Deutsche Bahn Sanierungskonzept : DB Cargo-Zukunft: Bahn-Gutachten zerreißt Nikuttas Konzept

Sigrid Nikutta, DB Cargo-Chefin: Ihr Sanierungsplan steht nach einem internen Gutachten massiv in der Kritik.
- © DB AG / Max LautenschlaegerNach Informationen der Deutschen Presse-Agentur steht Sigrid Nikutta vor der Abberufung als Vorstandsvorsitzende der Güterverkehrssparte DB Cargo. Der Schritt markiert das Ende ihrer Bemühungen, den defizitären Bereich der Deutschen Bahn zu sanieren und wirtschaftlich aufzustellen. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin Spiegel darüber berichtet.
>>> Junge Talente: Wie eine unerschrockene Generation die Industrie neu erfindet
Die Entscheidung gilt als eine der ersten richtungsweisenden Personalmaßnahmen der neuen Bahnchefin Evelyn Palla, die aus Österreich stammt und kürzlich eine konsequentere Führung des Konzerns angekündigt hatte. Ein von der Bahn beauftragtes Gutachten hatte Nikuttas Sanierungskonzept zuletzt als unzureichend eingestuft. Die endgültige Entscheidung über ihre Abberufung liegt beim Aufsichtsrat, der am 30. Oktober zu einer Sondersitzung zusammenkommen soll.
Aktuelle Trends, Entwicklungen und Hintergründe aus der Industrie – täglich in Ihrer Inbox. Jetzt zum Daily Briefing anmelden!
DB Cargo schreibt seit Jahren Verluste. Bislang hatte der Bahnkonzern die Defizite intern ausgeglichen, doch die EU-Kommission hat dies im Zuge eines Beihilfeverfahrens untersagt. Ab dem Jahr 2026 muss der Geschäftsbereich wieder Gewinne erzielen.
Trotz staatlicher Hilfe: Einzelwagenverkehr bringt DB Cargo nicht aus der Verlustzone
Nikutta hatte auf einen deutlichen Personalabbau und den Verkauf von Fahrzeugen gesetzt. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung sollte die Zahl der Beschäftigten von derzeit rund 17.000 auf etwa 10.000 reduziert werden. Außerdem war die Schließung mehrerer Werkstätten geplant. Anstelle eigener Lokomotiven sollten künftig vermehrt Mietfahrzeuge genutzt werden.
>>> Ermittler enthüllen massiven Sozialbetrug bei Temu-Lager in Wien
Ein zentrales Element ihrer Strategie war zudem die staatliche Förderung des Einzelwagenverkehrs. Dabei werden Waggons verschiedener Kunden gebündelt und individuell verteilt. Trotz hoher Relevanz für den Gütertransport auf der Schiene gilt dieser Bereich als besonders kostenintensiv. Die seit 2024 geltenden Fördermaßnahmen reichten nach Einschätzung von DB Cargo jedoch nicht aus, um den Einzelwagenverkehr rentabel zu gestalten.
Aufgrund der hohen Anforderungen bieten nur wenige Unternehmen diese Leistung an – DB Cargo gehört weiterhin dazu. Im gesamten Schienengüterverkehr bleibt die Bahn-Tochter das größte Einzelunternehmen, verlor jedoch an Marktanteilen: Laut Bundesnetzagentur sank dieser 2023 auf etwa 44 Prozent.
Sigrid Nikutta: Vom Bahn-Talent zur umstrittenen DB-Cargo-Chefin
Sigrid Nikutta blickt auf eine lange Karriere im Bahnsektor zurück. 1996 trat sie erstmals in den Staatskonzern ein, war von 2010 bis 2020 Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe und kehrte anschließend zur Bahn zurück, um DB Cargo zu leiten.
>>> Logistik in Kriegszeiten: „Der Logistiker ist eines der ersten Angriffsziele"
In der Öffentlichkeit trat sie präsent auf, etwa in sozialen Netzwerken wie LinkedIn. Ihr Markenzeichen: ein roter Hosenanzug – passend zur Unternehmensfarbe der Deutschen Bahn. Erfolgreiche Jahresbilanzen blieben jedoch aus. „Nikuttas Bilanz ist verheerend – über 3,1 Milliarden Euro Minus seit ihrem Amtsantritt sprechen für sich“, kritisierte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Mitte Oktober in einem Schreiben an die neue Bahnchefin Palla. Weiter hieß es dort: „Was sie Transformation nennt, ist in Wahrheit ein kopfloses Abwickeln.“
DB Cargo in der Kritik: Gutachten zweifelt an Nikuttas Sanierungskonzept
Besonders unter Druck geriet Nikutta nach Veröffentlichung eines internen Gutachtens zur wirtschaftlichen Zukunft von DB Cargo. Darin heißt es, das Sanierungskonzept sei „nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sicherzustellen“.
>>> Österreichs mächtigste Frauen 2025
Zudem seien „einige Annahmen in der Planung sehr optimistisch und im momentanen Markt- und Wettbewerbsumfeld wahrscheinlich nicht erreichbar“. Grundsätzlich halte das Gutachten eine erfolgreiche Sanierung zwar für möglich – jedoch offenbar nicht auf Basis von Nikuttas Konzept.
Bahnvorstand im Wandel: Nach Nikutta und Lutz folgt die nächste Umbauphase
Mit Nikuttas bevorstehendem Ausscheiden setzt sich der Umbau des Bahnvorstands fort. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Bundesregierung eine Neuausrichtung der Führungsebene vorgenommen. Im September musste der bisherige Bahnchef Richard Lutz seinen Posten räumen. Ihm folgte Evelyn Palla, bislang zuständig für den Regionalverkehr.
>>> Management: Fünf Gewohnheiten erfolgreicher Geostrategen
Der Vorstand wurde im Zuge der Reform um zwei Ressorts verkleinert. Weitere personelle Veränderungen stehen an: Als Nachfolger Pallas im Regionalverkehr ist laut Informationen aus dem Konzern Harmen van Zijderveld im Gespräch. Die neue Finanzchefin soll Karin Dohm werden, ehemals bei der Baumarktkette Hornbach tätig. Sie würde auf Levin Holle folgen, der im Frühjahr ins Bundeskanzleramt wechselte. Beide Personalien bedürfen noch der Zustimmung des Aufsichtsrats.