Billig-Produkte aus China : Chinesische Online-Giganten Temu und Shein unter Beschuss - droht das Aus in der EU?

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Die deutschen Bundesregierung macht sich gemeinsam mit anderen EU-Staaten, darunter Österreich, für eine stärkere Kontrolle von Online-Händlern wie den chinesischen Firmen Temu und Shein stark

- © Daniel - stock.adobe.com

Die deutsche Bundesregierung setzt sich zusammen mit Österreich und anderen EU-Staaten für eine strengere Überwachung von Online-Händlern wie den chinesischen Plattformen Temu und Shein ein. "Wir können nicht länger hinnehmen, dass täglich Hunderttausende Pakete mit Produkten eintreffen, die den europäischen Standards nicht entsprechen", betonte der deutsche Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) in Brüssel.

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Gemeinsam mit Ländern wie Österreich, Polen, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich fordert Deutschland die EU-Kommission auf, strikte Maßnahmen zu ergreifen. Diese sollen sicherstellen, dass Online-Händler die geltenden Vorschriften einhalten und einschreiten, wenn auf ihren Plattformen unsichere Produkte angeboten werden. In Österreich verlangen der Handelsverband und die Wirtschaftskammer zusätzliche Schritte, um einen "fairen Wettbewerb" mit chinesischen Online-Plattformen zu gewährleisten.

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Temu verstößt gegen zahlreiche EU-Regelungen

Temu und Shein sind sowohl in Deutschland als auch in Österreich äußerst populär, was vor allem auf die niedrigen Preise zurückzuführen ist. Dennoch stehen die Plattformen in der Kritik. Handelsvertreter, Politiker und Verbraucherschützer bemängeln unter anderem die mangelhafte Produktqualität, unzureichende Kontrollen sowie unfaire Wettbewerbspraktiken. "Das betrifft Umweltrecht, das betrifft Verbraucherrecht und das gilt natürlich auch für Fragen wie Datenschutz und geistige Eigentumsrechte", erklärte Giegold. Die betroffenen Plattformen weisen diese Vorwürfe zurück.

>>> Billig-Amazon: Wie Temu und Shein die Luftfracht-Kapazitäten verstopfen

Die Länder plädieren dafür, Verstöße durch eine umfassendere Datenerhebung und eine verstärkte Kooperation zwischen den zuständigen Behörden besser aufzudecken und zu ahnden. Laut dem Kölner Handelsforschungsinstitut IFH kaufen inzwischen 43 Prozent der Verbraucher in Deutschland auf Marktplätzen wie Temu und Shein ein. Der Branchenverband BEVH berichtet zudem, dass fünf Prozent der Bestellungen im deutschen Onlinehandel auf diese beiden Anbieter entfallen, wobei sie ihren Marktanteil innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt hätten.

Auch in Österreich nimmt die Bekanntheit asiatischer Online-Händler stetig zu, so der Handelsverband. Laut dessen Angaben kennen bereits 71 Prozent der Österreicher AliExpress/Alibaba, während Shein 52 Prozent und Temu 50 Prozent bekannt sind. Diese Markenbekanntheit werde vor allem durch gezielte Werbemaßnahmen auf Social Media und in Suchmaschinen aufgebaut, so der Handelsverband gegenüber der APA. Zudem zeigen die Zahlen des Verbands eine hohe Nutzung, insbesondere von Shein. „Der Modehändler Shein wird Schätzungen zufolge bereits von 42 Prozent der 15- bis 27-Jährigen genutzt, während bei den über 50-Jährigen etwa 10 Prozent der Konsumenten auf Shein zugreifen“, heißt es weiter. Auch Temu erfreut sich wachsender Beliebtheit: 42 Prozent der jungen Österreicher haben dort bereits eingekauft, wobei die Tendenz stark ansteige.

400.000 Pakete täglich - nur nach Deutschland

In Deutschland wird die Zahl der Sendungen auf rund 400.000 Pakete pro Tag geschätzt. Die Bestellungen erreichen die Kunden in der Regel innerhalb weniger Tage. Dies führt zu erheblichen Auswirkungen auf den Luftfrachtsektor. Branchenexperten zufolge transportieren die beiden Online-Riesen täglich zwischen 4.000 und 5.000 Tonnen Fracht. Das bedeutet, dass über hundert Frachtflugzeuge vom Typ Boeing 777 jeden Tag ausschließlich für diese Lieferungen starten müssen. Zum Vergleich: Selbst große Unternehmen wie Apple benötigen lediglich etwa 1.000 Tonnen Frachtkapazität pro Tag und müssen sich bereits um Platz in den Flugzeugen bemühen. Günstig sind die Waren auch deshalb, weil die Unternehmen bei der Verpackung auf die Einhaltung der Zollgrenzen der jeweiligen Länder achten.

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Ein strengeres Vorgehen gegen chinesische Billigplattformen wie Temu wird auch von Handelsexperten und Handelsverbänden zunehmend gefordert. "Weder der europäische noch der deutsche Gesetzgeber sind in der Lage, ihre Verordnungen und Gesetze gegenüber chinesischen Unternehmen vollständig durchzusetzen", erklärte Stephan Tromp, Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Dies führe zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen.

Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes, äußerte ebenfalls scharfe Kritik an der aktuellen Lage: "Wenn die EU weiterhin zulässt, dass Drittstaatenhändler und Ultra-Fast-Fashion-Anbieter in Europa um billigstes Geld vielfach Schrott verkaufen dürfen, setzen wir den gesamten stationären Handel aufs Spiel - und damit auch unsere Stadtkerne, das sollten wir nicht aus den Augen verlieren." Will fordert zudem, dass endlich eine gerechte Besteuerung eingeführt wird: "Es braucht endlich eine faire Besteuerung, damit für den Händler ums Eck dieselben Regeln gelten wie für die digitalen Giganten."

Stephan Tromp, Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE)
Stephan Tromp, Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE) - © Xing
Wenn die EU weiterhin zulässt, dass Drittstaatenhändler und Ultra-Fast-Fashion-Anbieter in Europa um billigstes Geld vielfach Schrott verkaufen dürfen, setzen wir den gesamten stationären Handel aufs Spiel.

Die massive Menge an Paketen aus China stelle ein gesamteuropäisches Problem dar, betont der Handelsverband Deutschland (HDE). Daher müsse auch eine Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden. Ein Beispiel sei das Logistikzentrum des Brüsseler Flughafens, über das viele der Sendungen abgewickelt würden. "Und wenn die Produkte erst mal in Europa sind, dann haben sie mehr oder weniger freie Bahn. Wir müssen unseren Binnenmarkt schützen", erklärte Stephan Tromp. Er warnte zudem: "Wenn ein Markt mit unsicheren Produkten überschwemmt wird, ist Gefahr im Verzug."

Ein generelles Verbot von Plattformen wie Temu sei jedoch nicht die Lösung. "Wenn sich alle an die gleichen Regeln halten müssen, findet Wettbewerb zum Wohle des Verbrauchers statt. Dann siegt die bessere Lösung", so Tromp weiter. Es sei allerdings ungerecht, wenn solche Plattformen im Vorteil seien, weil Politik und Behörden nicht ausreichend Kontrolle ausübten.

Beschwerde gegen Temu eingereicht

Der Handelsverband hat eine detaillierte Beschwerde gegen den chinesischen Online-Riesen Temu bei der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingereicht. In dem zwölfseitigen Dokument wird dem Marktplatz vorgeworfen, unfaire Geschäftspraktiken zu betreiben. Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, erklärte gegenüber der APA, dass eine Vielzahl von Verstößen nachgewiesen und umfassend dokumentiert sei. Demnach verstoße Temu in mehreren Punkten gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).

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Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die irreführenden Informationen über angeblich zeitlich begrenzte Verfügbarkeiten von Produkten sowie vermeintliche Preisnachlässe und künstlich erzeugte Warenknappheit. In der Beschwerde wird Temu vorgeworfen, offensichtlich willkürlich sogenannte UVPs, also unverbindliche Preisempfehlungen von Herstellern, anzuzeigen und diese mit stark reduzierten Preisen zu vergleichen, obwohl diese Preisvergleiche keine tatsächliche Grundlage hätten.

Rainer Will äußerte sich weiter: „Mittlerweile kommen allein in Österreich täglich 30.000 Pakete von asiatischen Online-Plattformen an, die sich nicht an die geltenden Spielregeln halten.“ Die Beschwerde hebt hervor, dass „die skizzierten unlauteren Praktiken mutmaßlich zu millionenfachen Verkäufen führen, welche den heimischen Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig schädigen“. Der Handelsverband verlangt deshalb ein entschiedenes Vorgehen gegen Temus Methoden, um „einen fairen Wettbewerb auf dem österreichischen und europäischen Markt sicherzustellen“.

Rainer Will Handelsverband
Rainer Will vom österreichischen Handelsverband - © Österreichischer Handelsverband