Neue EU-Regeln für Unternehmen 2025 : Weniger Bürokratie, mehr Wettbewerbsfähigkeit: EU lockert Vorschriften und investiert Milliarden in Industrie

EU Flaggen

Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Paket an Vorschlägen zur Förderung der europäischen Industrie und Wirtschaft vorgestellt.

- © SIDN

Die Europäische Kommission hat erste Maßnahmen vorgestellt, um die Wirtschaft in der EU wettbewerbsfähiger zu machen. Geplant sind umfangreiche Deregulierungen und Vereinfachungen zahlreicher Vorschriften. Am Mittwoch präsentierte die Kommission ihre ersten „Omnibus“-Vorschläge, die unter anderem eine einjährige Verschiebung des Lieferkettengesetzes sowie eine Reduzierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung für 80 Prozent der Unternehmen vorsehen.

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Insgesamt will die EU-Kommission die Bürokratiebelastung für Unternehmen spürbar reduzieren. Meldepflichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen um 35 Prozent sinken, während insgesamt rund ein Viertel weniger Bürokratie vorgesehen ist.

Gleichzeitig hat die Europäische Kommission  ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der europäischen Industrie und Wirtschaft präsentiert. Dieses besteht aus zwei zentralen Säulen: dem „Clean Industrial Deal“, der Europas Industrie wettbewerbsfähiger und klimafreundlicher machen soll, sowie dem „Affordable Energy Plan“, der für niedrigere Energiekosten sorgen soll.

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Lockerung des EU-Lieferkettengesetzes

Das EU-Lieferkettengesetz soll große Unternehmen zur Verantwortung ziehen, wenn sie von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Bei Verstößen drohen Sanktionen wie öffentliche Anprangerung oder Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes.

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Ursprünglich sollten die Regelungen ab dem 26. Juli 2027 für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro gelten. Diese Schwellenwerte werden bis 2029 schrittweise gesenkt. Kleinere Unternehmen sind von den Pflichten ausgenommen.

Die Kommission schlägt nun vor, die Frist für die größten Unternehmen um ein Jahr auf den 26. Juli 2028 zu verlängern, um mehr Vorbereitungszeit zu gewähren. Gleichzeitig sollen Leitlinien für die Umsetzung bereits im Juli 2026 veröffentlicht werden. Zudem sollen Nachhaltigkeitsanforderungen vereinfacht werden, „damit die betroffenen Unternehmen unnötige Komplexität und Kosten vermeiden“, so die EU-Kommission. Eine weitere geplante Änderung betrifft die Abschaffung zivilrechtlicher Haftungsbedingungen unter Wahrung der Opferrechte.

Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Großunternehmen beschränkt

Ein weiterer wesentlicher Punkt betrifft die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Die Kommission plant, 80 Prozent der EU-Unternehmen von der Berichtspflicht zu befreien und diese auf große Konzerne zu beschränken, die stärkere Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben. Unternehmen, die bislang ab 2026 oder 2027 berichtspflichtig gewesen wären, sollen nun zwei Jahre länger Zeit bekommen – bis 2028.

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Auch die EU-Taxonomie, die nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten klassifiziert, soll nur noch für die größten Unternehmen verpflichtend sein. Damit will die EU bürokratische Hürden abbauen und den administrativen Aufwand für kleinere Betriebe reduzieren.

Auch das CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM), das die Verlagerung von Emissionen in Drittländer verhindern soll, wird angepasst. Künftig sollen kleine Importeure ausgenommen werden. Die Einführung eines neuen Schwellenwerts von 50 Tonnen CO2 pro Jahr und Importeur würde laut Kommission etwa 90 Prozent der Unternehmen – vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – von den Verpflichtungen befreien. Dennoch würden weiterhin über 99 Prozent der Emissionen unter das CBAM-System fallen.

100 Milliarden Euro für saubere Technologien

Energieintensive Branchen kämpfen mit hohen Strompreisen, verschärftem internationalen Wettbewerb und komplexen Vorschriften, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. „Europa muss eine Führungsrolle bei sauberen Industrien übernehmen“, erklärte EU-Vize-Kommissionspräsidentin Teresa Ribera am Mittwoch. „Europas Industrieunternehmen müssen in saubere Technologien investieren können und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.“ Sie forderte niedrigere Steuern auf Strom und eine effizientere Nutzung der Energienetze, um Unternehmen zu entlasten.

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Mit dem „Affordable Energy Plan“ soll die Integration der europäischen Elektrizitätsmärkte vorangetrieben und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Drittländern reduziert werden. Zudem plant die EU, bestimmte Nachhaltigkeitsberichtspflichten für Unternehmen zu vereinfachen.

Zur Förderung klimafreundlicher Technologien will die EU-Kommission über 100 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren. Zusätzlich sollen 1 Milliarde Euro an Garantien aus dem aktuellen EU-Haushalt bereitgestellt werden. Um eine schnellere und unkompliziertere Vergabe dieser Mittel zu ermöglichen, soll der Rahmen für staatliche Beihilfen überarbeitet werden.

Teresa Ribera
Teresa Ribera - © Wikipedia

Noch im Frühjahr sollen weitere industriepolitische Maßnahmen folgen:

  • März: Aktionsplan für die Automobilindustrie
  • Frühling: Strategien für die Stahl- und Metallindustrie
  • Weitere Pläne: Unterstützung für die Chemie- und Clean-Tech-Industrie

Mit diesem umfassenden Reformpaket will die EU Wirtschaftswachstum, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringen.

Ein zentrales Element ist die geplante „Bank für industrielle Dekarbonisierung“, die Mittel aus dem EU-Innovationsfonds sowie Einnahmen aus dem Emissionshandel bereitstellen soll. Zudem will die Kommission die europäische Clean-Tech-Industrie mit einem „Made in Europe“-Label stärken und sie bei der öffentlichen Auftragsvergabe gegenüber Unternehmen aus China und den USA bevorzugen.

Auch bei der Rohstoffversorgung will Europa unabhängiger werden. „Wir wollen die Rechnung für die Rohmaterialien und unsere Abhängigkeit senken“, erklärte Riberas Kollege Stéphane Séjourné. Europa müsse strategischer beim Einkauf und der Produktion von Rohstoffen wie seltenen Erden vorgehen. Ein neues „EU-Zentrum für kritische Rohstoffe“ soll dabei helfen, eine gemeinsame Beschaffung innerhalb der EU zu koordinieren.

  • EU
    Wir werden unsere Industrien mithilfe einer Reihe von Handelsschutz- und anderen Instrumenten schützen.

    EU-Kommission 

EU will Industrie besser vor unfairem Wettbewerb schützen

Die Kommission kündigte an, entschlossener gegen unfairen globalen Wettbewerb und Überkapazitäten vorzugehen. „Wir werden unsere Industrien mithilfe einer Reihe von Handelsschutz- und anderen Instrumenten schützen“, hieß es in Brüssel.

Während die erste Amtsperiode von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom Green Deal und strikten Klimaschutzvorgaben geprägt war, wächst nun der Druck aus der Wirtschaft und ihrer eigenen konservativen Parteienfamilie EVP. Diese fordern stärkere Unterstützung für europäische Unternehmen, vor allem angesichts neuer Handelsbeschränkungen der USA unter Ex-Präsident Donald Trump.

Teresa Ribera betonte jedoch, dass die grüne Transformation nicht verwässert werde: „Die Regeln werden vereinfacht, das Vertrauen der Investoren gefördert.“ Auch EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra stellte klar, dass an den bestehenden Klimazielen festgehalten werde. Die EU strebt weiterhin Klimaneutralität bis 2050 an.

Gemischte Reaktionen auf EU-Pläne

Die von der EU-Kommission vorgestellten Pläne zur Bürokratieentlastung („Omnibus“-Verordnung), dem „Clean Industrial Deal“ und dem „Affordable Energy Plan“ stoßen in Österreich auf gemischte Reaktionen. Während Gewerkschaftsbund (ÖGB) und Arbeiterkammer (AK) vor einer „Verwässerung“ insbesondere beim Lieferkettengesetz warnen, begrüßt die Wirtschaftskammer (WKÖ) das Maßnahmenpaket als wichtigen Schritt. Umweltorganisationen kritisieren hingegen eine Aufweichung von Nachhaltigkeitsstandards.

ÖGB und AK sehen in den Maßnahmen zur Entbürokratisierung eine Gefahr für bestehende Schutzvorgaben und Unternehmensverantwortung. Das EU-Lieferkettengesetz werde nach der ursprünglichen „historischen“ Einigung nun „wesentlich verwässert“ und zu einem „zahnlosen Formalakt“ degradiert. „Heute ist kein guter Tag für die Rechte von Arbeitnehmer:innen und für das Klima“, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Immerhin erkenne die Teilgewerkschaft PRO-GE im „Clean Industrial Deal“ „positive Ansätze für den Industriestandort“.

  • Wolfgang Katzian
    „Heute ist kein guter Tag für die Rechte von Arbeitnehmer:innen und für das Klima.“

    ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian

Die WKÖ befürwortet das Paket grundsätzlich und betont die Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung: „Entscheidend sei nun, dass auf die Absichtserklärungen rasch die entsprechende Umsetzung folgt“, erklärte Sigi Menz, Obmann der WKÖ-Industriesparte. Insbesondere Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise seien ein wichtiger Schritt. Unterstützung kommt auch von der WKÖ-Handelssparte, dem Handelsverband, der WKÖ-Sparte Gewerbe und Handwerk sowie dem von Wirtschaftskammer und Industrie finanzierten Verein oecolution.

  • Sigfried Menz, WKO
    „Entscheidend sei nun, dass auf die Absichtserklärungen rasch die entsprechende Umsetzung folgt.“

    Sigi Menz, Obmann der WKÖ-Industriesparte

Stichwort "Lieferkettengesetz": Was ist das?

Die Europäische Union plant mit dem Lieferkettengesetz eine strengere Regulierung für Unternehmen, um deren Verantwortung für soziale und ökologische Standards entlang der gesamten Lieferkette zu erhöhen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass europäische Firmen nicht von Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung oder unfairen Arbeitsbedingungen in ihren globalen Lieferketten profitieren.

Das geplante Gesetz verpflichtet große Unternehmen dazu, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards bei ihren Zulieferern zu prüfen und Verstöße zu vermeiden. Dies umfasst unter anderem:

  • Arbeitsbedingungen: Unternehmen müssen sicherstellen, dass keine Kinder- oder Zwangsarbeit in ihrer Lieferkette existiert und dass Arbeitnehmer:innen faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen haben.
  • Umweltschutz: Firmen sollen dafür sorgen, dass ihre Zulieferer keine gravierenden Umweltverstöße begehen, etwa durch illegale Abholzung oder die Verschmutzung von Gewässern.
  • Haftung: Falls Unternehmen gegen diese Sorgfaltspflichten verstoßen, sollen sie rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Vorteile des Lieferkettengesetzes

  • Mehr Fairness und Gerechtigkeit: Durch strengere Vorschriften profitieren Arbeitnehmer:innen weltweit von besseren Arbeitsbedingungen und gerechten Löhnen.
  • Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Das Gesetz fördert eine umweltfreundlichere Wirtschaft, da Unternehmen gezwungen werden, nachhaltiger zu produzieren.
  • Gleiche Wettbewerbsbedingungen: Unternehmen, die sich bereits freiwillig an hohe soziale und ökologische Standards halten, werden nicht länger von unfairer Konkurrenz benachteiligt.

Kritik und mögliche Nachteile

  • Bürokratischer Aufwand: Kritiker befürchten, dass die Umsetzung mit hohen Kosten und viel Bürokratie verbunden ist, vor allem für mittelständische Unternehmen.
  • Verantwortungsauslagerung: Unternehmen könnten versuchen, ihre Verantwortung auf Zulieferer abzuwälzen, anstatt aktiv an Verbesserungen zu arbeiten.
  • Wirtschaftliche Nachteile: Manche argumentieren, dass die strengeren Regeln europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb benachteiligen könnten, da internationale Konzerne außerhalb der EU nicht denselben Vorgaben unterliegen.
Das soll das Lieferkettengesetz künftig regeln | Interview mit Lisa Urbas, PHH Rechtsanwälte