Koalition aus ÖVP SPÖ NEOS steht : Das ist der Rettungsplan der neuen Regierung für Österreichs Wirtschaft

Glückliche Gesichter? ÖVP, SPÖ und Neos haben sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt. Was bedeutet das für Österreichs Wirtschaft?
- © AFPDas Thema Wirtschaft nimmt im neuen schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm eine zentrale Rolle ein und wird insgesamt 185 Mal in verschiedenen Kontexten erwähnt. Bereits in der Präambel wird an das "Wirtschaftswunder"nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Die Regierung betont, dass sie den Menschen mehr wirtschaftliche Freiheit ermöglichen wolle und bekennt sich klar zum Standort Österreich, dessen Rückgrat die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie die exportorientierte Industrie bilden.
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Um die Wirtschaftsleistung zu erhalten und eine Deindustrialisierung des Standorts Österreich zu verhindern, setzt die Regierung auf eine Reihe wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Sie betont: "Um einen Abfluss der Wirtschaftsleistung sowie Deindustrialisierung am Standort konsequent zu verhindern, setzen wir Maßnahmen, die unternehmerische Freiheit, Innovationskraft, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in und für Österreich sichern." Die Regierung verfolgt damit eine Strategie, die nicht nur die aktuelle wirtschaftliche Lage stabilisieren, sondern langfristig Investitionen ankurbeln, Innovation fördern und Arbeitsplätze sichern soll.
Die neue Bundesregierung schreibt in ihrem Programm von einer "gemeinsamen Vision für die Zukunft" für eine KMU- und Industriestrategie "zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und zukunftssicheren Arbeitsplätzen". Österreich sei und bleibe ein exportorientiertes Industrieland. Nun sollen zuerst "strukturelle Stärken, Herausforderungen und Chancen" evaluiert werden. Daraus sollen "nachhaltige, zukunftsorientierte und strategische Ziele" abgeleitet werden.
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Umfassende Standortstrategie ab Ende 2025
Die neue Regierung setzt in ihrem Programm auf eine "gemeinsame Vision für die Zukunft" und entwickelt eine KMU- und Industriestrategie, die auf Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und nachhaltige Arbeitsplätze abzielt. Fördermaßnahmen werden weiterhin geprüft, wobei zunächst die "strukturellen Stärken, Herausforderungen und Chancen" analysiert werden. Darauf basierend sollen "nachhaltige, zukunftsorientierte und strategische Ziele"formuliert werden.
Ab Ende 2025 soll eine umfassende Standortstrategie entwickelt werden, die industrielle Schwerpunkte sowie eine langfristige Priorisierung von Maßnahmen unter Einbindung der Sozialpartner umfasst. Schwarz, Rot und Pink betonen: "Investitionen in Infrastruktur und Zukunftstechnologien müssen dabei gezielt abgestimmt werden, insbesondere auch vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Entwicklungen."
Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, plant die Regierung eine aktivere Mitgestaltung des europäischen Binnenmarkts, insbesondere in den Bereichen Energie- und Kapitalmarktunion.
KMU als Rückgrat der Industrie
Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) spielen eine entscheidende Rolle in der Wertschöpfungskette der Industrie. Die neue Strategie soll deren Wettbewerbsfähigkeit stärken und die Zusammenarbeit zwischen KMU und Industrie fördern. Ein zentrales Ziel ist es, die Energiepreise auf ein wettbewerbsfähiges und planbares Niveau zu senken.
Ein Benchmarking soll ermitteln, in welchen Bereichen der Staat Unternehmen effizienter unterstützen kann, etwa durch bessere Infrastruktur, Finanzierungsmodelle, Bürokratieabbau, digitale Verwaltungsprozesse und schnellere Genehmigungen. Zudem sollen Forschungs- und Produktionsstandorte stärker miteinander verknüpft werden.
ÖBAG als industriepolitischer Schlüsselakteur
Die Staatsholding ÖBAG, die bedeutende Unternehmensbeteiligungen wie OMV, Post, Telekom und Verbund verwaltet, soll als "industriepolitischer Backbone proaktiv eingesetzt" werden. Ihr Beteiligungsmanagement wird direkt in die Industrie- und Standortstrategie eingebunden, die in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern entwickelt wird.
Unklar bleibt, ob die ÖBAG weiterhin dem Finanzministerium unterstellt bleibt oder künftig ins Wirtschaftsministerium verlagert wird. Medienberichten zufolge könnte diese Zuständigkeit vom roten Finanzministerium ins schwarze Wirtschaftsministerium wechseln.
Die Vergabe von Mitteln aus dem Transformationsfonds soll künftig effizienter und gezielter erfolgen, mit verstärktem Fokus auf Garantien, Haftungen, Nachrangdarlehen und "gegebenenfalls Beteiligungen". Die Forschungsprämie bleibt erhalten, während die Forschungsquote mittelfristig auf über 4 Prozent steigen soll.
Bürokratiebremse und Entbürokratisierungsbericht
Laut dem Regierungsdokument sollen Berichtspflichten "spürbar reduziert" werden. Zudem wird mit Josef Schellhorn (NEOS) ein eigener Staatssekretär für Deregulierung eingesetzt. Er soll als zentrale Anlaufstelle "für Vorschläge zur Entbürokratisierung" fungieren und Doppelgleisigkeiten überprüfen. Sein Posten wird im Außenministerium unter der Leitung von Beate Meinl-Reisinger (NEOS) angesiedelt sein.
Das Regierungsprogramm bekennt sich zu einer "Bürokratiebremse sowie zur transparenten Darstellung von Bürokratiekosten". Gleichzeitig wird betont, dass die Maßnahmen "zu keiner Aufweichung von Arbeitnehmerinnen/-nehmerschutz und Konsumenten-/Konsumentinnenschutz führen" dürfen. Zur Kontrolle wird jährlich ein Entbürokratisierungsbericht veröffentlicht.
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Jeder in Österreich leistet in diesem Paket seinen fairen Beitrag.
ÖVP, SPÖ und Neos bei Vorstellung des Koalitionspapiers
Dachfonds für Start-ups und digitale Gewerbeanmeldung
Start-ups profitieren von neuen Finanzierungsmodellen: Ein österreichischer Dachfonds soll ihnen den Zugang zu nationalem und internationalem Kapital erleichtern. Der Interessenverband invest.austria nennt dies einen "Meilenstein für die österreichische Wirtschaft". "Der Dachfonds dient als Risikopuffer, der es auch risikoaversen Investoren wie Pensionskassen und Stiftungen erleichtert, in die österreichische Wirtschaft zu investieren", so invest.austria.
Die Digitalisierung soll auch die Unternehmensgründung erleichtern. Das Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) wird erweitert, sodass Ausbildungsnachweise direkt eingebunden werden können. Dadurch wird eine "Instant-Online-Gewerbeanmeldung" ermöglicht.
Zudem wird für Start-ups ein Aktivierungswahlrecht für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte eingeführt. Beispielsweise könnte eine eigens entwickelte Software künftig als Bilanzposten geführt werden. Ziel ist es, "Nachteile im Wettbewerb um internationale Geldgeber" zu beseitigen.
Energiepreise stabil halten – Regierung setzt auf Expertengruppe
Die Energiepolitik der neuen Regierung verfolgt das klare Ziel, stabile und leistbare Energiepreise für Haushalte und Unternehmen zu gewährleisten. Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Stärkung des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt, um Preisdruck zu erzeugen und langfristig faire Tarife sicherzustellen. Gleichzeitig soll auf europäischer Ebene der Preisbildungsmechanismus (Merit-Order) überarbeitet werden, um die Abhängigkeit von teuren fossilen Energieträgern zu reduzieren und erneuerbare Energien effizienter in den Markt zu integrieren.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Verpflichtung von Energieunternehmen, leistbare Energie als öffentliches Interesse gemäß Aktiengesetz anzubieten. Damit soll sichergestellt werden, dass Strom- und Gasversorger nicht nur wirtschaftliche Interessen verfolgen, sondern auch soziale Verantwortung übernehmen und Preise auf einem bezahlbaren Niveau halten.
Zusätzlich wird eine Expertengruppe zur Senkung der Energiepreise eingesetzt. Diese soll gezielt Maßnahmen entwickeln, um Energie günstiger und kalkulierbarer zu machen. Dabei wird sie sowohl nationale als auch internationale Marktmechanismen analysieren und Vorschläge erarbeiten, wie sich Preissteigerungen in Zukunft vermeiden lassen.
Mit dieser Kombination aus Wettbewerbsförderung, Marktregulierung und gezielter Expertise will die Regierung eine nachhaltige Lösung für die Energiepreisentwicklung schaffen und sicherstellen, dass Österreich langfristig von einer stabilen und bezahlbaren Energieversorgung profitiert.
Im Rahmen der Energiewende wird auch der schrittweise Rückbau des Gasnetzes geplant. Dazu sollen "koordinierte, vorausschauende Stilllegungspläne" erarbeitet werden. Wo möglich, sollen bestehende Gasleitungen auf eine Wasserstoffnutzung umgestellt werden.
Mit diesen umfassenden Reformen will die Regierung Österreichs Energiesystem modernisieren, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren und eine stabile, nachhaltige sowie leistbare Energieversorgung für die Zukunft sichern.
Modernisierung des Strommarkts durch das ElWG
Die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat sich das Ziel gesetzt, die unter der Vorgängerregierung gescheiterten Energiegesetze noch vor dem Sommer 2025 auf den Weg zu bringen. "Für eine rasche und nachhaltige Energiewende sehen wir die drei Leuchtturm-Gesetze (EABG, ElWG und EGG) als prioritäre Umsetzung bis zum Sommer 2025", heißt es im Regierungsprogramm. Diese Gesetze sollen den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen, den Strommarkt modernisieren und die Einspeisung von Biogas steigern.
Da Energiegesetze in Österreich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat benötigen, müssen neben ÖVP, SPÖ und NEOS auch FPÖ oder Grüne zustimmen, um die Reformen umzusetzen.
Bereits 2024 lag ein Entwurf für das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) von ÖVP und Grünen vor. Ziel war es, die Stromnetzkosten gerechter zu verteilen und den Verlust von Strom durch Netzüberlastungen zu reduzieren. Der Boom bei Photovoltaikanlagen führte in den letzten Jahren dazu, dass Windräder und Wasserkraftwerke immer häufiger heruntergefahren werden mussten, um Netzüberlastungen zu vermeiden.
Im aktuellen Regierungsprogramm wird das ElWG als Grundlage für ein "zukunftsorientiertes, digitales, kosteneffizientes, verursachergerechtes und nachhaltiges Stromsystem" beschrieben. Dieses System soll leistbare und wettbewerbsfähige Energiepreise gewährleisten. Ein Sozialtarif wird ebenfalls Teil des neuen Gesetzes sein. Zudem sollen Stromanbieter klare Vorgaben für Preisänderungen erhalten.
Ein weiterer Punkt betrifft die Nutzung von Autobatterien zur Stromspeicherung. Dazu heißt es im Regierungsprogramm: "Im Zuge der Verhandlungen des ElWG soll das bidirektionale Laden berücksichtigt werden im Sinne der Unterstützung der erforderlichen Verbrauchs- und Einspeiseflexibilität."
Keine großen Würfe bei "Klima- und Umweltschutz"
Das Kapitel "Klima- und Umweltschutz" im neuen Regierungsprogramm umfasst lediglich neun Seiten, während es unter der früheren schwarz-grünen Koalition noch über 50 Seiten waren. Trotz des reduzierten Umfangs hält die Ampelkoalition am Ziel der Klimaneutralität bis 2040 fest und plant eine neue "Governance-Struktur", um dieses Ziel zu erreichen. Gravierende Neuerungen oder weitreichende Maßnahmen bleiben jedoch aus.
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Eine strukturelle Änderung betrifft das Umweltressort: Wie bereits früher soll es wieder mit dem Landwirtschaftsministerium zusammengeführt werden, jedoch ohne die Energie- und Verkehrsagenden. Diese Entscheidung könnte Einfluss auf die zukünftige Klimapolitik haben, insbesondere in Bereichen wie nachhaltige Landwirtschaft und Umweltregulierung.
In der Präambel des Regierungsprogramms wird Klimaschutz gemeinsam mit Umweltschutz als "zentrales Anliegen"genannt. Konkrete Maßnahmen sind im Umweltkapitel jedoch spärlich formuliert. Eine der wesentlichen Neuerungen ist die "Schaffung einer Governance-Struktur", die die Umsetzung der Klimaziele erleichtern soll.
Darüber hinaus plant die Regierung ein neues Klimagesetz, das laut Regierungsprogramm "den regulatorischen Rahmen für Maßnahmen, Werkzeuge und Governance zur Erreichung der Klimaziele und der Klimaneutralität, der Klimawandelanpassung und der Kreislaufwirtschaft" schaffen soll.
Ein bedeutender Unterschied zur früheren Koalition ist der Verzicht auf ein verbindliches Klimaschutzgesetz mit festen Reduktionspfaden. Das unter der schwarz-grünen Regierung geplante Gesetz hätte konkrete Zwischenziele bis 2030sowie Sektorziele vorgegeben. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht umgesetzt und findet sich in dieser Form auch nicht im neuen Regierungsprogramm.
Stattdessen setzt die Ampelregierung auf flexible Steuerungsmechanismen, deren konkrete Auswirkungen auf den Klimaschutz jedoch noch unklar sind. Ob Österreichs Ziel der Klimaneutralität bis 2040 mit dieser Strategie tatsächlich erreicht werden kann, bleibt fraglich.
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