuser kündigen ein stärkeres Engagement an, Förderbanken überarbeiten ihre Richtlinien. Seit der Bundestag die Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben gelockert hat, wollen viele Banken ihre Aktivitäten innerhalb der Verteidigungsbranche erhöhen. So auch die KfW. Für Rüstungsfirmen dürfte damit bald mehr Planbarkeit herrschen. Deshalb rechnen viele Geldhäuser mit einem steigenden Finanzierungsbedarf für Investitionen. Wie aber ist die Lage in Österreich?
„Wir haben ein eigenes Team für Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung. Mit dem Börsengang von Renk, der Kapitalerhöhung von Hensoldt und der Wandelanleihe von Rheinmetall waren wir in den letzten Jahren an allen wichtigen Kapitalmarkttransaktionen in Deutschland beteiligt“, sagt Marco Iannaccone, Leiter Client Solutions bei der HVB/UniCredit.
Anders als in Österreich stellt sich die Situation für die UniCredit Gruppe bzw. das Defence Kompetenzzentrum der UniCredit also in Deutschland dar: "Wir erwarten eine steigende Nachfrage und sind bereit, unsere Kunden dabei zu unterstützen, einen substanziellen Beitrag zur europäischen Sicherheit zu leisten", sagt Marion Bayer-Schiller, Leiterin der Abteilung für Großunternehmen bei der HVB/UniCredit. In Österreich dagegen habe man in der Verteidigungsindustrie kein wesentliches Geschäftsvolumen, das spiegelt auch die allgemeine Marktsituation wider, denn in Österreich ist dieser Sektor aufgrund der staatlichen Neutralität historisch schwach ausgeprägt", heißt es bei HVB/Unicredit.
Ins selbe Horn stoßen auch andere Banken, mitunter lieber anonym. Die Kreditvergabekriterien - sprich die Credit Policy der Banken - gehören unter strenger Observanz neu definiert, heißt es etwa bei einer oberösterreichischen Großbank. „Rüstung“ ist nicht unser Thema heißt es bei der RLB ÖO. "Im Rahmen unserer diversifizierten Anlagestrategie investieren wir auch in Wertpapiere von Unternehmen, die im Verteidigungsbereich tätig sind. Derzeit haben wir aber keinen spezifischen Schwerpunkt auf diesen Sektor", heißt es bei der UNIQA.
Parity QC: Die Quantenrechner
Derzeit steht einem weiteren Wachstum von Wolfgang Lechners und Magdalena Hausers ParityQC nichts im Wege.
Es gibt stabile Finanzgeber - seit dem Vorjahr ist auch die B&C Holding am Innsbrucker Unternehmen minderheitsbeteiligt. Und unter anderem arbeitet es zusammen mit dem deutschen Quantenunternehmen Quantum Brilliance an einem mobilen Quantencomputer. Auftraggeber des bis zu 35 Millionen Euro schweren Projekts ist die deutsche Cyberagentur. „Der zu entwickelnde mobile Quantencomputer wird in erster Linie in Sicherheit und Verteidigung zum Einsatz kommen“, heißt es. Damit muss er den Anforderungen des deutschen Militärs entsprechen: Klein, leicht und robust soll er sein und mit einem normalen Stromanschluss versehen sein. "Wir bekommen viele Investorenanfragen vom Ausland", schildern die beiden Geschäftsführer und Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser. Man wolle so unabhängig wie möglich sein, um die Wertschöpfung in Österreich zu belassen. "Wir haben aber schon auch offene Augen für Strategen", meint man.

Neben militärischen Anwendungen wie Entscheidungsunterstützung in sicherheitskritischen Szenarien verfolgt ParityQC auch zivile Einsatzmöglichkeiten. Historisch gesehen wird bahnbrechende Technologie häufig über militärische Programme mitfinanziert – Beispiele wie GPS oder das Internet gehen auf das US-amerikanische DARPA-Programm zurück. Auch Quantencomputing wurde dort in großem Rahmen gefördert. ParityQC sieht darin eine natürliche Form der Finanzierung für technologische Sprunginnovationen. Die Architektur bietet Vorteile bei klassischen Optimierungsproblemen – etwa in der globalen Logistik – sowie bei maschinellem Lernen und molekularer Simulation für Medikamentendesign. Das Unternehmen sieht darin eine klare Positionierung im Bereich Dual-Use-Technologien.

NXRT: Die Pragmatischen
Die Wiener Softwareschmiede ist mittlerweile zum Scale-Up herangewachsen. In der Defence mischt man mit Mobilitäts- und Trainingslösungen auf Basis von Mixed Reality mit.
Wenn Lukas Stranger, Gründer und CEO des Wiener Mixed-Reality-Scale-Ups NXRT von Aktivitäten im Defence-Bereich erzählt, überrascht das nicht. Erst im Vorjahr wurde mit Markus Neuberger - einem Reservisten, genauer: Kapitän zur Seefahrt - als Head of Public & Defence ein Spezialist ins Boot geholt. "Er soll auch Produktspezifikationen aufbauen", sagt Stranger. Der Bereich Defence mit all seinen Facetten ist fest in der Unternehmensstrategie verankert. "Wir sehen den Einsatzort unserer Lösung allerdings nicht im Gefecht, das machen andere besser", sagt Stranger. Anwendung findet die Lösung HeroRide als Fahrsimulator - prinzipiell auch für gefährliche Einsatzfahrten militärischer Fahrzeuge und deren Kolonnenfahrt geeignet. Denn in der Realität sind solche relativ teuer und mit Straßenabsperrungen schwer umsetzbar.

Das Produkt HeroShow "dagegen visualisiert, was nicht da ist", sagt Stranger. So lässt sich ein plötzlicher Reifenwechsel oder ein bestimmter Beladungszustand simulieren. Auch hier gibt es Anknüpfungspunkte an militärische Anwendungen: "Die Wege gestalten sich mit militärischen Stakeholdern häufig langwierig", weiß Stranger. Weshalb der Softwarehersteller, der in Salzburg die Hardware produziert, froh ist, etwa auch mit der Automotive-Industrie ein wichtiges Standbein gefunden zu haben. Finanziell ist man mit "langdenkenden", nicht militärnahen Investoren auf der sicheren Seite.

"Deutsche Banken werden in sechs Monaten das Geschäft übernehmen"
Bernhard Müller, Partner für „Security & Defence” bei PwC Legal Österreich über die Finanzierungslücke bei militärischen Projekten in Österreich.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Müller, in Deutschland öffnen sich die Banken für Finanzierungsprojekte rund um Defence. Hinkt Österreich hinterher?
Bernhard Müller: Deutschland ist uns da ganz klar einen Schritt voraus. Jahrzehntelang war Investieren in dem Bereich Defence ähnlich verpönt wie die Investition in Glücksspiel oder Prostitution. Man wollte keine dubiosen Waffengeschäfte finanzieren. Und dann kommt auf einmal dieser Krieg in der Ukraine, ein massives Nachrüsten in Europa und auf einmal steht man vor der Frage, wie über die 300 Milliarden Euro Sondervermögen in Deutschland hinausgehende Investitionen finanziert werden sollen, die es ja wahrscheinlich werden. Und in Osterreich spricht man von knapp 30 Milliarden, die der Aufbauplan 20232+ bereithalten soll. Wir wissen alle, dass wir das mit 30 Milliarden in Österreich nicht machen. Wir werden daher privates Kapital in der einen oder anderen Form brauchen. Was wir genauso merken: Wenn wir bei den wenigen heimischen Zulieferbetrieben nachschauen: MFL war in den Medien mit Panzeraufträgen für den Leopard 2 Panzer, und wir haben ja auch Radpanzer Pandur bei General Dynamics. Das heißt die Rüstungsbetriebe und rustungsnahen Betriebe bauen aus und aus und die brauchen Finanzierungen. Der dritte Bereich sind Startups im Defence Bereich, da merken wir, wir brauchen jetzt viel mehr Innovation, moderne Produkte, Know how im eigenen Land. Das muss man auch finanzieren, Startups tun sich schon schwer genug, wenn die Auftragsvergabe, die öffentliche Hand behäbig und langsam ist.
Wie schaut es mit Venture Capital aus, wer ist bereit, einzusteigen?
Müller: Auf der Austrian Defence Innovation Conference in Klagenfurt schwirren die Deutschen Venture Capital Geber herum, da schwirren deutsche Banken herum, die sind an diesen Dingen sehr sehr interessiert. Es stellt sich natürlich immer die Frage, ob jedes Startup Venture Capital möchte oder doch lieber eine klassische Projektfinanzierung - also Absatzfinanzierung - bevorzugt. Man bekommt einen Auftrag, die Bank finanziert dann die Ausweitung der Kapazität für diesen Auftrag. In Österreich ist das alles ein sehr kleiner Teich. Da sind wir sehr weit weg, dass wir eine Rüstungsfinanzierung in Österreich bekommen.
Ein veritabler Missstand?
Müller: Es beginnt schon jetzt langsam zum Problem zu werden. Denn ich kenne konkret Unternehmen, die zu ihren Hausbanken gegangen sind und eine Ausbaufinanzierung für die Produktion wollten und dann kommt als Antwort: Ja gut, Infrastruktur können wir finanzieren, ihr produziert aber eh keine Waffen dort? In einem Rüstungsbetrieb schwierig. Warum ist das so? Weil man immer noch Angst vor Reputationsschäden hat. Ich habe mit der Sparte Banken der Wirtschaftskammer gesprochen und die sagen ja, sie verstehen es und würden eine Änderung befürworten, aber können den Mitgliedsunternehmen nichts vorschreiben. Und mit den Nachhaltigkeitsprodukten kommt man auch nicht voran: Alles was Rüstung ist, ist nicht nachhaltig, so die vorherrschende Meinung. Das wird langsam zum Problem werden.
Und Österreich blockierte auf europäischer Ebene die Europäische Investitionsbank?
Müller: Die ist ja zumindest ein wenig vorgeprescht: Künftig können Dual Use Güter mit doppeltem Verwendungszweck auch Cybersicherheit, Drohnen, Mobilität sein. Das ist in Wahrheit ja ein Etikettenschwindel. Sie wollen in Wahrheit Defence finanzieren, aber sie trauen sich nicht, da die Mitgliedsstaaten das in der Vergangenheit blockiert hatten.
Die österreichische Banken sind abwartend?
Müller: In Govermental Affairs gibt es schon Befürworter, die sagen, darüber gehört diskutiert. Aber letztlich scheitern die dann oft am Risk: Risk sagt Nein. Banken befürchten sie finanzieren etwas und der Panzer taucht dann plötzlich in Syrien auf. Das ist grotesk. Wir wissen ja, dass wir unsere europaische eigene Nachrüstung finanzieren. Wenn jemand Panzertürme finanziert, wissen wir, wo diese Panzertürme hingehen. Wir wissen, dass wir diese Kapazitaten für den europaischen Verteiigungsaufbau brauchen. Die Banken sind sehr zurückhaltend. Ich glaube halt, über kurz oder lang werden dann deutsche Venture Kapital Geber und deutsche Banken das Geschaft in Osterreich übernehmen. Und das ist letztlich auch nicht gut. Übrigens: Ich habe verzweifelt vor einem halben Jahr nach Verboten gesucht, warum Rüstung nicht eu-weit finanziert werden darf. Das gibt es nicht. Aber es wurde immer so weiter tradiert. Unsere Richtlinien, unser Regulator die lassen das nicht zu. Nein, das gab es alles nicht und gibt es nicht.
Sehen Sie schon Nachteile für den heimischen Innovationsstandort?
Müller: Die Deutschen machen schon ganz anderes Matchmaking zwischen Industrie und Startups. Wie die Uni Bundeswehr in München, genau so etwas bräuchten wir, wo wir mit dem Staat und privat Innovation Hubs und eine Startup Kultur in Österreich fördern. Innovative Scale Ups sind genau der Weg, dass wir mehr Innovation bekommen. Dafür müssen wir auch entsprechend finanzieren. Sonst werden wir da nicht vorankommen. Wir haben sehr viele Zulieferer im Luftfahrbereich. Wenn wir die nicht ausreichend mit Geld versorgen, können die nicht mit Aufträgen, die zum inländischen Wirtschaftswachstum beitragen, nachkommen. Eine Chance, die wir leichtfertig über Bord werfen. Und abermals: Die moralische Keule gilt nicht. Es geht um die europäische Rüstungsproduktion. Wenn wir es nicht machen, macht es ein anderer.

Taurob: Die ABC-Abwehrer
Das Wiener Robotik-Unternehmen, mittlerweile im 70-Prozent-Eigentum eines Big Players, macht unter anderem mit einer ABC-Abwehrlösung für das Österreichische Bundesheer von sich reden.
Einige wesentliche Grundvoraussetzungen für das Defence-Geschäft sind beim Wiener Startup Taurob erfüllt: "Unser Fahrzeug ist robust, kettengetrieben und fährt autonom. Außerdem kooperieren wir bereits langjährig mit dem Österreichischen Bundesheer", schildert Geschäftsführer und 15-Prozent-Anteilseigner Matthias Biegl. Seit 2010 fertigen die Wiener unbemannte Bodenfahrzeuge (UGVs) speziell für gefährliche Umgebungen. Bekannt wurde das Unternehmen 2012 mit dem Taurob Tracker, dem ersten ATEX-zertifizierten Feuerwehr-Roboter, der in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden kann. Mit Feuerwehren also gibt es Partnerschaften, in der jüngsten Zeit konzentriert man sich auf die Öl- und Gasindustrie, da der Roboter ATEX-zertifiziert ist und weitere Eigenschaften besitzt, die in für diese globale Industrie einzigartig machen.

Beim ÖBH kommt der Roboter beim ABC-Abwehrschutz zum Einsatz. Hier etwa fährt der Roboter vor und die Sensorik erkennt, ob eine chemische Substanz oder ein Kampfstoff zum Einsatz kommt. "Das Interesse an unserer Plattform ist weiterhin groß", sagt Biegl. So untersuchte man in einem Forschungsprojekt mit MAN und dem Bundesheer unter anderem schon die Remote-Steuerung von Lkw. Und zur Beseitigung und Entschärfung von Minen könnte der Roboter ebenfalls seine Stärken ausspielen. "Solange es keine Angriffsfunktion ist - von der sehen wir nämlich ab", sagt Biegl. Dessen Unternehmen auf mittlerweile 50 Mitarbeiter - sowohl Produktion als auch Administration und F&E - angewachsen ist. Biegl ist offen für einen klar kommunizierten Use Case aus dem Defence-Bereich, der sich nicht mit dem mission statement seiner Firma schlägt. Und er gibt ein Beispiel: "Wenn ich den Roboter zum Spähen vorschicke, schütze ich auch Menschen". 70 Prozent des Unternehmens gehören übrigens der niederländischen Dietsmann-Gruppe, einem Spezialisten für Instandhaltung in der Öl- und Gasindustrie.
